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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Vom Dantzen und Bällen.
tzens, so viel als möglich/ enthalten. Jnzwischen
kan ich doch auch nicht absehen, wie man es, nach
dem Urtheil einiger von der strengen Secte, einem
Priester als ein so gar groß Verbrechen anschrei-
ben solte, wenn er bey einer christlichen und honet-
ten Gesellschafft mit einer erbaren Matrone, oder
sonst einem tugendhafften Frauenzimmer, ein- oder
ein paar mahl ein Däntzgen thut. Sie haben
hierinnen den seeligen Vater Lutherum zum Vor-
gänger, welcher in seiner Kirchen-Postill von sich
schreibt: Er ließ der Hochzeit ihr Recht, und dantzte
mit hin; der Glaube und die Liebe liessen sich nicht
ausdantzen. Der Herr Michaelis ist in seinem
Pastori Dioecesen suam dirigente gleicher Mey-
nung, und meldet pag. 578: Wenn ein Prediger
meines Synodi Hochzeit hält, bittet er den Praepo-
situm
und alle Herren Pastores durch eine Curren-
de
dazu; wir stellen uns, wo kein Hinderniß entge-
gen kommt, allesammt ein, wohnen dem heiligen
Actui mit aller Andacht bey, und sind darauf mit
Braut und Bräutigam frölich im HErrn, thun
auch wohl zuweilen den Braut-Dantz mit, als eine
indifferente Sache, wodurch weder Glaube, noch
Liebe, noch Erbarkeit ausgeschüttet wird.

§. 10. Jhrer viele verwerffen das Dantzen gantz
und gar, bloß um deswillen, weil die ersten Christen
nichts auf das Dantzen gehalten; sie hätten sie
heydnisch und teuflisch genennet, und ihnen nicht al-
lein mit Worten, sondern auch mit öffentlichen
Verbothen und genauer Kirchen-Zucht gewehret;

Eini-

Vom Dantzen und Baͤllen.
tzens, ſo viel als moͤglich/ enthalten. Jnzwiſchen
kan ich doch auch nicht abſehen, wie man es, nach
dem Urtheil einiger von der ſtrengen Secte, einem
Prieſter als ein ſo gar groß Verbrechen anſchrei-
ben ſolte, wenn er bey einer chriſtlichen und honet-
ten Geſellſchafft mit einer erbaren Matrone, oder
ſonſt einem tugendhafften Frauenzimmer, ein- oder
ein paar mahl ein Daͤntzgen thut. Sie haben
hierinnen den ſeeligen Vater Lutherum zum Vor-
gaͤnger, welcher in ſeiner Kirchen-Poſtill von ſich
ſchreibt: Er ließ der Hochzeit ihr Recht, und dantzte
mit hin; der Glaube und die Liebe lieſſen ſich nicht
ausdantzen. Der Herr Michaelis iſt in ſeinem
Paſtori Diœceſen ſuam dirigente gleicher Mey-
nung, und meldet pag. 578: Wenn ein Prediger
meines Synodi Hochzeit haͤlt, bittet er den Præpo-
ſitum
und alle Herren Paſtores durch eine Curren-
de
dazu; wir ſtellen uns, wo kein Hinderniß entge-
gen kommt, alleſammt ein, wohnen dem heiligen
Actui mit aller Andacht bey, und ſind darauf mit
Braut und Braͤutigam froͤlich im HErrn, thun
auch wohl zuweilen den Braut-Dantz mit, als eine
indifferente Sache, wodurch weder Glaube, noch
Liebe, noch Erbarkeit ausgeſchuͤttet wird.

§. 10. Jhrer viele verwerffen das Dantzen gantz
und gar, bloß um deswillen, weil die erſten Chriſten
nichts auf das Dantzen gehalten; ſie haͤtten ſie
heydniſch und teufliſch genennet, und ihnen nicht al-
lein mit Worten, ſondern auch mit oͤffentlichen
Verbothen und genauer Kirchen-Zucht gewehret;

Eini-
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[475/0495] Vom Dantzen und Baͤllen. tzens, ſo viel als moͤglich/ enthalten. Jnzwiſchen kan ich doch auch nicht abſehen, wie man es, nach dem Urtheil einiger von der ſtrengen Secte, einem Prieſter als ein ſo gar groß Verbrechen anſchrei- ben ſolte, wenn er bey einer chriſtlichen und honet- ten Geſellſchafft mit einer erbaren Matrone, oder ſonſt einem tugendhafften Frauenzimmer, ein- oder ein paar mahl ein Daͤntzgen thut. Sie haben hierinnen den ſeeligen Vater Lutherum zum Vor- gaͤnger, welcher in ſeiner Kirchen-Poſtill von ſich ſchreibt: Er ließ der Hochzeit ihr Recht, und dantzte mit hin; der Glaube und die Liebe lieſſen ſich nicht ausdantzen. Der Herr Michaelis iſt in ſeinem Paſtori Diœceſen ſuam dirigente gleicher Mey- nung, und meldet pag. 578: Wenn ein Prediger meines Synodi Hochzeit haͤlt, bittet er den Præpo- ſitum und alle Herren Paſtores durch eine Curren- de dazu; wir ſtellen uns, wo kein Hinderniß entge- gen kommt, alleſammt ein, wohnen dem heiligen Actui mit aller Andacht bey, und ſind darauf mit Braut und Braͤutigam froͤlich im HErrn, thun auch wohl zuweilen den Braut-Dantz mit, als eine indifferente Sache, wodurch weder Glaube, noch Liebe, noch Erbarkeit ausgeſchuͤttet wird. §. 10. Jhrer viele verwerffen das Dantzen gantz und gar, bloß um deswillen, weil die erſten Chriſten nichts auf das Dantzen gehalten; ſie haͤtten ſie heydniſch und teufliſch genennet, und ihnen nicht al- lein mit Worten, ſondern auch mit oͤffentlichen Verbothen und genauer Kirchen-Zucht gewehret; Eini-

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/495>, abgerufen am 20.05.2024.