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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Vom Tractiren und denen Gastereyen.
stenthums, als der gesunden Vernunfft nach verbun-
den, sich vor dem übermäßigen Trunck zu hüten,
dadurch man aufhört ein Mensch zu seyn, und sich
dem Vieh je mehr und mehr ähnlich macht; man
muß seine Kräffte kennen, und seine Mensur wissen.
Man muß sich von niemand, es sey auch wer es
wolle, zu einem überflüßigen und unmäßigen
Trunck überreden, noch weniger nöthigen oder gar
zwingen lassen. An dem Orte, wo man sich auf-
hält, muß man sich auf einem solchen Fuß setzen,
daß ein jederman weiß, daß man seinen Vorsatz
hierinnen nicht überschreiten werde, so bleibet man
ein andermahl desto eher vor dem Trunck gesichert
und verschonet. Jst man an einem fremden Orte,
muß man in Besuchung der Gesellschafften sehr be-
hutsam seyn, man muß sich vorher erkundigen, ob
es an diesem oder jenem Ort allzu naß zugehen wer-
de, man muß nicht eher hingehen, biß man von dem
Wirth die Versicherung erhalten, daß er einem
hierunter alle Freyheit gönnen wolte. Es ist eine
seltzame Sache, daß sichs manche vor eine Schan-
de achten, wenn sie die grossen Humpen Wein nicht
auf eben die Weise, wie sie ihnen zugebracht wor-
den, ausleeren sollen, und halten sichs doch vor keine
Schande, wenn sie in Trunckenheit die größten
Thorheiten begehen, dadurch sie sich hernach bey
der gantzen Gesellschafft beschimpffen, und solche
Historien spielen, davon sie bißweilen in ihrem gan-
tzen Leben ein unangenehmes Andencken übrig be-
halten.

§. 55.

Vom Tractiren und denen Gaſtereyen.
ſtenthums, als der geſunden Vernunfft nach verbun-
den, ſich vor dem uͤbermaͤßigen Trunck zu huͤten,
dadurch man aufhoͤrt ein Menſch zu ſeyn, und ſich
dem Vieh je mehr und mehr aͤhnlich macht; man
muß ſeine Kraͤffte kennen, und ſeine Menſur wiſſen.
Man muß ſich von niemand, es ſey auch wer es
wolle, zu einem uͤberfluͤßigen und unmaͤßigen
Trunck uͤberreden, noch weniger noͤthigen oder gar
zwingen laſſen. An dem Orte, wo man ſich auf-
haͤlt, muß man ſich auf einem ſolchen Fuß ſetzen,
daß ein jederman weiß, daß man ſeinen Vorſatz
hierinnen nicht uͤberſchreiten werde, ſo bleibet man
ein andermahl deſto eher vor dem Trunck geſichert
und verſchonet. Jſt man an einem fremden Orte,
muß man in Beſuchung der Geſellſchafften ſehr be-
hutſam ſeyn, man muß ſich vorher erkundigen, ob
es an dieſem oder jenem Ort allzu naß zugehen wer-
de, man muß nicht eher hingehen, biß man von dem
Wirth die Verſicherung erhalten, daß er einem
hierunter alle Freyheit goͤnnen wolte. Es iſt eine
ſeltzame Sache, daß ſichs manche vor eine Schan-
de achten, wenn ſie die groſſen Humpen Wein nicht
auf eben die Weiſe, wie ſie ihnen zugebracht wor-
den, ausleeren ſollen, und halten ſichs doch vor keine
Schande, wenn ſie in Trunckenheit die groͤßten
Thorheiten begehen, dadurch ſie ſich hernach bey
der gantzen Geſellſchafft beſchimpffen, und ſolche
Hiſtorien ſpielen, davon ſie bißweilen in ihrem gan-
tzen Leben ein unangenehmes Andencken uͤbrig be-
halten.

§. 55.
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[461/0481] Vom Tractiren und denen Gaſtereyen. ſtenthums, als der geſunden Vernunfft nach verbun- den, ſich vor dem uͤbermaͤßigen Trunck zu huͤten, dadurch man aufhoͤrt ein Menſch zu ſeyn, und ſich dem Vieh je mehr und mehr aͤhnlich macht; man muß ſeine Kraͤffte kennen, und ſeine Menſur wiſſen. Man muß ſich von niemand, es ſey auch wer es wolle, zu einem uͤberfluͤßigen und unmaͤßigen Trunck uͤberreden, noch weniger noͤthigen oder gar zwingen laſſen. An dem Orte, wo man ſich auf- haͤlt, muß man ſich auf einem ſolchen Fuß ſetzen, daß ein jederman weiß, daß man ſeinen Vorſatz hierinnen nicht uͤberſchreiten werde, ſo bleibet man ein andermahl deſto eher vor dem Trunck geſichert und verſchonet. Jſt man an einem fremden Orte, muß man in Beſuchung der Geſellſchafften ſehr be- hutſam ſeyn, man muß ſich vorher erkundigen, ob es an dieſem oder jenem Ort allzu naß zugehen wer- de, man muß nicht eher hingehen, biß man von dem Wirth die Verſicherung erhalten, daß er einem hierunter alle Freyheit goͤnnen wolte. Es iſt eine ſeltzame Sache, daß ſichs manche vor eine Schan- de achten, wenn ſie die groſſen Humpen Wein nicht auf eben die Weiſe, wie ſie ihnen zugebracht wor- den, ausleeren ſollen, und halten ſichs doch vor keine Schande, wenn ſie in Trunckenheit die groͤßten Thorheiten begehen, dadurch ſie ſich hernach bey der gantzen Geſellſchafft beſchimpffen, und ſolche Hiſtorien ſpielen, davon ſie bißweilen in ihrem gan- tzen Leben ein unangenehmes Andencken uͤbrig be- halten. §. 55.

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/481>, abgerufen am 22.11.2024.