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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Vom Tractiren und denen Gastereyen.
Leute, bey einer Gasterey die Speisen in einer klei-
nen Anzahl aufsetzen, damit sie alle gesättiget wer-
den, und ein jeder etwas finde, welches seinem Ge-
schmack gemäß. Bey einer oder ein paar Speisen
könte es sonst leicht geschehen, daß mancher, dem
diese oder jene Speise zuwider, oder sie sonst nicht
vertragen kan, ungesättiget vom Tische aufstehen
müste.

§. 13. Wie viel Gerichte man bey einer Gaste-
rey aufsetzen soll, läst sich überhaupt nicht wohl sa-
gen; jedoch halte ich davor, daß bey einem Freund-
schaffts-Gastgebothe ein fünff biß sechs delicate
Speisen, zum Vergnügen guter Freunde, genug
sind, und daß man bey dem größten Banquet, wel-
ches bey einer und der andern frölichen oder trauri-
gen Begebenheit, unter Privat-Personen angestel-
let wird, mit 12, 14 biß 16 Gerichten, ohne das
Dessert, auskommen könne. Es ist demnach ein
unverantwortlicher Uberfluß, wenn Privat-Perso-
nen, dem Freß-Ceremoniel nach, die Anzahl der
Gerichte nicht auf 24 oder 30, sondern gar auf 50,
60 biß 80 steigen lassen. Jch rede hier von denen
Gastgebothen der Privat-Leute. Denen hohen
Standes-Personen oder grossen Staats-Ministris
will ich keine Regeln vorschreiben.

§. 14. Der Autor der Pflicht und Schuldig-
keit, welche man in seinem Haußwesen zu beobach-
ten, hat wohl recht, wenn er pag. 260. schreibet:
Die Unmäßigkeit hat sich unverinerckt in die
meisten
Privat-Häuser mit eingeschlichen, wo-

selbst
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Vom Tractiren und denen Gaſtereyen.
Leute, bey einer Gaſterey die Speiſen in einer klei-
nen Anzahl aufſetzen, damit ſie alle geſaͤttiget wer-
den, und ein jeder etwas finde, welches ſeinem Ge-
ſchmack gemaͤß. Bey einer oder ein paar Speiſen
koͤnte es ſonſt leicht geſchehen, daß mancher, dem
dieſe oder jene Speiſe zuwider, oder ſie ſonſt nicht
vertragen kan, ungeſaͤttiget vom Tiſche aufſtehen
muͤſte.

§. 13. Wie viel Gerichte man bey einer Gaſte-
rey aufſetzen ſoll, laͤſt ſich uͤberhaupt nicht wohl ſa-
gen; jedoch halte ich davor, daß bey einem Freund-
ſchaffts-Gaſtgebothe ein fuͤnff biß ſechs delicate
Speiſen, zum Vergnuͤgen guter Freunde, genug
ſind, und daß man bey dem groͤßten Banquet, wel-
ches bey einer und der andern froͤlichen oder trauri-
gen Begebenheit, unter Privat-Perſonen angeſtel-
let wird, mit 12, 14 biß 16 Gerichten, ohne das
Deſſert, auskommen koͤnne. Es iſt demnach ein
unverantwortlicher Uberfluß, wenn Privat-Perſo-
nen, dem Freß-Ceremoniel nach, die Anzahl der
Gerichte nicht auf 24 oder 30, ſondern gar auf 50,
60 biß 80 ſteigen laſſen. Jch rede hier von denen
Gaſtgebothen der Privat-Leute. Denen hohen
Standes-Perſonen oder groſſen Staats-Miniſtris
will ich keine Regeln vorſchreiben.

§. 14. Der Autor der Pflicht und Schuldig-
keit, welche man in ſeinem Haußweſen zu beobach-
ten, hat wohl recht, wenn er pag. 260. ſchreibet:
Die Unmaͤßigkeit hat ſich unverinerckt in die
meiſten
Privat-Haͤuſer mit eingeſchlichen, wo-

ſelbſt
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[435/0455] Vom Tractiren und denen Gaſtereyen. Leute, bey einer Gaſterey die Speiſen in einer klei- nen Anzahl aufſetzen, damit ſie alle geſaͤttiget wer- den, und ein jeder etwas finde, welches ſeinem Ge- ſchmack gemaͤß. Bey einer oder ein paar Speiſen koͤnte es ſonſt leicht geſchehen, daß mancher, dem dieſe oder jene Speiſe zuwider, oder ſie ſonſt nicht vertragen kan, ungeſaͤttiget vom Tiſche aufſtehen muͤſte. §. 13. Wie viel Gerichte man bey einer Gaſte- rey aufſetzen ſoll, laͤſt ſich uͤberhaupt nicht wohl ſa- gen; jedoch halte ich davor, daß bey einem Freund- ſchaffts-Gaſtgebothe ein fuͤnff biß ſechs delicate Speiſen, zum Vergnuͤgen guter Freunde, genug ſind, und daß man bey dem groͤßten Banquet, wel- ches bey einer und der andern froͤlichen oder trauri- gen Begebenheit, unter Privat-Perſonen angeſtel- let wird, mit 12, 14 biß 16 Gerichten, ohne das Deſſert, auskommen koͤnne. Es iſt demnach ein unverantwortlicher Uberfluß, wenn Privat-Perſo- nen, dem Freß-Ceremoniel nach, die Anzahl der Gerichte nicht auf 24 oder 30, ſondern gar auf 50, 60 biß 80 ſteigen laſſen. Jch rede hier von denen Gaſtgebothen der Privat-Leute. Denen hohen Standes-Perſonen oder groſſen Staats-Miniſtris will ich keine Regeln vorſchreiben. §. 14. Der Autor der Pflicht und Schuldig- keit, welche man in ſeinem Haußweſen zu beobach- ten, hat wohl recht, wenn er pag. 260. ſchreibet: Die Unmaͤßigkeit hat ſich unverinerckt in die meiſten Privat-Haͤuſer mit eingeſchlichen, wo- ſelbſt E e 2

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/455>, abgerufen am 20.05.2024.