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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Vom Spielen.
nem Hauß-Wesen in Acht zu nehmen hat, schreibt
p. 227: Kluge Leute sind selten dem Spiel ergeben,
denn sie finden schon bey sich selbst so viel, daß sie sich
erlustigen, und des Verdrusses entschlagen können.
Es sind nur alberne Leute, so in ihrem Gemüthe stets
leer, und in der Conversation ungeschickt sind, oder
Müßiggänger, so die Arbeit fliehen, die ihre Zeit mit
dem Spielen zu vertreiben suchen. Das größte
Unglück, welches sie doch nicht einmahl verstehen, ist,
daß sie glauben, sie haben ihre Zeit wohl angewandt,
wenn sie Tag und Nacht mit Spielen zugebracht
haben.

§. 3. Doch die Moralisten mögen sagen, was
sie wollen, die Welt bleibt bey ihrer Weise, und er-
theilt den Spielern und Spielerinnen mehr Hoch-
achtung als sie verdienen. Was der Frantzösi-
sche Autor der Persianischen Briefe in dem XLIV.
Schreiben seinem guten Freund meldet, trifft wohl
ziemlich ein: Le jeu est tres en usage en Europe,
c'est un etat d'etre joneur, ce seul titre tient lieu
de naissance, de bien de probite, il met tout hom-
me, qui le porte, au rang des honnetes gens
sans examen, quoy quil n'y ait personne, qui
ne scache, qu'en jugeant ainsi, il s'est trompe
tres souvent, mais on est convenu d'etre incor-
rigible.
Ein großer Theil weltgesinnter Leute ste-
het in den Gedancken, ein jnnger Mensch könte un-
möglich in der Welt fortkommen, und sein Glück
machen, wenn er nicht die Spiele verstünde. Doch
dieses ist wohl ein sehr irriger Wahn; Meines Er-

achtens
C c 3

Vom Spielen.
nem Hauß-Weſen in Acht zu nehmen hat, ſchreibt
p. 227: Kluge Leute ſind ſelten dem Spiel ergeben,
denn ſie finden ſchon bey ſich ſelbſt ſo viel, daß ſie ſich
erluſtigen, und des Verdruſſes entſchlagen koͤnnen.
Es ſind nur alberne Leute, ſo in ihrem Gemuͤthe ſtets
leer, und in der Converſation ungeſchickt ſind, oder
Muͤßiggaͤnger, ſo die Arbeit fliehen, die ihre Zeit mit
dem Spielen zu vertreiben ſuchen. Das groͤßte
Ungluͤck, welches ſie doch nicht einmahl verſtehen, iſt,
daß ſie glauben, ſie haben ihre Zeit wohl angewandt,
wenn ſie Tag und Nacht mit Spielen zugebracht
haben.

§. 3. Doch die Moraliſten moͤgen ſagen, was
ſie wollen, die Welt bleibt bey ihrer Weiſe, und er-
theilt den Spielern und Spielerinnen mehr Hoch-
achtung als ſie verdienen. Was der Frantzoͤſi-
ſche Autor der Perſianiſchen Briefe in dem XLIV.
Schreiben ſeinem guten Freund meldet, trifft wohl
ziemlich ein: Le jeu eſt très en uſage en Europe,
c’eſt un etat d’etre joneur, ce ſeul titre tient lieu
de naiſſance, de bien de probitè, il met tout hom-
me, qui le porte, au rang des honnetes gens
ſans examen, quoy quil n’y ait perſonne, qui
ne ſcache, qu’en jugeant ainſi, il s’eſt trompé
trés ſouvent, mais on eſt convenu d’etre incor-
rigible.
Ein großer Theil weltgeſinnter Leute ſte-
het in den Gedancken, ein jnnger Menſch koͤnte un-
moͤglich in der Welt fortkommen, und ſein Gluͤck
machen, wenn er nicht die Spiele verſtuͤnde. Doch
dieſes iſt wohl ein ſehr irriger Wahn; Meines Er-

achtens
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[405/0425] Vom Spielen. nem Hauß-Weſen in Acht zu nehmen hat, ſchreibt p. 227: Kluge Leute ſind ſelten dem Spiel ergeben, denn ſie finden ſchon bey ſich ſelbſt ſo viel, daß ſie ſich erluſtigen, und des Verdruſſes entſchlagen koͤnnen. Es ſind nur alberne Leute, ſo in ihrem Gemuͤthe ſtets leer, und in der Converſation ungeſchickt ſind, oder Muͤßiggaͤnger, ſo die Arbeit fliehen, die ihre Zeit mit dem Spielen zu vertreiben ſuchen. Das groͤßte Ungluͤck, welches ſie doch nicht einmahl verſtehen, iſt, daß ſie glauben, ſie haben ihre Zeit wohl angewandt, wenn ſie Tag und Nacht mit Spielen zugebracht haben. §. 3. Doch die Moraliſten moͤgen ſagen, was ſie wollen, die Welt bleibt bey ihrer Weiſe, und er- theilt den Spielern und Spielerinnen mehr Hoch- achtung als ſie verdienen. Was der Frantzoͤſi- ſche Autor der Perſianiſchen Briefe in dem XLIV. Schreiben ſeinem guten Freund meldet, trifft wohl ziemlich ein: Le jeu eſt très en uſage en Europe, c’eſt un etat d’etre joneur, ce ſeul titre tient lieu de naiſſance, de bien de probitè, il met tout hom- me, qui le porte, au rang des honnetes gens ſans examen, quoy quil n’y ait perſonne, qui ne ſcache, qu’en jugeant ainſi, il s’eſt trompé trés ſouvent, mais on eſt convenu d’etre incor- rigible. Ein großer Theil weltgeſinnter Leute ſte- het in den Gedancken, ein jnnger Menſch koͤnte un- moͤglich in der Welt fortkommen, und ſein Gluͤck machen, wenn er nicht die Spiele verſtuͤnde. Doch dieſes iſt wohl ein ſehr irriger Wahn; Meines Er- achtens C c 3

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/425>, abgerufen am 19.05.2024.