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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von dem Umgang mit Frauenzimmer.
hiebey in Betrachtung zu ziehen, mittheilen. Zum
ersten muß er den Stand und den Character seiner
Nachbarin wohl beurtheilen, ist sie von sehr hohem
Stande, so würde er wider den Wohlstand han-
deln, wenn er sie wie eine von seines gleichen anse-
hen, und so ohne dero Erlaubniß, oder ohne wieder-
hohlten Befehl derer, die noch höher sind, küssen
wolte. An statt des Kusses auf die Wangen, muß
er ihr die Hand küssen, und auch dieses nicht eher
thun, biß er mit einem grossen Compliment sich die
Erlaubniß hierzu vorher ausgebeten. Bey Fürst-
lichen Personen ist auch dieses nicht einmahl erlaubt,
sondern, wenn er die Gnade hat, bey denen zu sitzen,
muß er aufstehen, und ihnen den Rock küssen, es
wäre denn, daß sie ihm aus besondrer Distinction
die Hand zum Kuß selbst darreichten. Zum andern
muß er auch hiebey vor die verheyratheten Dames,
wenn sie auch eines gleichen Standes mit ihnen
seyn solten, mehr Ehrerbietung haben, als vor die
ledigen Fräulein, und zu deren Kuß nicht allzu fort
willig seyn, sondern vorhero die Erlaubniß des
Frauenzimmers oder ihres Ehe-Liebsten, wenn er
gegenwärtig, oder den Befehl der Höhern erstlich
erwarten, oder sich sonst mit dem Hand-Kuß be-
gnügen lassen. Drittens bey denen Damen, die
von einem ziemlich hohen Alter, wohl beurtheilen,
ob ihnen mehr mit einem Kuß auf die Wangen,
oder mit Küssung der Hand gedienet sey. Man-
che würden es übel nehmen, wenn man sie mit dem
gewöhnlichen Kuß verschonen wolte, und auf einem

solchen

Von dem Umgang mit Frauenzimmer.
hiebey in Betrachtung zu ziehen, mittheilen. Zum
erſten muß er den Stand und den Character ſeiner
Nachbarin wohl beurtheilen, iſt ſie von ſehr hohem
Stande, ſo wuͤrde er wider den Wohlſtand han-
deln, wenn er ſie wie eine von ſeines gleichen anſe-
hen, und ſo ohne dero Erlaubniß, oder ohne wieder-
hohlten Befehl derer, die noch hoͤher ſind, kuͤſſen
wolte. An ſtatt des Kuſſes auf die Wangen, muß
er ihr die Hand kuͤſſen, und auch dieſes nicht eher
thun, biß er mit einem groſſen Compliment ſich die
Erlaubniß hierzu vorher ausgebeten. Bey Fuͤrſt-
lichen Perſonen iſt auch dieſes nicht einmahl erlaubt,
ſondern, wenn er die Gnade hat, bey denen zu ſitzen,
muß er aufſtehen, und ihnen den Rock kuͤſſen, es
waͤre denn, daß ſie ihm aus beſondrer Diſtinction
die Hand zum Kuß ſelbſt darreichten. Zum andern
muß er auch hiebey vor die verheyratheten Dames,
wenn ſie auch eines gleichen Standes mit ihnen
ſeyn ſolten, mehr Ehrerbietung haben, als vor die
ledigen Fraͤulein, und zu deren Kuß nicht allzu fort
willig ſeyn, ſondern vorhero die Erlaubniß des
Frauenzimmers oder ihres Ehe-Liebſten, wenn er
gegenwaͤrtig, oder den Befehl der Hoͤhern erſtlich
erwarten, oder ſich ſonſt mit dem Hand-Kuß be-
gnuͤgen laſſen. Drittens bey denen Damen, die
von einem ziemlich hohen Alter, wohl beurtheilen,
ob ihnen mehr mit einem Kuß auf die Wangen,
oder mit Kuͤſſung der Hand gedienet ſey. Man-
che wuͤrden es uͤbel nehmen, wenn man ſie mit dem
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[379/0399] Von dem Umgang mit Frauenzimmer. hiebey in Betrachtung zu ziehen, mittheilen. Zum erſten muß er den Stand und den Character ſeiner Nachbarin wohl beurtheilen, iſt ſie von ſehr hohem Stande, ſo wuͤrde er wider den Wohlſtand han- deln, wenn er ſie wie eine von ſeines gleichen anſe- hen, und ſo ohne dero Erlaubniß, oder ohne wieder- hohlten Befehl derer, die noch hoͤher ſind, kuͤſſen wolte. An ſtatt des Kuſſes auf die Wangen, muß er ihr die Hand kuͤſſen, und auch dieſes nicht eher thun, biß er mit einem groſſen Compliment ſich die Erlaubniß hierzu vorher ausgebeten. Bey Fuͤrſt- lichen Perſonen iſt auch dieſes nicht einmahl erlaubt, ſondern, wenn er die Gnade hat, bey denen zu ſitzen, muß er aufſtehen, und ihnen den Rock kuͤſſen, es waͤre denn, daß ſie ihm aus beſondrer Diſtinction die Hand zum Kuß ſelbſt darreichten. Zum andern muß er auch hiebey vor die verheyratheten Dames, wenn ſie auch eines gleichen Standes mit ihnen ſeyn ſolten, mehr Ehrerbietung haben, als vor die ledigen Fraͤulein, und zu deren Kuß nicht allzu fort willig ſeyn, ſondern vorhero die Erlaubniß des Frauenzimmers oder ihres Ehe-Liebſten, wenn er gegenwaͤrtig, oder den Befehl der Hoͤhern erſtlich erwarten, oder ſich ſonſt mit dem Hand-Kuß be- gnuͤgen laſſen. Drittens bey denen Damen, die von einem ziemlich hohen Alter, wohl beurtheilen, ob ihnen mehr mit einem Kuß auf die Wangen, oder mit Kuͤſſung der Hand gedienet ſey. Man- che wuͤrden es uͤbel nehmen, wenn man ſie mit dem gewoͤhnlichen Kuß verſchonen wolte, und auf einem ſolchen

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/399>, abgerufen am 28.11.2024.