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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. VI. Capitul.
langen, er muß eine Begierde bezeugen, etwas von
ihr selbst davon zu erfahren, er muß es bewundern,
und dadurch Anlaß nehmen, etwas mit ihr zu
sprechen, und auf eine andere Materie zu gelangen,
die mit dieser etwas gemeinschafftliches hat, und
ihm besser bekandt ist.

§. 14. Bißweilen giebet uns die Jugend oder
ein höher Alter, die Schönheit oder die Heßlichkeit
eines Frauenzimmers, ohne daß wir nöthig haben
andere Merckmahle damit zu vereinigen, eine ziem-
lich wahrscheinliche Erkänntniß dessen, was ihr an-
genehm zu hören seyn möchte. Der bey einem
jungen und schönen Frauenzimmer mit dem Ari-
stotele
und Cartesio angestochen käme, dem wür-
den sie bald als einen Pedanten ansehen, diese lie-
ben allerhand Einfälle, die sinnreich und lustig sind,
zuweilen auch zweydeutige Redens-Arten, die sich
nicht gar zu natürlich ausdrucken. Geschichte von
partier de plaisir, und Gelegenheiten dabey, wie
auch geschickte neue Erfindungen, sind alles Mate-
rien, dadurch man eine Conversation mit derglei-
chen Damen gar leicht unterhalten kan. S. Hof-
rath Nemritz Sejour de Paris p. 109. Und wer
hingegen einer alten der Welt abgestorbenen Ma-
trone, oder bey einem heßlichen Frauenzimmer, von
der Menge ihrer Anbeter, von allerhand verliebten
Touren, von ihrer liebreitzenden Gestalt viel vor-
schwatzen wolte, würde mit Recht eine solche Ant-
wort erhalten, daß man entweder thöricht seyn mü-
ste, oder sie davor ansehen. Bißweilen kan es aber

doch

II. Theil. VI. Capitul.
langen, er muß eine Begierde bezeugen, etwas von
ihr ſelbſt davon zu erfahren, er muß es bewundern,
und dadurch Anlaß nehmen, etwas mit ihr zu
ſprechen, und auf eine andere Materie zu gelangen,
die mit dieſer etwas gemeinſchafftliches hat, und
ihm beſſer bekandt iſt.

§. 14. Bißweilen giebet uns die Jugend oder
ein hoͤher Alter, die Schoͤnheit oder die Heßlichkeit
eines Frauenzimmers, ohne daß wir noͤthig haben
andere Merckmahle damit zu vereinigen, eine ziem-
lich wahrſcheinliche Erkaͤnntniß deſſen, was ihr an-
genehm zu hoͤren ſeyn moͤchte. Der bey einem
jungen und ſchoͤnen Frauenzimmer mit dem Ari-
ſtotele
und Carteſio angeſtochen kaͤme, dem wuͤr-
den ſie bald als einen Pedanten anſehen, dieſe lie-
ben allerhand Einfaͤlle, die ſinnreich und luſtig ſind,
zuweilen auch zweydeutige Redens-Arten, die ſich
nicht gar zu natuͤrlich ausdrucken. Geſchichte von
partier de plaiſir, und Gelegenheiten dabey, wie
auch geſchickte neue Erfindungen, ſind alles Mate-
rien, dadurch man eine Converſation mit derglei-
chen Damen gar leicht unterhalten kan. S. Hof-
rath Nemritz Sejour de Paris p. 109. Und wer
hingegen einer alten der Welt abgeſtorbenen Ma-
trone, oder bey einem heßlichen Frauenzimmer, von
der Menge ihrer Anbeter, von allerhand verliebten
Touren, von ihrer liebreitzenden Geſtalt viel vor-
ſchwatzen wolte, wuͤrde mit Recht eine ſolche Ant-
wort erhalten, daß man entweder thoͤricht ſeyn muͤ-
ſte, oder ſie davor anſehen. Bißweilen kan es aber

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[374/0394] II. Theil. VI. Capitul. langen, er muß eine Begierde bezeugen, etwas von ihr ſelbſt davon zu erfahren, er muß es bewundern, und dadurch Anlaß nehmen, etwas mit ihr zu ſprechen, und auf eine andere Materie zu gelangen, die mit dieſer etwas gemeinſchafftliches hat, und ihm beſſer bekandt iſt. §. 14. Bißweilen giebet uns die Jugend oder ein hoͤher Alter, die Schoͤnheit oder die Heßlichkeit eines Frauenzimmers, ohne daß wir noͤthig haben andere Merckmahle damit zu vereinigen, eine ziem- lich wahrſcheinliche Erkaͤnntniß deſſen, was ihr an- genehm zu hoͤren ſeyn moͤchte. Der bey einem jungen und ſchoͤnen Frauenzimmer mit dem Ari- ſtotele und Carteſio angeſtochen kaͤme, dem wuͤr- den ſie bald als einen Pedanten anſehen, dieſe lie- ben allerhand Einfaͤlle, die ſinnreich und luſtig ſind, zuweilen auch zweydeutige Redens-Arten, die ſich nicht gar zu natuͤrlich ausdrucken. Geſchichte von partier de plaiſir, und Gelegenheiten dabey, wie auch geſchickte neue Erfindungen, ſind alles Mate- rien, dadurch man eine Converſation mit derglei- chen Damen gar leicht unterhalten kan. S. Hof- rath Nemritz Sejour de Paris p. 109. Und wer hingegen einer alten der Welt abgeſtorbenen Ma- trone, oder bey einem heßlichen Frauenzimmer, von der Menge ihrer Anbeter, von allerhand verliebten Touren, von ihrer liebreitzenden Geſtalt viel vor- ſchwatzen wolte, wuͤrde mit Recht eine ſolche Ant- wort erhalten, daß man entweder thoͤricht ſeyn muͤ- ſte, oder ſie davor anſehen. Bißweilen kan es aber doch

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/394>, abgerufen am 25.11.2024.