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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von dem Umgang mit Frauenzimmer.

§. 5. Man schräncke so viel als möglich den Um-
gang mit Dames ein, nach den Regeln der Höflich-
keit, des Wohlstandes, und einer allgemeinen Hoch-
achtung, die man dem schönen Geschlecht schuldig,
und enthalte sich einer solchen Vertraulichkeit, die
auf mancherley Art und Weise unserer Glückseelig-
keit und Zufriedenheit zuwieder seyn könte. Den
Affect der Liebe halte man im Zaum, damit er
nicht an einem Ort und zu unrechter Zeit überhand
nehme, und die Vernunfft überwältige. Einige
wissen der Liebe gegen das andere Geschlecht ei-
nen treflich schönen Anstrich zu geben. Hieher gehört,
was Faramond in seinen Discoursen über die
Sitten der gegenwärtigen Zeit p. 79. vorträgt:
Dasjenige, was natürlich ist, pflegt niemahls we-
sentlich böse zu seyn, und folglich kommt es nicht
darauf an, daß man diese gewaltsame Neigung,
welche diese beyden Geschlechter zu einander haben,
ausrotten soll, sondern darauf kommt es an, daß
man dieselbe wohl einrichte, und verschaffe, daß
sie allen beyden nützlich sey. Die Erfahrung leh-
ret uns, daß das mildeste Gemüth zur Leutseelig-
keit bewogen wird, so bald sich die Liebe einmischt.
Diese Gemüths-Bewegung verleihet unsern Ge-
berden eine neue Lieblichkeit, unsern Gedancken
und Meynungen eine sonderbahre Hoheit, und der
Gestalt unsers Angesichts ein edles Wesen und
Annehmlichkeit, dafern der Autor das vorherge-
hende, wie es von einem Sitten-Lehrer fast zu ver-
muthen ist, von einer solchen Pflicht verstehet, die

nach
Von dem Umgang mit Frauenzimmer.

§. 5. Man ſchraͤncke ſo viel als moͤglich den Um-
gang mit Dames ein, nach den Regeln der Hoͤflich-
keit, des Wohlſtandes, und einer allgemeinen Hoch-
achtung, die man dem ſchoͤnen Geſchlecht ſchuldig,
und enthalte ſich einer ſolchen Vertraulichkeit, die
auf mancherley Art und Weiſe unſerer Gluͤckſeelig-
keit und Zufriedenheit zuwieder ſeyn koͤnte. Den
Affect der Liebe halte man im Zaum, damit er
nicht an einem Ort und zu unrechter Zeit uͤberhand
nehme, und die Vernunfft uͤberwaͤltige. Einige
wiſſen der Liebe gegen das andere Geſchlecht ei-
nen treflich ſchoͤnen Anſtrich zu geben. Hieher gehoͤrt,
was Faramond in ſeinen Diſcourſen uͤber die
Sitten der gegenwaͤrtigen Zeit p. 79. vortraͤgt:
Dasjenige, was natuͤrlich iſt, pflegt niemahls we-
ſentlich boͤſe zu ſeyn, und folglich kommt es nicht
darauf an, daß man dieſe gewaltſame Neigung,
welche dieſe beyden Geſchlechter zu einander haben,
ausrotten ſoll, ſondern darauf kommt es an, daß
man dieſelbe wohl einrichte, und verſchaffe, daß
ſie allen beyden nuͤtzlich ſey. Die Erfahrung leh-
ret uns, daß das mildeſte Gemuͤth zur Leutſeelig-
keit bewogen wird, ſo bald ſich die Liebe einmiſcht.
Dieſe Gemuͤths-Bewegung verleihet unſern Ge-
berden eine neue Lieblichkeit, unſern Gedancken
und Meynungen eine ſonderbahre Hoheit, und der
Geſtalt unſers Angeſichts ein edles Weſen und
Annehmlichkeit, dafern der Autor das vorherge-
hende, wie es von einem Sitten-Lehrer faſt zu ver-
muthen iſt, von einer ſolchen Pflicht verſtehet, die

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[365/0385] Von dem Umgang mit Frauenzimmer. §. 5. Man ſchraͤncke ſo viel als moͤglich den Um- gang mit Dames ein, nach den Regeln der Hoͤflich- keit, des Wohlſtandes, und einer allgemeinen Hoch- achtung, die man dem ſchoͤnen Geſchlecht ſchuldig, und enthalte ſich einer ſolchen Vertraulichkeit, die auf mancherley Art und Weiſe unſerer Gluͤckſeelig- keit und Zufriedenheit zuwieder ſeyn koͤnte. Den Affect der Liebe halte man im Zaum, damit er nicht an einem Ort und zu unrechter Zeit uͤberhand nehme, und die Vernunfft uͤberwaͤltige. Einige wiſſen der Liebe gegen das andere Geſchlecht ei- nen treflich ſchoͤnen Anſtrich zu geben. Hieher gehoͤrt, was Faramond in ſeinen Diſcourſen uͤber die Sitten der gegenwaͤrtigen Zeit p. 79. vortraͤgt: Dasjenige, was natuͤrlich iſt, pflegt niemahls we- ſentlich boͤſe zu ſeyn, und folglich kommt es nicht darauf an, daß man dieſe gewaltſame Neigung, welche dieſe beyden Geſchlechter zu einander haben, ausrotten ſoll, ſondern darauf kommt es an, daß man dieſelbe wohl einrichte, und verſchaffe, daß ſie allen beyden nuͤtzlich ſey. Die Erfahrung leh- ret uns, daß das mildeſte Gemuͤth zur Leutſeelig- keit bewogen wird, ſo bald ſich die Liebe einmiſcht. Dieſe Gemuͤths-Bewegung verleihet unſern Ge- berden eine neue Lieblichkeit, unſern Gedancken und Meynungen eine ſonderbahre Hoheit, und der Geſtalt unſers Angeſichts ein edles Weſen und Annehmlichkeit, dafern der Autor das vorherge- hende, wie es von einem Sitten-Lehrer faſt zu ver- muthen iſt, von einer ſolchen Pflicht verſtehet, die nach

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/385>, abgerufen am 18.05.2024.