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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. VI. Capitul.
Gesellschafften wohl zu conduisiren gelernt, und
also Verstand, Klugheit und Geschicklichkeit gnug
haben, Manns-Personen, die manchmahl in an-
ständigen Sitten und einem angenehmen Exterieur
nicht gar weit gekommen, und wenig in vornehmer,
kluger und qualificirten Damen Compagnie ge-
wesen sind, theils durch Minen und Geberden, und
wenn diese nicht helffen wollen, durch nachdrück-
liche Worte eine höchst-heylsame Lection zu ge-
ben. S. p. 90 und p. 93 meldet er weiter: Junge
Cavaliers werden durch die Damen, und derselben
Lehren und Reprochen weit empfindlicher gerührt,
und nachdrücklicher zur anständigen Veränderung
der Sitten gebracht, als durch die besten Maximen
des Graciani Behegarde le Noble u. s. w. Ein
Cavalier, der eine vornehme, kluge und tugendhaff-
te Dame zur Hofmeisterin hat, ist sehr glücklich.
So er einigen erlaubten Estim vor sie hegt, so wird
er alle deren Geberde und Worte, welche dessen
Verbesserung zum Zweck haben, mit grosser Ge-
lassenheit sehen und anhören, solche Lehren zu pra-
ctici
ren sich bemühen, und in kurtzer Zeit mit vor-
nehmen Damen wohl umzugehen, sich bey ihnen
zu insinuiren, und wie er seinen eignen Willen bre-
chen, solchen andrer Leute Willen accommodiren,
und dadurch zu einer anständigen Aufführung ge-
langen soll, zu seinem grösten Nutzen lernen.

§. 2. Diesen stimmet der Herr Hof-Rath
Nemritz bey in seinem Sejour de Paris pag 46.
Trifft ein junger Mensch auf seinen Reisen Frauen-

zimmer

II. Theil. VI. Capitul.
Geſellſchafften wohl zu conduiſiren gelernt, und
alſo Verſtand, Klugheit und Geſchicklichkeit gnug
haben, Manns-Perſonen, die manchmahl in an-
ſtaͤndigen Sitten und einem angenehmen Exterieur
nicht gar weit gekommen, und wenig in vornehmer,
kluger und qualificirten Damen Compagnie ge-
weſen ſind, theils durch Minen und Geberden, und
wenn dieſe nicht helffen wollen, durch nachdruͤck-
liche Worte eine hoͤchſt-heylſame Lection zu ge-
ben. S. p. 90 und p. 93 meldet er weiter: Junge
Cavaliers werden durch die Damen, und derſelben
Lehren und Reprochen weit empfindlicher geruͤhrt,
und nachdruͤcklicher zur anſtaͤndigen Veraͤnderung
der Sitten gebracht, als durch die beſten Maximen
des Graciani Behegarde le Noble u. ſ. w. Ein
Cavalier, der eine vornehme, kluge und tugendhaff-
te Dame zur Hofmeiſterin hat, iſt ſehr gluͤcklich.
So er einigen erlaubten Eſtim vor ſie hegt, ſo wird
er alle deren Geberde und Worte, welche deſſen
Verbeſſerung zum Zweck haben, mit groſſer Ge-
laſſenheit ſehen und anhoͤren, ſolche Lehren zu pra-
ctici
ren ſich bemuͤhen, und in kurtzer Zeit mit vor-
nehmen Damen wohl umzugehen, ſich bey ihnen
zu inſinuiren, und wie er ſeinen eignen Willen bre-
chen, ſolchen andrer Leute Willen accommodiren,
und dadurch zu einer anſtaͤndigen Auffuͤhrung ge-
langen ſoll, zu ſeinem groͤſten Nutzen lernen.

§. 2. Dieſen ſtimmet der Herr Hof-Rath
Nemritz bey in ſeinem Sejour de Paris pag 46.
Trifft ein junger Menſch auf ſeinen Reiſen Frauen-

zimmer
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[362/0382] II. Theil. VI. Capitul. Geſellſchafften wohl zu conduiſiren gelernt, und alſo Verſtand, Klugheit und Geſchicklichkeit gnug haben, Manns-Perſonen, die manchmahl in an- ſtaͤndigen Sitten und einem angenehmen Exterieur nicht gar weit gekommen, und wenig in vornehmer, kluger und qualificirten Damen Compagnie ge- weſen ſind, theils durch Minen und Geberden, und wenn dieſe nicht helffen wollen, durch nachdruͤck- liche Worte eine hoͤchſt-heylſame Lection zu ge- ben. S. p. 90 und p. 93 meldet er weiter: Junge Cavaliers werden durch die Damen, und derſelben Lehren und Reprochen weit empfindlicher geruͤhrt, und nachdruͤcklicher zur anſtaͤndigen Veraͤnderung der Sitten gebracht, als durch die beſten Maximen des Graciani Behegarde le Noble u. ſ. w. Ein Cavalier, der eine vornehme, kluge und tugendhaff- te Dame zur Hofmeiſterin hat, iſt ſehr gluͤcklich. So er einigen erlaubten Eſtim vor ſie hegt, ſo wird er alle deren Geberde und Worte, welche deſſen Verbeſſerung zum Zweck haben, mit groſſer Ge- laſſenheit ſehen und anhoͤren, ſolche Lehren zu pra- cticiren ſich bemuͤhen, und in kurtzer Zeit mit vor- nehmen Damen wohl umzugehen, ſich bey ihnen zu inſinuiren, und wie er ſeinen eignen Willen bre- chen, ſolchen andrer Leute Willen accommodiren, und dadurch zu einer anſtaͤndigen Auffuͤhrung ge- langen ſoll, zu ſeinem groͤſten Nutzen lernen. §. 2. Dieſen ſtimmet der Herr Hof-Rath Nemritz bey in ſeinem Sejour de Paris pag 46. Trifft ein junger Menſch auf ſeinen Reiſen Frauen- zimmer

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/382>, abgerufen am 26.11.2024.