te aber der Unterschied gar zu groß seyn, so giebt man entweder die Gegen-Visite nicht wieder, oder man richtet es doch so ein, daß man zwar einmahl zu ihm kommt, daß er es aber doch nicht vor eine Gegen- Visite halten kan.
§. 28. Die Geringern pflegen sich vielmahls bey den Höhern auszubitten, daß sie ihnen doch einmahl zusprechen sollen, einige thun es aus Un- wissenheit, und aus einer guten Meynung. Weil sie ein Vergnügen dran finden, wenn ihnen die Höhern etwas vorsetzen, das ihren Geschmack be- lustiget, und sie den Vorsatz haben, den Höhern auch etwas vorzusetzen, so achten sie dieses vor ei- ne Einladung und vor eine Art der Höfligkeit, die sie ihm erweisen wollen, und glauben, daß den Höhern an dergleichen Tractamenten eben so viel gelegen sey, als ihnen. Sie könten aber dieses wohl, wenn sie dieselben zu sich invitiren wolten, schon auf eine andere Weise bewerckstelligen; Sie solten bedencken, daß dieses eine Art einer Unhöflich- keit sey, die man hiedurch den Höhern anthut, wenn man von ihnen verlangt, daß sie den Geringern zusprechen sollen. Andere verstehen es wohl, sie invitiren aber die Höhern zu sich aus Hochmuth, indem sie sich ihnen in ihren Gedancken gleich schätzen, sie wollen sich auch wohl viel damit wis- sen, und gegen andere prahlen, daß diese oder jene von den Höhern bey ihnen gewesen. Jn wie weit man nun sich durch das Gesuch der Geringern zu einer
Visite
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Von Abſtatt- u. Annehmung der Beſuche.
te aber der Unterſchied gar zu groß ſeyn, ſo giebt man entweder die Gegen-Viſite nicht wieder, oder man richtet es doch ſo ein, daß man zwar einmahl zu ihm kommt, daß er es aber doch nicht vor eine Gegen- Viſite halten kan.
§. 28. Die Geringern pflegen ſich vielmahls bey den Hoͤhern auszubitten, daß ſie ihnen doch einmahl zuſprechen ſollen, einige thun es aus Un- wiſſenheit, und aus einer guten Meynung. Weil ſie ein Vergnuͤgen dran finden, wenn ihnen die Hoͤhern etwas vorſetzen, das ihren Geſchmack be- luſtiget, und ſie den Vorſatz haben, den Hoͤhern auch etwas vorzuſetzen, ſo achten ſie dieſes vor ei- ne Einladung und vor eine Art der Hoͤfligkeit, die ſie ihm erweiſen wollen, und glauben, daß den Hoͤhern an dergleichen Tractamenten eben ſo viel gelegen ſey, als ihnen. Sie koͤnten aber dieſes wohl, wenn ſie dieſelben zu ſich invitiren wolten, ſchon auf eine andere Weiſe bewerckſtelligen; Sie ſolten bedencken, daß dieſes eine Art einer Unhoͤflich- keit ſey, die man hiedurch den Hoͤhern anthut, weñ man von ihnen verlangt, daß ſie den Geringern zuſprechen ſollen. Andere verſtehen es wohl, ſie invitiren aber die Hoͤhern zu ſich aus Hochmuth, indem ſie ſich ihnen in ihren Gedancken gleich ſchaͤtzen, ſie wollen ſich auch wohl viel damit wiſ- ſen, und gegen andere prahlen, daß dieſe oder jene von den Hoͤhern bey ihnẽ geweſen. Jn wie weit man nun ſich durch das Geſuch der Geringern zu einer
Viſite
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Von Abſtatt- u. Annehmung der Beſuche.
te aber der Unterſchied gar zu groß ſeyn, ſo giebt man
entweder die Gegen-Viſite nicht wieder, oder man
richtet es doch ſo ein, daß man zwar einmahl zu ihm
kommt, daß er es aber doch nicht vor eine Gegen-
Viſite halten kan.
§. 28. Die Geringern pflegen ſich vielmahls
bey den Hoͤhern auszubitten, daß ſie ihnen doch
einmahl zuſprechen ſollen, einige thun es aus Un-
wiſſenheit, und aus einer guten Meynung. Weil
ſie ein Vergnuͤgen dran finden, wenn ihnen die
Hoͤhern etwas vorſetzen, das ihren Geſchmack be-
luſtiget, und ſie den Vorſatz haben, den Hoͤhern
auch etwas vorzuſetzen, ſo achten ſie dieſes vor ei-
ne Einladung und vor eine Art der Hoͤfligkeit, die
ſie ihm erweiſen wollen, und glauben, daß den
Hoͤhern an dergleichen Tractamenten eben ſo viel
gelegen ſey, als ihnen. Sie koͤnten aber dieſes
wohl, wenn ſie dieſelben zu ſich invitiren wolten,
ſchon auf eine andere Weiſe bewerckſtelligen; Sie
ſolten bedencken, daß dieſes eine Art einer Unhoͤflich-
keit ſey, die man hiedurch den Hoͤhern anthut,
weñ man von ihnen verlangt, daß ſie den Geringern
zuſprechen ſollen. Andere verſtehen es wohl, ſie
invitiren aber die Hoͤhern zu ſich aus Hochmuth,
indem ſie ſich ihnen in ihren Gedancken gleich
ſchaͤtzen, ſie wollen ſich auch wohl viel damit wiſ-
ſen, und gegen andere prahlen, daß dieſe oder jene
von den Hoͤhern bey ihnẽ geweſen. Jn wie weit man
nun ſich durch das Geſuch der Geringern zu einer
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/377>, abgerufen am 26.11.2024.
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