nachgehends glauben, daß man von eben dieser Art und Gemüths-Beschaffenheit sey, nach dem Latei- nischen Sprüchwort: Noscitur ex socio, qui non cognoscitur ex se. Daher muß er sich auch nicht weiter, als die Nothwendigkeit und der Wohlstand mit sich bringt, mit andern jungen Leuten, die mit ihm von gleichen Umständen sind, einlassen, und sich mehr um die Gnade und Affection der Höhern be- werben, damit sie ihn des Umganges mit ihnen würdigen mögen.
§. 26. Es ist auch eine Klugheit, daß man lernt unartige Gemüther um sich leiden zu können, wie man etwan zuweilen gleichergestalt gewohnen muß, garstige Gesichter stets vor Augen zu sehen. Hie- durch wird ein Vernünfftiger geschickt, die Leute in beständiger Ergebenheit zu erhalten. Es giebt Leu- te von gar ungezogenem Naturell, die man gar übel leiden mag, die man aber doch gleichwohl nicht ent- behren kan, und da ist es vor eine grosse Geschick- lichkeit zu achten, daß man der Unart solcher Leute gewohne, damit, wenn selbige sich bey Gelegenheit äussert, einem nicht zu seiner Abscheu so gar seltzam und unerträglich vorkomme. S. 115. Maxime von Gracians Oracul. p. 98.
§. 27. Hat uns der andere die Ehre seines Be- suches erzeiget, so erfordert unsere Schuldigkeit, daß wir ihm unsern Gegen-Besuch abstatten. Ob schon der andere in etwas geringer, und er hat uns drey- oder viermahl besucht, so ist es doch wohl bil- lig, daß wir ihn auch einmahl gegen besuchen. Sol-
te
II. Theil. V. Capitul.
nachgehends glauben, daß man von eben dieſer Art und Gemuͤths-Beſchaffenheit ſey, nach dem Latei- niſchen Spruͤchwort: Noſcitur ex ſocio, qui non cognoſcitur ex ſe. Daher muß er ſich auch nicht weiter, als die Nothwendigkeit und der Wohlſtand mit ſich bringt, mit andern jungen Leuten, die mit ihm von gleichen Umſtaͤnden ſind, einlaſſen, und ſich mehr um die Gnade und Affection der Hoͤhern be- werben, damit ſie ihn des Umganges mit ihnen wuͤrdigen moͤgen.
§. 26. Es iſt auch eine Klugheit, daß man lernt unartige Gemuͤther um ſich leiden zu koͤnnen, wie man etwan zuweilen gleichergeſtalt gewohnen muß, garſtige Geſichter ſtets vor Augen zu ſehen. Hie- durch wird ein Vernuͤnfftiger geſchickt, die Leute in beſtaͤndiger Ergebenheit zu erhalten. Es giebt Leu- te von gar ungezogenem Naturell, die man gar uͤbel leiden mag, die man aber doch gleichwohl nicht ent- behren kan, und da iſt es vor eine groſſe Geſchick- lichkeit zu achten, daß man der Unart ſolcher Leute gewohne, damit, wenn ſelbige ſich bey Gelegenheit aͤuſſert, einem nicht zu ſeiner Abſcheu ſo gar ſeltzam und unertraͤglich vorkomme. S. 115. Maxime von Gracians Oracul. p. 98.
§. 27. Hat uns der andere die Ehre ſeines Be- ſuches erzeiget, ſo erfordert unſere Schuldigkeit, daß wir ihm unſern Gegen-Beſuch abſtatten. Ob ſchon der andere in etwas geringer, und er hat uns drey- oder viermahl beſucht, ſo iſt es doch wohl bil- lig, daß wir ihn auch einmahl gegen beſuchen. Sol-
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II. Theil. V. Capitul.
nachgehends glauben, daß man von eben dieſer Art
und Gemuͤths-Beſchaffenheit ſey, nach dem Latei-
niſchen Spruͤchwort: Noſcitur ex ſocio, qui non
cognoſcitur ex ſe. Daher muß er ſich auch nicht
weiter, als die Nothwendigkeit und der Wohlſtand
mit ſich bringt, mit andern jungen Leuten, die mit
ihm von gleichen Umſtaͤnden ſind, einlaſſen, und ſich
mehr um die Gnade und Affection der Hoͤhern be-
werben, damit ſie ihn des Umganges mit ihnen
wuͤrdigen moͤgen.
§. 26. Es iſt auch eine Klugheit, daß man lernt
unartige Gemuͤther um ſich leiden zu koͤnnen, wie
man etwan zuweilen gleichergeſtalt gewohnen muß,
garſtige Geſichter ſtets vor Augen zu ſehen. Hie-
durch wird ein Vernuͤnfftiger geſchickt, die Leute in
beſtaͤndiger Ergebenheit zu erhalten. Es giebt Leu-
te von gar ungezogenem Naturell, die man gar uͤbel
leiden mag, die man aber doch gleichwohl nicht ent-
behren kan, und da iſt es vor eine groſſe Geſchick-
lichkeit zu achten, daß man der Unart ſolcher Leute
gewohne, damit, wenn ſelbige ſich bey Gelegenheit
aͤuſſert, einem nicht zu ſeiner Abſcheu ſo gar ſeltzam
und unertraͤglich vorkomme. S. 115. Maxime
von Gracians Oracul. p. 98.
§. 27. Hat uns der andere die Ehre ſeines Be-
ſuches erzeiget, ſo erfordert unſere Schuldigkeit, daß
wir ihm unſern Gegen-Beſuch abſtatten. Ob
ſchon der andere in etwas geringer, und er hat uns
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/376>, abgerufen am 26.11.2024.
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