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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Vom Briefschreiben u. Correspondenz.
darüber in die Dunckelheit und Unordnung.
Schreibet man mit einem allzukurtzen Stylo an
einen Höhern, so verletzet man hiedurch den ihm
schuldigen Respect, wenn man ihm zumuthen will,
daß er erst lange nachsinnen soll, was wir haben
wollen, es scheinet fast, als ob es uns bedencklich
wäre, ihm mit deutlichen Worten unsere Gedan-
cken zu offenbahren. Andere verfallen in eine all-
zugrosse Weitläufftigkeit, sie mischen ein hauffen
Synonymien und gleichviel bedeutende Wörter
unter ihre Sätze, sie haben keine rechte Verknüpf-
fung bey ihren Redens-Arten, bringen stets wie-
der neue Sätze vor, ehe der Verstand der vorigen
noch nicht geschlossen worden, man findet paren-
theses,
und commata interposita in Menge, u. s. w.
Doch diese Schreib-Art ist noch viel verdrüßlicher
als die erste. Schicket man einer höhern Person
ein in dergleichen Schreib-Art abgefaßtes Schrei-
ben zu, so wird man sich gewißlich nicht hiedurch
in ihrer Gunst fest setzen, sie haben mehr zu thun,
als den verwirrten Verstand aus anderer Leuten
unordentlichen Briefen heraus zu wickeln.

§. 13. Was ich von der kurtzen oder weitläuff-
tigen Schreib-Art gesagt, findet auch bey der Kür-
tze und Weitläufftigkeit der Briefe selbst Platz. Es
schickt sich nicht, wenn man an die Höhern ein so
gar kurtzes Schreiben überschickt, daß sie unsere
Meynung gleichsam errathen müssen, es fehlet einem
auch alsdenn an der Gelegenheit, einige schmeich-
lende Redens-Arten, die doch allenthalben, inson-

der-

Vom Briefſchreiben u. Correſpondenz.
daruͤber in die Dunckelheit und Unordnung.
Schreibet man mit einem allzukurtzen Stylo an
einen Hoͤhern, ſo verletzet man hiedurch den ihm
ſchuldigen Reſpect, wenn man ihm zumuthen will,
daß er erſt lange nachſinnen ſoll, was wir haben
wollen, es ſcheinet faſt, als ob es uns bedencklich
waͤre, ihm mit deutlichen Worten unſere Gedan-
cken zu offenbahren. Andere verfallen in eine all-
zugroſſe Weitlaͤufftigkeit, ſie miſchen ein hauffen
Synonymien und gleichviel bedeutende Woͤrter
unter ihre Saͤtze, ſie haben keine rechte Verknuͤpf-
fung bey ihren Redens-Arten, bringen ſtets wie-
der neue Saͤtze vor, ehe der Verſtand der vorigen
noch nicht geſchloſſen worden, man findet paren-
theſes,
und commata interpoſita in Menge, u. ſ. w.
Doch dieſe Schreib-Art iſt noch viel verdruͤßlicher
als die erſte. Schicket man einer hoͤhern Perſon
ein in dergleichen Schreib-Art abgefaßtes Schrei-
ben zu, ſo wird man ſich gewißlich nicht hiedurch
in ihrer Gunſt feſt ſetzen, ſie haben mehr zu thun,
als den verwirrten Verſtand aus anderer Leuten
unordentlichen Briefen heraus zu wickeln.

§. 13. Was ich von der kurtzen oder weitlaͤuff-
tigen Schreib-Art geſagt, findet auch bey der Kuͤr-
tze und Weitlaͤufftigkeit der Briefe ſelbſt Platz. Es
ſchickt ſich nicht, wenn man an die Hoͤhern ein ſo
gar kurtzes Schreiben uͤberſchickt, daß ſie unſere
Meynung gleichſam errathen muͤſſen, es fehlet einem
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lende Redens-Arten, die doch allenthalben, inſon-

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[329/0349] Vom Briefſchreiben u. Correſpondenz. daruͤber in die Dunckelheit und Unordnung. Schreibet man mit einem allzukurtzen Stylo an einen Hoͤhern, ſo verletzet man hiedurch den ihm ſchuldigen Reſpect, wenn man ihm zumuthen will, daß er erſt lange nachſinnen ſoll, was wir haben wollen, es ſcheinet faſt, als ob es uns bedencklich waͤre, ihm mit deutlichen Worten unſere Gedan- cken zu offenbahren. Andere verfallen in eine all- zugroſſe Weitlaͤufftigkeit, ſie miſchen ein hauffen Synonymien und gleichviel bedeutende Woͤrter unter ihre Saͤtze, ſie haben keine rechte Verknuͤpf- fung bey ihren Redens-Arten, bringen ſtets wie- der neue Saͤtze vor, ehe der Verſtand der vorigen noch nicht geſchloſſen worden, man findet paren- theſes, und commata interpoſita in Menge, u. ſ. w. Doch dieſe Schreib-Art iſt noch viel verdruͤßlicher als die erſte. Schicket man einer hoͤhern Perſon ein in dergleichen Schreib-Art abgefaßtes Schrei- ben zu, ſo wird man ſich gewißlich nicht hiedurch in ihrer Gunſt feſt ſetzen, ſie haben mehr zu thun, als den verwirrten Verſtand aus anderer Leuten unordentlichen Briefen heraus zu wickeln. §. 13. Was ich von der kurtzen oder weitlaͤuff- tigen Schreib-Art geſagt, findet auch bey der Kuͤr- tze und Weitlaͤufftigkeit der Briefe ſelbſt Platz. Es ſchickt ſich nicht, wenn man an die Hoͤhern ein ſo gar kurtzes Schreiben uͤberſchickt, daß ſie unſere Meynung gleichſam errathen muͤſſen, es fehlet einem auch alsdenn an der Gelegenheit, einige ſchmeich- lende Redens-Arten, die doch allenthalben, inſon- der-

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/349>, abgerufen am 22.11.2024.