andere Leute nichts angeht, mit denen sie aber ger- ne groß thun wollen, in den Gesellschafften unge- beten, öffentlich und laut abzulesen, bey gewissen Stellen aber, die sie nicht entdecken wollen, innen halten, und solche heimlich lesen; Solche Leute handelten weit vernünfftiger, wenn sie andern von ihren Briefen gar nichts erwehnten, und solche vor sich läsen, oder doch im Lesen den Schein von sich gäben, als ob sie den andern aus besondern gegen sie hegendem Vertrauen des gantzen Jnhalts wol- ten theilhafftig machen, und nicht die Gesellschafft nach Veranlassung unterschiedener Umstände be- leidigten. S. Traite de Civilite p. 345.
§. 9. Die Regel, die ich in den vorhergehenden Capituln vorgetragen, daß man sich bey dem münd- lichen Vortrage, so wohl in der gemeinen Unterre- dung, als auch bey öffentlichen Reden, alle der aus- ländischen Wörter, die man in der teutschen Spra- che eben so gut, und nach einer eben so kräfftigen Bedeutung ausdrucken kan, enthalten solle, gilt hier ebenfalls. Es ist daher sehr wunderlich, wenn einige nicht zwey Zeilen in ihrer Mutter- Sprache schreiben können, da sie nicht entweder ein Jtaliänisch Wort, wie die Herren Kauf-Leute in ihren Briefen zu thun gewohnt, oder ein Frantzö- sisch und Lateinisch Wort mit einmischten. Noch seltzamer aber ists, wenn einige von unsern Teut- schen, theils von dem männlichen, theils und am meisten aber von dem weiblichen Geschlecht, ihre Briefe gar halb Frantzösisch und halb Teutsch ab-
fassen,
II. Theil. IV. Capitul.
andere Leute nichts angeht, mit denen ſie aber ger- ne groß thun wollen, in den Geſellſchafften unge- beten, oͤffentlich und laut abzuleſen, bey gewiſſen Stellen aber, die ſie nicht entdecken wollen, innen halten, und ſolche heimlich leſen; Solche Leute handelten weit vernuͤnfftiger, wenn ſie andern von ihren Briefen gar nichts erwehnten, und ſolche vor ſich laͤſen, oder doch im Leſen den Schein von ſich gaͤben, als ob ſie den andern aus beſondern gegen ſie hegendem Vertrauen des gantzen Jnhalts wol- ten theilhafftig machen, und nicht die Geſellſchafft nach Veranlaſſung unterſchiedener Umſtaͤnde be- leidigten. S. Traitè de Civilitè p. 345.
§. 9. Die Regel, die ich in den vorhergehenden Capituln vorgetragen, daß man ſich bey dem muͤnd- lichen Vortrage, ſo wohl in der gemeinen Unterre- dung, als auch bey oͤffentlichen Reden, alle der aus- laͤndiſchen Woͤrter, die man in der teutſchen Spra- che eben ſo gut, und nach einer eben ſo kraͤfftigen Bedeutung ausdrucken kan, enthalten ſolle, gilt hier ebenfalls. Es iſt daher ſehr wunderlich, wenn einige nicht zwey Zeilen in ihrer Mutter- Sprache ſchreiben koͤnnen, da ſie nicht entweder ein Jtaliaͤniſch Wort, wie die Herren Kauf-Leute in ihren Briefen zu thun gewohnt, oder ein Frantzoͤ- ſiſch und Lateiniſch Wort mit einmiſchten. Noch ſeltzamer aber iſts, wenn einige von unſern Teut- ſchen, theils von dem maͤnnlichen, theils und am meiſten aber von dem weiblichen Geſchlecht, ihre Briefe gar halb Frantzoͤſiſch und halb Teutſch ab-
faſſen,
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II. Theil. IV. Capitul.
andere Leute nichts angeht, mit denen ſie aber ger-
ne groß thun wollen, in den Geſellſchafften unge-
beten, oͤffentlich und laut abzuleſen, bey gewiſſen
Stellen aber, die ſie nicht entdecken wollen, innen
halten, und ſolche heimlich leſen; Solche Leute
handelten weit vernuͤnfftiger, wenn ſie andern von
ihren Briefen gar nichts erwehnten, und ſolche vor
ſich laͤſen, oder doch im Leſen den Schein von ſich
gaͤben, als ob ſie den andern aus beſondern gegen
ſie hegendem Vertrauen des gantzen Jnhalts wol-
ten theilhafftig machen, und nicht die Geſellſchafft
nach Veranlaſſung unterſchiedener Umſtaͤnde be-
leidigten. S. Traitè de Civilitè p. 345.
§. 9. Die Regel, die ich in den vorhergehenden
Capituln vorgetragen, daß man ſich bey dem muͤnd-
lichen Vortrage, ſo wohl in der gemeinen Unterre-
dung, als auch bey oͤffentlichen Reden, alle der aus-
laͤndiſchen Woͤrter, die man in der teutſchen Spra-
che eben ſo gut, und nach einer eben ſo kraͤfftigen
Bedeutung ausdrucken kan, enthalten ſolle, gilt
hier ebenfalls. Es iſt daher ſehr wunderlich,
wenn einige nicht zwey Zeilen in ihrer Mutter-
Sprache ſchreiben koͤnnen, da ſie nicht entweder
ein Jtaliaͤniſch Wort, wie die Herren Kauf-Leute
in ihren Briefen zu thun gewohnt, oder ein Frantzoͤ-
ſiſch und Lateiniſch Wort mit einmiſchten. Noch
ſeltzamer aber iſts, wenn einige von unſern Teut-
ſchen, theils von dem maͤnnlichen, theils und am
meiſten aber von dem weiblichen Geſchlecht, ihre
Briefe gar halb Frantzoͤſiſch und halb Teutſch ab-
faſſen,
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/346>, abgerufen am 25.11.2024.
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