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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. II. Capitul.
Einfälle vor gezwungen, weil wir gezwungen sind,
solche anzuhören. s. Menantes kluge Behutsam-
keit in Reden p. 2. Ein Weltweiser gedenckt wie
ein gelehrter Mann gedencken soll, bedienet sich aber
gemeiner und bekandter Worte. Die wahren
Meynungen eines Weisen, muß man nicht in den
Reden suchen, deren er sich auf den Gassen und
Strassen bedient, denn diese sind gar nicht der Ort,
da er seine Sprache redet, es ist die Sprache der
gemeinen Thorheit, deren er sich allda bedient, so
wenig er sich auch innerlich dadurch bethören läst.
So sehr er sich hütet, andern zu widersprechen, so
behutsam ist er, etwas zu sagen, darinnen ihm an-
dre widersprechen würden. s. Gracians Oracul mit
D. Müllers Anmerckungen pag. 305. XLIII. Ma-
xime.

§. 30. Jn Loben und Bewundern der Personen
und Sachen, muß man trefflich behutsam seyn.
Einige haben die Art an sich, daß sie alles, was sie
bey den Höhern sehen und observiren, auf das
höchste heraus streichen. Alle ihre Speisen, Ge-
träncke, Zimmer, Kleidungen, Meublen u. s. w. ach-
ten sie vor delitieus, unvergleichlich, excellent, un-
erhört, ausserordentlich, und gantz vollkommen.
Der Wohlstand erfordert zwar, daß man den Leu-
ten, zumahl den höhern, ein wenig schmeichelt;
Man muß aber auch hiebey die Schrancken nicht
überschreiten, und vorher wissen, ob sie das große
Lob auch vertragen können. Es geräth nicht alle-
zeit zu unsrer Renommee, wenn man dem andern

gar

II. Theil. II. Capitul.
Einfaͤlle vor gezwungen, weil wir gezwungen ſind,
ſolche anzuhoͤren. ſ. Menantes kluge Behutſam-
keit in Reden p. 2. Ein Weltweiſer gedenckt wie
ein gelehrter Mann gedencken ſoll, bedienet ſich aber
gemeiner und bekandter Worte. Die wahren
Meynungen eines Weiſen, muß man nicht in den
Reden ſuchen, deren er ſich auf den Gaſſen und
Straſſen bedient, denn dieſe ſind gar nicht der Ort,
da er ſeine Sprache redet, es iſt die Sprache der
gemeinen Thorheit, deren er ſich allda bedient, ſo
wenig er ſich auch innerlich dadurch bethoͤren laͤſt.
So ſehr er ſich huͤtet, andern zu widerſprechen, ſo
behutſam iſt er, etwas zu ſagen, darinnen ihm an-
dre widerſprechen wuͤrden. ſ. Gracians Oracul mit
D. Muͤllers Anmerckungen pag. 305. XLIII. Ma-
xime.

§. 30. Jn Loben und Bewundern der Perſonen
und Sachen, muß man trefflich behutſam ſeyn.
Einige haben die Art an ſich, daß ſie alles, was ſie
bey den Hoͤhern ſehen und obſerviren, auf das
hoͤchſte heraus ſtreichen. Alle ihre Speiſen, Ge-
traͤncke, Zimmer, Kleidungen, Meublen u. ſ. w. ach-
ten ſie vor delitieus, unvergleichlich, excellent, un-
erhoͤrt, auſſerordentlich, und gantz vollkommen.
Der Wohlſtand erfordert zwar, daß man den Leu-
ten, zumahl den hoͤhern, ein wenig ſchmeichelt;
Man muß aber auch hiebey die Schrancken nicht
uͤberſchreiten, und vorher wiſſen, ob ſie das große
Lob auch vertragen koͤnnen. Es geraͤth nicht alle-
zeit zu unſrer Renommeé, wenn man dem andern

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[298/0318] II. Theil. II. Capitul. Einfaͤlle vor gezwungen, weil wir gezwungen ſind, ſolche anzuhoͤren. ſ. Menantes kluge Behutſam- keit in Reden p. 2. Ein Weltweiſer gedenckt wie ein gelehrter Mann gedencken ſoll, bedienet ſich aber gemeiner und bekandter Worte. Die wahren Meynungen eines Weiſen, muß man nicht in den Reden ſuchen, deren er ſich auf den Gaſſen und Straſſen bedient, denn dieſe ſind gar nicht der Ort, da er ſeine Sprache redet, es iſt die Sprache der gemeinen Thorheit, deren er ſich allda bedient, ſo wenig er ſich auch innerlich dadurch bethoͤren laͤſt. So ſehr er ſich huͤtet, andern zu widerſprechen, ſo behutſam iſt er, etwas zu ſagen, darinnen ihm an- dre widerſprechen wuͤrden. ſ. Gracians Oracul mit D. Muͤllers Anmerckungen pag. 305. XLIII. Ma- xime. §. 30. Jn Loben und Bewundern der Perſonen und Sachen, muß man trefflich behutſam ſeyn. Einige haben die Art an ſich, daß ſie alles, was ſie bey den Hoͤhern ſehen und obſerviren, auf das hoͤchſte heraus ſtreichen. Alle ihre Speiſen, Ge- traͤncke, Zimmer, Kleidungen, Meublen u. ſ. w. ach- ten ſie vor delitieus, unvergleichlich, excellent, un- erhoͤrt, auſſerordentlich, und gantz vollkommen. Der Wohlſtand erfordert zwar, daß man den Leu- ten, zumahl den hoͤhern, ein wenig ſchmeichelt; Man muß aber auch hiebey die Schrancken nicht uͤberſchreiten, und vorher wiſſen, ob ſie das große Lob auch vertragen koͤnnen. Es geraͤth nicht alle- zeit zu unſrer Renommeé, wenn man dem andern gar

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/318>, abgerufen am 22.11.2024.