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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von der Conversation.
Grund-Regel folget, sondern es hat auch die Selbst-
Liebe einen Vortheil davon. Ein Mann, welcher
von einer solchen Wissenschafft redet, die ihn all-
bereit beliebt gemacht, kan hiedurch nichts gewin-
nen, und dagegen setzt er sich in Gefahr viel zu ver-
lieren, und die Schwachheit des Grundsteines zu
unterdrücken, auf welchen sein Ruhm gegründet ist.
Wenn er dagegen bey solchen Materien stille
schweigt, in welchen er, wie man glaubt, sich hervor
thun könte, so bedienet er sich einer sittsamen
Marcktschreyerey, damit man sich einbilden soll, er
könne auch von andern Dingen gründlich reden.
s. Faramonds Discours über die Sitten der gegen-
wärtigen Zeit p. 252.

§. 29. Ein vernünfftiger Mensch enthält sich
dasjenige vorzubringen, was über den Horizont
derer ist, mit denen und bey denen er redet; er re-
det mehr von solchen Materien, die sich vor alle schi-
cken, als von gelehrten Sachen, und so es ja die Ge-
legenheit mit sich bringen solte, iemand mit gelehr-
ten Sachen zu unterhalten, so bemühet er sich solche
so zierlich und so leicht vorzubringen, daß der Ver-
stand in Nachsinnen, und die Gedult in Zuhören
nicht verdrießlich werden. Compagnien sind kei-
ne Auditoria, wo einer an statt eines Professoris
die Weißheit allein besitzen und lehren soll, sondern
weil wir mit gantz freyen Gemüth in Gesellschafft
gehen, so werden wir bey dem langen und unange-
nehmen Plaudern eines Philosophen eyfersüchtig,
sothane Freyheit zu verlieren, und halten alle seine

Einfälle
T 5

Von der Converſation.
Grund-Regel folget, ſondern es hat auch die Selbſt-
Liebe einen Vortheil davon. Ein Mann, welcher
von einer ſolchen Wiſſenſchafft redet, die ihn all-
bereit beliebt gemacht, kan hiedurch nichts gewin-
nen, und dagegen ſetzt er ſich in Gefahr viel zu ver-
lieren, und die Schwachheit des Grundſteines zu
unterdruͤcken, auf welchen ſein Ruhm gegruͤndet iſt.
Wenn er dagegen bey ſolchen Materien ſtille
ſchweigt, in welchen er, wie man glaubt, ſich hervor
thun koͤnte, ſo bedienet er ſich einer ſittſamen
Marcktſchreyerey, damit man ſich einbilden ſoll, er
koͤnne auch von andern Dingen gruͤndlich reden.
ſ. Faramonds Diſcours uͤber die Sitten der gegen-
waͤrtigen Zeit p. 252.

§. 29. Ein vernuͤnfftiger Menſch enthaͤlt ſich
dasjenige vorzubringen, was uͤber den Horizont
derer iſt, mit denen und bey denen er redet; er re-
det mehr von ſolchen Materien, die ſich vor alle ſchi-
cken, als von gelehrten Sachen, und ſo es ja die Ge-
legenheit mit ſich bringen ſolte, iemand mit gelehr-
ten Sachen zu unterhalten, ſo bemuͤhet er ſich ſolche
ſo zierlich und ſo leicht vorzubringen, daß der Ver-
ſtand in Nachſinnen, und die Gedult in Zuhoͤren
nicht verdrießlich werden. Compagnien ſind kei-
ne Auditoria, wo einer an ſtatt eines Profeſſoris
die Weißheit allein beſitzen und lehren ſoll, ſondern
weil wir mit gantz freyen Gemuͤth in Geſellſchafft
gehen, ſo werden wir bey dem langen und unange-
nehmen Plaudern eines Philoſophen eyferſuͤchtig,
ſothane Freyheit zu verlieren, und halten alle ſeine

Einfaͤlle
T 5
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[297/0317] Von der Converſation. Grund-Regel folget, ſondern es hat auch die Selbſt- Liebe einen Vortheil davon. Ein Mann, welcher von einer ſolchen Wiſſenſchafft redet, die ihn all- bereit beliebt gemacht, kan hiedurch nichts gewin- nen, und dagegen ſetzt er ſich in Gefahr viel zu ver- lieren, und die Schwachheit des Grundſteines zu unterdruͤcken, auf welchen ſein Ruhm gegruͤndet iſt. Wenn er dagegen bey ſolchen Materien ſtille ſchweigt, in welchen er, wie man glaubt, ſich hervor thun koͤnte, ſo bedienet er ſich einer ſittſamen Marcktſchreyerey, damit man ſich einbilden ſoll, er koͤnne auch von andern Dingen gruͤndlich reden. ſ. Faramonds Diſcours uͤber die Sitten der gegen- waͤrtigen Zeit p. 252. §. 29. Ein vernuͤnfftiger Menſch enthaͤlt ſich dasjenige vorzubringen, was uͤber den Horizont derer iſt, mit denen und bey denen er redet; er re- det mehr von ſolchen Materien, die ſich vor alle ſchi- cken, als von gelehrten Sachen, und ſo es ja die Ge- legenheit mit ſich bringen ſolte, iemand mit gelehr- ten Sachen zu unterhalten, ſo bemuͤhet er ſich ſolche ſo zierlich und ſo leicht vorzubringen, daß der Ver- ſtand in Nachſinnen, und die Gedult in Zuhoͤren nicht verdrießlich werden. Compagnien ſind kei- ne Auditoria, wo einer an ſtatt eines Profeſſoris die Weißheit allein beſitzen und lehren ſoll, ſondern weil wir mit gantz freyen Gemuͤth in Geſellſchafft gehen, ſo werden wir bey dem langen und unange- nehmen Plaudern eines Philoſophen eyferſuͤchtig, ſothane Freyheit zu verlieren, und halten alle ſeine Einfaͤlle T 5

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/317>, abgerufen am 22.11.2024.