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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von der Conversation.
wenn man auf des andern Erzehlung hinzu fügt:
Das ist nichts neues, dieses ist schon längst bekandt.
Menantes sagt, in seiner klugen Behutsamkeit zu re-
den p. 4. sehr wohl: Eine Geschichte, die man mir
erzehlet, und wovon mir alle Umstände bekandt,
wird mir mehr Zufriedenheit schencken, als wenn
ich des andern Erzehlung unterbreche, und zu erken-
nen gebe, wie er mir nichts neues sagen kan, denn
dadurch verursache ich ihm einen Verdruß, und bin
im Gegentheil vergnügt, wenn ich sehe, daß ich mich
bey dem andern in größre Gunst setze, wenn er
glaubt, daß er mir etwas neues sagen kan.

§. 26. Es schmeckt überhaupt sehr nach dem
Pöbel, wenn man dem andern in die Rede fällt,
und darauf versetzt: vergessen sie ihre Rede nicht;
es wird sich ja sehr selten zutragen, daß so viel Ge-
fahr in dem Vorzug seyn solte, daß man nicht mit
seinem Discours solte warten können, biß ihn der
andere gantz geendiget. Gegen halsstarrige Leute,
die so gerne recht haben wollen, muß man sich sehr
behutsam aufführen. Man richtet bey solchen Leu-
ten bißweilen mit Stillschweigen viel mehr aus, als
mit dem stärcksten Widerspruch; durch das Still-
schweigen gewinnen sie eher Zeit, ihrem unvernünff-
tigen Wesen nachzusinnen, und ihr Unrecht zu erken-
nen, da sie hingegen durch den Widerspruch in grös-
sere Hitze und stärckere Affecten gesetzet werden.
Man muß, so viel als möglich, besorgt seyn, daß ei-
nem nicht etwan ein Wort entfahre, welches je-
mand in der Gesellschafft übel aufnehmen könte;

und
T 4

Von der Converſation.
wenn man auf des andern Erzehlung hinzu fuͤgt:
Das iſt nichts neues, dieſes iſt ſchon laͤngſt bekandt.
Menantes ſagt, in ſeiner klugen Behutſamkeit zu re-
den p. 4. ſehr wohl: Eine Geſchichte, die man mir
erzehlet, und wovon mir alle Umſtaͤnde bekandt,
wird mir mehr Zufriedenheit ſchencken, als wenn
ich des andern Erzehlung unterbreche, und zu erken-
nen gebe, wie er mir nichts neues ſagen kan, denn
dadurch verurſache ich ihm einen Verdruß, und bin
im Gegentheil vergnuͤgt, wenn ich ſehe, daß ich mich
bey dem andern in groͤßre Gunſt ſetze, wenn er
glaubt, daß er mir etwas neues ſagen kan.

§. 26. Es ſchmeckt uͤberhaupt ſehr nach dem
Poͤbel, wenn man dem andern in die Rede faͤllt,
und darauf verſetzt: vergeſſen ſie ihre Rede nicht;
es wird ſich ja ſehr ſelten zutragen, daß ſo viel Ge-
fahr in dem Vorzug ſeyn ſolte, daß man nicht mit
ſeinem Diſcours ſolte warten koͤnnen, biß ihn der
andere gantz geendiget. Gegen halsſtarrige Leute,
die ſo gerne recht haben wollen, muß man ſich ſehr
behutſam auffuͤhren. Man richtet bey ſolchen Leu-
ten bißweilen mit Stillſchweigen viel mehr aus, als
mit dem ſtaͤrckſten Widerſpruch; durch das Still-
ſchweigen gewinnen ſie eher Zeit, ihrem unvernuͤnff-
tigen Weſen nachzuſinnen, und ihr Unrecht zu erken-
nen, da ſie hingegen durch den Widerſpruch in groͤſ-
ſere Hitze und ſtaͤrckere Affecten geſetzet werden.
Man muß, ſo viel als moͤglich, beſorgt ſeyn, daß ei-
nem nicht etwan ein Wort entfahre, welches je-
mand in der Geſellſchafft uͤbel aufnehmen koͤnte;

und
T 4
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[295/0315] Von der Converſation. wenn man auf des andern Erzehlung hinzu fuͤgt: Das iſt nichts neues, dieſes iſt ſchon laͤngſt bekandt. Menantes ſagt, in ſeiner klugen Behutſamkeit zu re- den p. 4. ſehr wohl: Eine Geſchichte, die man mir erzehlet, und wovon mir alle Umſtaͤnde bekandt, wird mir mehr Zufriedenheit ſchencken, als wenn ich des andern Erzehlung unterbreche, und zu erken- nen gebe, wie er mir nichts neues ſagen kan, denn dadurch verurſache ich ihm einen Verdruß, und bin im Gegentheil vergnuͤgt, wenn ich ſehe, daß ich mich bey dem andern in groͤßre Gunſt ſetze, wenn er glaubt, daß er mir etwas neues ſagen kan. §. 26. Es ſchmeckt uͤberhaupt ſehr nach dem Poͤbel, wenn man dem andern in die Rede faͤllt, und darauf verſetzt: vergeſſen ſie ihre Rede nicht; es wird ſich ja ſehr ſelten zutragen, daß ſo viel Ge- fahr in dem Vorzug ſeyn ſolte, daß man nicht mit ſeinem Diſcours ſolte warten koͤnnen, biß ihn der andere gantz geendiget. Gegen halsſtarrige Leute, die ſo gerne recht haben wollen, muß man ſich ſehr behutſam auffuͤhren. Man richtet bey ſolchen Leu- ten bißweilen mit Stillſchweigen viel mehr aus, als mit dem ſtaͤrckſten Widerſpruch; durch das Still- ſchweigen gewinnen ſie eher Zeit, ihrem unvernuͤnff- tigen Weſen nachzuſinnen, und ihr Unrecht zu erken- nen, da ſie hingegen durch den Widerſpruch in groͤſ- ſere Hitze und ſtaͤrckere Affecten geſetzet werden. Man muß, ſo viel als moͤglich, beſorgt ſeyn, daß ei- nem nicht etwan ein Wort entfahre, welches je- mand in der Geſellſchafft uͤbel aufnehmen koͤnte; und T 4

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/315>, abgerufen am 25.11.2024.