ein Hemde mit Spitzen, ein gesticktes Kleid und ein Feder-Busch. Nur einige unter diesen schönen Eigenschafften machen die Sache aus, und der Schneider, der Peruquenmacher und die Lein- wand-Krämerin sind es, welche einen solchen über die gemeine Art erhobnen Menschen erschaffen, und zu einen galant homme gemacht. siehe Ernst Lud- wigs von Faramund Mentor p. 334.
§. 6. Einige Frantzosen als Monsieur Vaugelas und Costar sagen: die Galanterie sey etwas ge- mischtes, so aus dem je ne scay quoy, aus der gu- ten Art etwas zu thun, aus der Manier zu leben, so am Hofe gebräuchlich ist, aus Verstand, Gelehr- samkeit, gutem Judicio, Höflichkeit und Freudig- keit zusammen gesetzt werde, dem aller Zwang, af- fectation und unanständige Plumpheit zuwider sey. Andere sagen: die wahre Politesse oder Ga- lanterie beruhe darinnen, daß man wohl und an- ständig zu leben, auch geschickt und zu rechter Zeit zu reden wisse, daß man seine Lebens-Art nach dem guten Gebrauch der vernünfftigen Welt richte, niemand einige Grobheit und Unhöflichkeit erweise, den Leuten niemahls dasjenige unter Augen sage, was man sich selbst nicht wolle gesagt haben; daß man in Gesellschafften das grosse Maul nicht allein habe, und andre kein Wort aufbringen lasse, bey Frauenzimmer nicht zwar ohne Rede sitzen, als wenn man die Sprache verlohren hätte, oder das Frau- enzimmer nicht einigen Wortes würdig achte, hin- gegen auch nicht allzu kühn sey, und sich mit selbi-
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Von der Ceremoniel-Wiſſenſch. uͤberh.
ein Hemde mit Spitzen, ein geſticktes Kleid und ein Feder-Buſch. Nur einige unter dieſen ſchoͤnen Eigenſchafften machen die Sache aus, und der Schneider, der Peruquenmacher und die Lein- wand-Kraͤmerin ſind es, welche einen ſolchen uͤber die gemeine Art erhobnen Menſchen erſchaffen, und zu einen galant homme gemacht. ſiehe Ernſt Lud- wigs von Faramund Mentor p. 334.
§. 6. Einige Frantzoſen als Monſieur Vaugelas und Coſtar ſagen: die Galanterie ſey etwas ge- miſchtes, ſo aus dem je ne ſcay quoy, aus der gu- ten Art etwas zu thun, aus der Manier zu leben, ſo am Hofe gebraͤuchlich iſt, aus Verſtand, Gelehr- ſamkeit, gutem Judicio, Hoͤflichkeit und Freudig- keit zuſammen geſetzt werde, dem aller Zwang, af- fectation und unanſtaͤndige Plumpheit zuwider ſey. Andere ſagen: die wahre Politeſſe oder Ga- lanterie beruhe darinnen, daß man wohl und an- ſtaͤndig zu leben, auch geſchickt und zu rechter Zeit zu reden wiſſe, daß man ſeine Lebens-Art nach dem guten Gebrauch der vernuͤnfftigen Welt richte, niemand einige Grobheit und Unhoͤflichkeit erweiſe, den Leuten niemahls dasjenige unter Augen ſage, was man ſich ſelbſt nicht wolle geſagt haben; daß man in Geſellſchafften das groſſe Maul nicht allein habe, und andre kein Wort aufbringen laſſe, bey Frauenzimmer nicht zwar ohne Rede ſitzen, als wenn man die Sprache verlohren haͤtte, oder das Frau- enzimmer nicht einigen Wortes wuͤrdig achte, hin- gegen auch nicht allzu kuͤhn ſey, und ſich mit ſelbi-
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Von der Ceremoniel-Wiſſenſch. uͤberh.
ein Hemde mit Spitzen, ein geſticktes Kleid und ein
Feder-Buſch. Nur einige unter dieſen ſchoͤnen
Eigenſchafften machen die Sache aus, und der
Schneider, der Peruquenmacher und die Lein-
wand-Kraͤmerin ſind es, welche einen ſolchen uͤber
die gemeine Art erhobnen Menſchen erſchaffen, und
zu einen galant homme gemacht. ſiehe Ernſt Lud-
wigs von Faramund Mentor p. 334.
§. 6. Einige Frantzoſen als Monſieur Vaugelas
und Coſtar ſagen: die Galanterie ſey etwas ge-
miſchtes, ſo aus dem je ne ſcay quoy, aus der gu-
ten Art etwas zu thun, aus der Manier zu leben, ſo
am Hofe gebraͤuchlich iſt, aus Verſtand, Gelehr-
ſamkeit, gutem Judicio, Hoͤflichkeit und Freudig-
keit zuſammen geſetzt werde, dem aller Zwang, af-
fectation und unanſtaͤndige Plumpheit zuwider
ſey. Andere ſagen: die wahre Politeſſe oder Ga-
lanterie beruhe darinnen, daß man wohl und an-
ſtaͤndig zu leben, auch geſchickt und zu rechter Zeit
zu reden wiſſe, daß man ſeine Lebens-Art nach dem
guten Gebrauch der vernuͤnfftigen Welt richte,
niemand einige Grobheit und Unhoͤflichkeit erweiſe,
den Leuten niemahls dasjenige unter Augen ſage,
was man ſich ſelbſt nicht wolle geſagt haben; daß
man in Geſellſchafften das groſſe Maul nicht allein
habe, und andre kein Wort aufbringen laſſe, bey
Frauenzimmer nicht zwar ohne Rede ſitzen, als wenn
man die Sprache verlohren haͤtte, oder das Frau-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/25>, abgerufen am 21.11.2024.
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