Zweck, den sie sich eingebildet. Jhre grosse Ver- wunderung, die sie bey dergleichen Gelegenheiten an Tag legen, wird vor ein Kennzeichen ihrer Ein- falt und Unwissenheit gehalten, und man glaubt von ihnen, daß sie noch nicht gar viel müsten in der Welt gesehen haben. Weiß man aber sonst von ihnen, daß sie in der Welt gewesen, so hält man sie vor Schmeichler und falsche Leute.
§. 16. Jst es an einem Ort, da man nöthig hat, seine Stärcke und Schwäche kennen zu lernen, und jene zu erweisen, diese aber zu verbergen, so ist es an den Höfen, da man allenthalben mit den schärffsten Aufmerckern umringet ist. Es ist nicht möglich, daß man von alle dem, was die heutige Welt von von einem Hof-Mann und galant homme erfor- dert, eine gleiche Erkäntniß haben kan, indem es ei- nem entweder an der Gelegenheit gefehlet, sich auf dieses oder jenes zu appliciren, oder an der Lust und natürlichen Geschicklichkeit. Wenn einem nun die Herrschafft, oder ein Minister, oder vornehme Da- me, zu einem und andern invitiren solte, worinnen wir doch keine Geschicklichkeit erweisen würden, so ist es ja weit besser, wenn man sich auf eine höfliche Art entschuldiget, seine Unwissenheit und Ungeschick- lichkeit bekennt, als daß man aus einer allzu grossen Begierde, sich gefällig zu machen, etwas unter- nimmt, so man nicht versteht, und wobey man sich zum Gelächter macht. Es ist ein grosser Fehler, daß einige junge Leute dencken, sie müsten der Herr- schafft, oder einigen Hofleuten zu Gefallen, alles
mit-
O 2
Von dem Aufenthalt an Hoͤfen.
Zweck, den ſie ſich eingebildet. Jhre groſſe Ver- wunderung, die ſie bey dergleichen Gelegenheiten an Tag legen, wird vor ein Kennzeichen ihrer Ein- falt und Unwiſſenheit gehalten, und man glaubt von ihnen, daß ſie noch nicht gar viel muͤſten in der Welt geſehen haben. Weiß man aber ſonſt von ihnen, daß ſie in der Welt geweſen, ſo haͤlt man ſie vor Schmeichler und falſche Leute.
§. 16. Jſt es an einem Ort, da man noͤthig hat, ſeine Staͤrcke und Schwaͤche kennen zu lernen, und jene zu erweiſen, dieſe aber zu verbergen, ſo iſt es an den Hoͤfen, da man allenthalben mit den ſchaͤrffſten Aufmerckern umringet iſt. Es iſt nicht moͤglich, daß man von alle dem, was die heutige Welt von von einem Hof-Mann und galant homme erfor- dert, eine gleiche Erkaͤntniß haben kan, indem es ei- nem entweder an der Gelegenheit gefehlet, ſich auf dieſes oder jenes zu appliciren, oder an der Luſt und natuͤrlichen Geſchicklichkeit. Wenn einem nun die Herrſchafft, oder ein Miniſter, oder vornehme Da- me, zu einem und andern invitiren ſolte, worinnen wir doch keine Geſchicklichkeit erweiſen wuͤrden, ſo iſt es ja weit beſſer, wenn man ſich auf eine hoͤfliche Art entſchuldiget, ſeine Unwiſſenheit und Ungeſchick- lichkeit bekennt, als daß man aus einer allzu groſſen Begierde, ſich gefaͤllig zu machen, etwas unter- nimmt, ſo man nicht verſteht, und wobey man ſich zum Gelaͤchter macht. Es iſt ein groſſer Fehler, daß einige junge Leute dencken, ſie muͤſten der Herr- ſchafft, oder einigen Hofleuten zu Gefallen, alles
mit-
O 2
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0231"n="211"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von dem Aufenthalt an Hoͤfen.</hi></fw><lb/>
Zweck, den ſie ſich eingebildet. Jhre groſſe Ver-<lb/>
wunderung, die ſie bey dergleichen Gelegenheiten<lb/>
an Tag legen, wird vor ein Kennzeichen ihrer Ein-<lb/>
falt und Unwiſſenheit gehalten, und man glaubt von<lb/>
ihnen, daß ſie noch nicht gar viel muͤſten in der Welt<lb/>
geſehen haben. Weiß man aber ſonſt von ihnen,<lb/>
daß ſie in der Welt geweſen, ſo haͤlt man ſie vor<lb/>
Schmeichler und falſche Leute.</p><lb/><p>§. 16. Jſt es an einem Ort, da man noͤthig hat,<lb/>ſeine Staͤrcke und Schwaͤche kennen zu lernen, und<lb/>
jene zu erweiſen, dieſe aber zu verbergen, ſo iſt es an<lb/>
den Hoͤfen, da man allenthalben mit den ſchaͤrffſten<lb/>
Aufmerckern umringet iſt. Es iſt nicht moͤglich,<lb/>
daß man von alle dem, was die heutige Welt von<lb/>
von einem Hof-Mann und <hirendition="#aq">galant homme</hi> erfor-<lb/>
dert, eine gleiche Erkaͤntniß haben kan, indem es ei-<lb/>
nem entweder an der Gelegenheit gefehlet, ſich auf<lb/>
dieſes oder jenes zu <hirendition="#aq">applici</hi>ren, oder an der Luſt und<lb/>
natuͤrlichen Geſchicklichkeit. Wenn einem nun die<lb/>
Herrſchafft, oder ein <hirendition="#aq">Miniſter,</hi> oder vornehme <hirendition="#aq">Da-<lb/>
me,</hi> zu einem und andern <hirendition="#aq">inviti</hi>ren ſolte, worinnen<lb/>
wir doch keine Geſchicklichkeit erweiſen wuͤrden, ſo<lb/>
iſt es ja weit beſſer, wenn man ſich auf eine hoͤfliche<lb/>
Art entſchuldiget, ſeine Unwiſſenheit und Ungeſchick-<lb/>
lichkeit bekennt, als daß man aus einer allzu groſſen<lb/>
Begierde, ſich gefaͤllig zu machen, etwas unter-<lb/>
nimmt, ſo man nicht verſteht, und wobey man ſich<lb/>
zum Gelaͤchter macht. Es iſt ein groſſer Fehler,<lb/>
daß einige junge Leute dencken, ſie muͤſten der Herr-<lb/>ſchafft, oder einigen Hofleuten zu Gefallen, alles<lb/><fwplace="bottom"type="sig">O 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">mit-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[211/0231]
Von dem Aufenthalt an Hoͤfen.
Zweck, den ſie ſich eingebildet. Jhre groſſe Ver-
wunderung, die ſie bey dergleichen Gelegenheiten
an Tag legen, wird vor ein Kennzeichen ihrer Ein-
falt und Unwiſſenheit gehalten, und man glaubt von
ihnen, daß ſie noch nicht gar viel muͤſten in der Welt
geſehen haben. Weiß man aber ſonſt von ihnen,
daß ſie in der Welt geweſen, ſo haͤlt man ſie vor
Schmeichler und falſche Leute.
§. 16. Jſt es an einem Ort, da man noͤthig hat,
ſeine Staͤrcke und Schwaͤche kennen zu lernen, und
jene zu erweiſen, dieſe aber zu verbergen, ſo iſt es an
den Hoͤfen, da man allenthalben mit den ſchaͤrffſten
Aufmerckern umringet iſt. Es iſt nicht moͤglich,
daß man von alle dem, was die heutige Welt von
von einem Hof-Mann und galant homme erfor-
dert, eine gleiche Erkaͤntniß haben kan, indem es ei-
nem entweder an der Gelegenheit gefehlet, ſich auf
dieſes oder jenes zu appliciren, oder an der Luſt und
natuͤrlichen Geſchicklichkeit. Wenn einem nun die
Herrſchafft, oder ein Miniſter, oder vornehme Da-
me, zu einem und andern invitiren ſolte, worinnen
wir doch keine Geſchicklichkeit erweiſen wuͤrden, ſo
iſt es ja weit beſſer, wenn man ſich auf eine hoͤfliche
Art entſchuldiget, ſeine Unwiſſenheit und Ungeſchick-
lichkeit bekennt, als daß man aus einer allzu groſſen
Begierde, ſich gefaͤllig zu machen, etwas unter-
nimmt, ſo man nicht verſteht, und wobey man ſich
zum Gelaͤchter macht. Es iſt ein groſſer Fehler,
daß einige junge Leute dencken, ſie muͤſten der Herr-
ſchafft, oder einigen Hofleuten zu Gefallen, alles
mit-
O 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/231>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.