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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von dem Titul-Wesen und Praedicaten.
Zeit, da sie ihn verlangen, nicht erhalten, sondern
dißfalls abschlägige Antwort bekommen. Sie
mögen inzwischen nur immer fortfahren, sich ver-
dienter und qualificirter zu machen, so können sie an
einen andern Orte oder zu einer andern Zeit mit gu-
tem Grunde eines Praedicats erwartend seyn, und
vielleicht mit mehr Realite als jetzund. Ein ver-
weigertes kleines Glück an diesem Ort, hat schon
manchmahl zu einem größern an einem andern den
Weg gebahnet. Es wäre mancher unter Gelehr-
ten und Hof-Leuten kein so vornehmer und angese-
hener Mann in der Welt geworden, wann ihm
nicht in den vorigen Zeiten ein schlechter Titul oder
geringes Ehren-Aemtgen wäre abgeschlagen wor-
den. Gesetzt, daß sie auch gar keines Tituls solten
habhafft werden, welches man sich zwar bey denen,
die Geschicklichkeit und gute Aufführung haben, und
ihre Zeit erwarten können, fast nicht vorstellen kan,
so können sie doch eben so wohl als die im vorher-
gehenden §. auch ohne Praedicat als geehrte Leute
leben. Es haben sich viele durch ihren blossen
Nahmen höher geschwungen, als andere durch die
grösten Ehren-Chargen, und denselben zu einen
ansehnlichen Titul gemacht. Besitzen sie Ver-
dienste, so haben sie auch mit guten Grund Ehren-
Stellen zu hoffen. Fehlet es ihnen aber an Ver-
diensten, so gereicht ihnen auch alle äußerliche Ti-
tulatur
mehr zur Beschimpffung, als zur wahren
Beehrung,

§. 32. Da der Adel heutiges Tages so überhäufft

ist,
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Von dem Titul-Weſen und Prædicaten.
Zeit, da ſie ihn verlangen, nicht erhalten, ſondern
dißfalls abſchlaͤgige Antwort bekommen. Sie
moͤgen inzwiſchen nur immer fortfahren, ſich ver-
dienter und qualificirter zu machen, ſo koͤnnen ſie an
einen andern Orte oder zu einer andern Zeit mit gu-
tem Grunde eines Prædicats erwartend ſeyn, und
vielleicht mit mehr Realité als jetzund. Ein ver-
weigertes kleines Gluͤck an dieſem Ort, hat ſchon
manchmahl zu einem groͤßern an einem andern den
Weg gebahnet. Es waͤre mancher unter Gelehr-
ten und Hof-Leuten kein ſo vornehmer und angeſe-
hener Mann in der Welt geworden, wann ihm
nicht in den vorigen Zeiten ein ſchlechter Titul oder
geringes Ehren-Aemtgen waͤre abgeſchlagen wor-
den. Geſetzt, daß ſie auch gar keines Tituls ſolten
habhafft werden, welches man ſich zwar bey denen,
die Geſchicklichkeit und gute Auffuͤhrung haben, und
ihre Zeit erwarten koͤnnen, faſt nicht vorſtellen kan,
ſo koͤnnen ſie doch eben ſo wohl als die im vorher-
gehenden §. auch ohne Prædicat als geehrte Leute
leben. Es haben ſich viele durch ihren bloſſen
Nahmen hoͤher geſchwungen, als andere durch die
groͤſten Ehren-Chargen, und denſelben zu einen
anſehnlichen Titul gemacht. Beſitzen ſie Ver-
dienſte, ſo haben ſie auch mit guten Grund Ehren-
Stellen zu hoffen. Fehlet es ihnen aber an Ver-
dienſten, ſo gereicht ihnen auch alle aͤußerliche Ti-
tulatur
mehr zur Beſchimpffung, als zur wahren
Beehrung,

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[89/0109] Von dem Titul-Weſen und Prædicaten. Zeit, da ſie ihn verlangen, nicht erhalten, ſondern dißfalls abſchlaͤgige Antwort bekommen. Sie moͤgen inzwiſchen nur immer fortfahren, ſich ver- dienter und qualificirter zu machen, ſo koͤnnen ſie an einen andern Orte oder zu einer andern Zeit mit gu- tem Grunde eines Prædicats erwartend ſeyn, und vielleicht mit mehr Realité als jetzund. Ein ver- weigertes kleines Gluͤck an dieſem Ort, hat ſchon manchmahl zu einem groͤßern an einem andern den Weg gebahnet. Es waͤre mancher unter Gelehr- ten und Hof-Leuten kein ſo vornehmer und angeſe- hener Mann in der Welt geworden, wann ihm nicht in den vorigen Zeiten ein ſchlechter Titul oder geringes Ehren-Aemtgen waͤre abgeſchlagen wor- den. Geſetzt, daß ſie auch gar keines Tituls ſolten habhafft werden, welches man ſich zwar bey denen, die Geſchicklichkeit und gute Auffuͤhrung haben, und ihre Zeit erwarten koͤnnen, faſt nicht vorſtellen kan, ſo koͤnnen ſie doch eben ſo wohl als die im vorher- gehenden §. auch ohne Prædicat als geehrte Leute leben. Es haben ſich viele durch ihren bloſſen Nahmen hoͤher geſchwungen, als andere durch die groͤſten Ehren-Chargen, und denſelben zu einen anſehnlichen Titul gemacht. Beſitzen ſie Ver- dienſte, ſo haben ſie auch mit guten Grund Ehren- Stellen zu hoffen. Fehlet es ihnen aber an Ver- dienſten, ſo gereicht ihnen auch alle aͤußerliche Ti- tulatur mehr zur Beſchimpffung, als zur wahren Beehrung, §. 32. Da der Adel heutiges Tages ſo uͤberhaͤufft iſt, F 5

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/109>, abgerufen am 24.11.2024.