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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. III. Capitul.
Ehren und und Ansehen stehen, als andere betitulte.
GOtt hat ihnen so viel Verstand und Erfahrung
mitgetheilet, daß sie sich durch ihre Wissenschafften,
oder doch sonst durch ihre Klugheit, vernünfftige
Aufführung, oeconomische Erkäntuiß, u. s. w. be-
sonders verdient gemacht, sie werden bey ihrem
Nachbaren fast vor Oracula angesehen, von denen
sie sich in verwirrten Angelegenheiten guten Bey-
rath ausbitten, auch nicht selten von vielen characte-
risi
rten Leuten zu Rath gezogen, sie haben sich bey
vielen necessair gemacht, die ihnen denn hernach
gute Worte geben müßen, sie haben gelernt sich
mehr in sich, als unter dem grösten Schwarm un-
artiger Leute zu vergnügen, sie befleißigen sich vor-
nemlich der wahren Ehre, und erlangen auch da-
durch von andern viel äußerliche Ehren-Bezeugun-
gen; sie haben entweder dabey ihr reichliches Aus-
kommen, daß sie bey ihren äußerlichen viele von ih-
res gleichen übertreffen, und also auch bey dem
Pöbel ein größer Ansehen gewinnen, oder GOtt
beschehret ihnen durch ihre Arbeit und Fleiß noth-
dürfftiges Auskommen, daß sie vor schmähliger
Armuth gesichert sind, und bey ihrer guten Einthei-
lung ordentlich und ruhig leben.

§. 31. Da nun einige meritirte und rechtschaf-
fene Leute keine Praedicate und Titul verlangen, und
dieselben auch wohl gar ausschlagen, so können die-
jenigen um desto eher gelassen seyn, die ihrer Be-
mühung, die sie daran wenden, ungeachtet denjeni-
gen Character, um den sie Ansuchung thun, zu der

Zeit,

I. Theil. III. Capitul.
Ehren und und Anſehen ſtehen, als andere betitulte.
GOtt hat ihnen ſo viel Verſtand und Erfahrung
mitgetheilet, daß ſie ſich durch ihre Wiſſenſchafften,
oder doch ſonſt durch ihre Klugheit, vernuͤnfftige
Auffuͤhrung, œconomiſche Erkaͤntuiß, u. ſ. w. be-
ſonders verdient gemacht, ſie werden bey ihrem
Nachbaren faſt vor Oracula angeſehen, von denen
ſie ſich in verwirrten Angelegenheiten guten Bey-
rath ausbitten, auch nicht ſelten von vielen characte-
riſi
rten Leuten zu Rath gezogen, ſie haben ſich bey
vielen neceſſair gemacht, die ihnen denn hernach
gute Worte geben muͤßen, ſie haben gelernt ſich
mehr in ſich, als unter dem groͤſten Schwarm un-
artiger Leute zu vergnuͤgen, ſie befleißigen ſich vor-
nemlich der wahren Ehre, und erlangen auch da-
durch von andern viel aͤußerliche Ehren-Bezeugun-
gen; ſie haben entweder dabey ihr reichliches Aus-
kommen, daß ſie bey ihren aͤußerlichen viele von ih-
res gleichen uͤbertreffen, und alſo auch bey dem
Poͤbel ein groͤßer Anſehen gewinnen, oder GOtt
beſchehret ihnen durch ihre Arbeit und Fleiß noth-
duͤrfftiges Auskommen, daß ſie vor ſchmaͤhliger
Armuth geſichert ſind, und bey ihrer guten Einthei-
lung ordentlich und ruhig leben.

§. 31. Da nun einige meritirte und rechtſchaf-
fene Leute keine Prædicate und Titul verlangen, und
dieſelben auch wohl gar ausſchlagen, ſo koͤnnen die-
jenigen um deſto eher gelaſſen ſeyn, die ihrer Be-
muͤhung, die ſie daran wenden, ungeachtet denjeni-
gen Character, um den ſie Anſuchung thun, zu der

Zeit,
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[88/0108] I. Theil. III. Capitul. Ehren und und Anſehen ſtehen, als andere betitulte. GOtt hat ihnen ſo viel Verſtand und Erfahrung mitgetheilet, daß ſie ſich durch ihre Wiſſenſchafften, oder doch ſonſt durch ihre Klugheit, vernuͤnfftige Auffuͤhrung, œconomiſche Erkaͤntuiß, u. ſ. w. be- ſonders verdient gemacht, ſie werden bey ihrem Nachbaren faſt vor Oracula angeſehen, von denen ſie ſich in verwirrten Angelegenheiten guten Bey- rath ausbitten, auch nicht ſelten von vielen characte- riſirten Leuten zu Rath gezogen, ſie haben ſich bey vielen neceſſair gemacht, die ihnen denn hernach gute Worte geben muͤßen, ſie haben gelernt ſich mehr in ſich, als unter dem groͤſten Schwarm un- artiger Leute zu vergnuͤgen, ſie befleißigen ſich vor- nemlich der wahren Ehre, und erlangen auch da- durch von andern viel aͤußerliche Ehren-Bezeugun- gen; ſie haben entweder dabey ihr reichliches Aus- kommen, daß ſie bey ihren aͤußerlichen viele von ih- res gleichen uͤbertreffen, und alſo auch bey dem Poͤbel ein groͤßer Anſehen gewinnen, oder GOtt beſchehret ihnen durch ihre Arbeit und Fleiß noth- duͤrfftiges Auskommen, daß ſie vor ſchmaͤhliger Armuth geſichert ſind, und bey ihrer guten Einthei- lung ordentlich und ruhig leben. §. 31. Da nun einige meritirte und rechtſchaf- fene Leute keine Prædicate und Titul verlangen, und dieſelben auch wohl gar ausſchlagen, ſo koͤnnen die- jenigen um deſto eher gelaſſen ſeyn, die ihrer Be- muͤhung, die ſie daran wenden, ungeachtet denjeni- gen Character, um den ſie Anſuchung thun, zu der Zeit,

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/108>, abgerufen am 28.11.2024.