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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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Aber wenn, nach einer Erzählung der Ilias, einst Apollo durch
Schlaf und Tod, die Zwillingsbrüder, den Leichnam des von
Achill erschlagenen Sarpedon, Sohnes des Zeus, nach seiner
lykischen Heimath tragen liess, nur damit er in der Heimath
bestattet werde, so überbietet der Dichter der Aethiopis jene
eindrucksvolle Erzählung der Ilias, die ihm offenbar das Vor-
bild zu seiner Schilderung wurde 1), indem er Eos den Todten,
mit Zeus' Bewilligung, nicht nur nach der Heimath fern im
Osten entrücken, sondern dort zu ewigem Leben neu er-
wecken liess.

Bald nach Memnons Tode ereilt auch den Achill das Ge-
schick. Als aber sein, nach hartem Kampfe von den Freunden ge-
sicherter Leichnam auf dem Todtenbette ausgestellt ist, kommt
Thetis, die Mutter des Helden, mit den Musen und den anderen
Meergöttinnen, und stimmt die Leichenklage an. So berichtet
schon die Odyssee im letzten Buche (Od. 24, 47 ff.). Aber
während dort weiter erzählt wird, wie die Leiche verbrannt,
die Gebeine gesammelt und im Hügel beigesetzt worden seien,
die Psyche des Achill aber in das Haus des Hades eingegangen
ist -- ihr selbst wird in der Unterwelt das alles von Aga-
memnons Psyche mitgetheilt -- wagte der Dichter der Aethiopis,

1) Dass die Erzählung in Iliad. II von Sarpedons Tod und Ent-
raffung seines Leichnams, auch wenn sie (was mir keineswegs ausgemacht
scheint) nicht zu den Theilen der alten Ilias gehören sollte, doch älter
als die Aethiopis und Vorbild für deren Erzählung von Memnons Ende
ist, kann (trotz Meier, Annali dell' inst. archeol. 1883 p. 217 ff.) nicht be-
zweifelt werden (vgl. auch Christ, Zur Chronol. d. altgr. Epos p. 25). --
Warum übrigens den Leichnam des Sarpedon Hypnos und Thanatos
entführen (statt, wie in ähnlichen Fällen, die thuella, aella, Arpuia, und
auch den Memnon die Winde, nach Quint. Sm. 2, 550 ff.)? Wenn auf
attischen Lekythen diese zwei den Leichnam tragen (s. Robert, Thana-
tos
19), so soll vielleicht etwas Aehnliches tröstlich angedeutet werden,
wie in Grabepigrammen: upnos ekhei se, makar -- -- kai nekus ouk egenou. Der
homerische Dichter denkt schwerlich an etwas dergleichen, sondern im-
provisirt zum Thanatos den unentbehrlichen zweiten Träger hinzu, mit
sinnreicher, aber auf keinem religiösen Grunde ruhender Erfindung. Hyp-
nos als Bruder des Thanatos findet man auch in der Dios apate,
Il. 14, 231.

Aber wenn, nach einer Erzählung der Ilias, einst Apollo durch
Schlaf und Tod, die Zwillingsbrüder, den Leichnam des von
Achill erschlagenen Sarpedon, Sohnes des Zeus, nach seiner
lykischen Heimath tragen liess, nur damit er in der Heimath
bestattet werde, so überbietet der Dichter der Aethiopis jene
eindrucksvolle Erzählung der Ilias, die ihm offenbar das Vor-
bild zu seiner Schilderung wurde 1), indem er Eos den Todten,
mit Zeus’ Bewilligung, nicht nur nach der Heimath fern im
Osten entrücken, sondern dort zu ewigem Leben neu er-
wecken liess.

Bald nach Memnons Tode ereilt auch den Achill das Ge-
schick. Als aber sein, nach hartem Kampfe von den Freunden ge-
sicherter Leichnam auf dem Todtenbette ausgestellt ist, kommt
Thetis, die Mutter des Helden, mit den Musen und den anderen
Meergöttinnen, und stimmt die Leichenklage an. So berichtet
schon die Odyssee im letzten Buche (Od. 24, 47 ff.). Aber
während dort weiter erzählt wird, wie die Leiche verbrannt,
die Gebeine gesammelt und im Hügel beigesetzt worden seien,
die Psyche des Achill aber in das Haus des Hades eingegangen
ist — ihr selbst wird in der Unterwelt das alles von Aga-
memnons Psyche mitgetheilt — wagte der Dichter der Aethiopis,

1) Dass die Erzählung in Iliad. II von Sarpedons Tod und Ent-
raffung seines Leichnams, auch wenn sie (was mir keineswegs ausgemacht
scheint) nicht zu den Theilen der alten Ilias gehören sollte, doch älter
als die Aethiopis und Vorbild für deren Erzählung von Memnons Ende
ist, kann (trotz Meier, Annali dell’ inst. archeol. 1883 p. 217 ff.) nicht be-
zweifelt werden (vgl. auch Christ, Zur Chronol. d. altgr. Epos p. 25). —
Warum übrigens den Leichnam des Sarpedon Hypnos und Thanatos
entführen (statt, wie in ähnlichen Fällen, die ϑύελλα, ἄελλα, Ἅρπυια, und
auch den Memnon die Winde, nach Quint. Sm. 2, 550 ff.)? Wenn auf
attischen Lekythen diese zwei den Leichnam tragen (s. Robert, Thana-
tos
19), so soll vielleicht etwas Aehnliches tröstlich angedeutet werden,
wie in Grabepigrammen: ὕπνος ἔχει σε, μάκαρ — — καὶ νέκυς οὐκ ἐγένου. Der
homerische Dichter denkt schwerlich an etwas dergleichen, sondern im-
provisirt zum Thanatos den unentbehrlichen zweiten Träger hinzu, mit
sinnreicher, aber auf keinem religiösen Grunde ruhender Erfindung. Hyp-
nos als Bruder des Thanatos findet man auch in der Διὸς ἀπάτη,
Il. 14, 231.
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[80/0096] Aber wenn, nach einer Erzählung der Ilias, einst Apollo durch Schlaf und Tod, die Zwillingsbrüder, den Leichnam des von Achill erschlagenen Sarpedon, Sohnes des Zeus, nach seiner lykischen Heimath tragen liess, nur damit er in der Heimath bestattet werde, so überbietet der Dichter der Aethiopis jene eindrucksvolle Erzählung der Ilias, die ihm offenbar das Vor- bild zu seiner Schilderung wurde 1), indem er Eos den Todten, mit Zeus’ Bewilligung, nicht nur nach der Heimath fern im Osten entrücken, sondern dort zu ewigem Leben neu er- wecken liess. Bald nach Memnons Tode ereilt auch den Achill das Ge- schick. Als aber sein, nach hartem Kampfe von den Freunden ge- sicherter Leichnam auf dem Todtenbette ausgestellt ist, kommt Thetis, die Mutter des Helden, mit den Musen und den anderen Meergöttinnen, und stimmt die Leichenklage an. So berichtet schon die Odyssee im letzten Buche (Od. 24, 47 ff.). Aber während dort weiter erzählt wird, wie die Leiche verbrannt, die Gebeine gesammelt und im Hügel beigesetzt worden seien, die Psyche des Achill aber in das Haus des Hades eingegangen ist — ihr selbst wird in der Unterwelt das alles von Aga- memnons Psyche mitgetheilt — wagte der Dichter der Aethiopis, 1) Dass die Erzählung in Iliad. II von Sarpedons Tod und Ent- raffung seines Leichnams, auch wenn sie (was mir keineswegs ausgemacht scheint) nicht zu den Theilen der alten Ilias gehören sollte, doch älter als die Aethiopis und Vorbild für deren Erzählung von Memnons Ende ist, kann (trotz Meier, Annali dell’ inst. archeol. 1883 p. 217 ff.) nicht be- zweifelt werden (vgl. auch Christ, Zur Chronol. d. altgr. Epos p. 25). — Warum übrigens den Leichnam des Sarpedon Hypnos und Thanatos entführen (statt, wie in ähnlichen Fällen, die ϑύελλα, ἄελλα, Ἅρπυια, und auch den Memnon die Winde, nach Quint. Sm. 2, 550 ff.)? Wenn auf attischen Lekythen diese zwei den Leichnam tragen (s. Robert, Thana- tos 19), so soll vielleicht etwas Aehnliches tröstlich angedeutet werden, wie in Grabepigrammen: ὕπνος ἔχει σε, μάκαρ — — καὶ νέκυς οὐκ ἐγένου. Der homerische Dichter denkt schwerlich an etwas dergleichen, sondern im- provisirt zum Thanatos den unentbehrlichen zweiten Träger hinzu, mit sinnreicher, aber auf keinem religiösen Grunde ruhender Erfindung. Hyp- nos als Bruder des Thanatos findet man auch in der Διὸς ἀπάτη, Il. 14, 231.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/96>, abgerufen am 23.11.2024.