Leben verheissen, wie in einem anderen Götterreiche. Er soll zum Gotte werden: denn wie den homerischen Dichtern "Gott" und "Unsterblicher" Wechselbegriffe sind, so wird ihnen auch der Mensch, wenn ihm Unsterblichkeit verliehen ist (d. h. wenn seine Psyche von seinem sichtbaren Ich sich niemals trennt), zum Gotte.
Es ist homerischer Glaube, dass Götter auch Sterbliche in ihr Reich, zur Unsterblichkeit erheben können. Kalypso will den Odysseus, damit er ewig bei ihr bleibe, "unsterblich und unalternd für alle Zeit" machen (Od. 5, 135 f., 209 f.; 23, 335 f.), d. h. zu einem Gotte, wie sie selbst göttlich ist. Die Unsterblichkeit der Götter ist durch den Genuss der Zauberspeise, der Ambrosia und des Nektar, bedingt 1); auch den Menschen macht der dauernde Genuss der Götterspeise zum ewigen Gott. Was Odysseus, den Treue und Pflicht nach der irdischen Heimath zurückziehen, verschmäht, ist anderen Sterblichen zu Theil geworden. Die homerischen Gedichte wissen von mehr als einer Erhebung eines Menschen zu un- sterblichem Leben zu berichten.
Mitten im tosenden Meere erscheint dem Odysseus als Retterin Ino Leukothea, einst des Kadmos Tochter, "die vor- dem ein sterbliches Weib war, jetzt aber in der Meeresfluth Theil hat an der Ehre der Götter" (Od. 5, 333 ff.) 2). Hat sie ein Gott des Meeres entrückt und in sein Element ewig
1) S. Nägelsbach, Homer. Theol. p. 42, 43 und, gegen Bergks Ein- wendungen (Opusc. II 669), Roscher, Nektar und Ambrosia S. 51 ff.
2) Es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese Ino Leukothea ursprüng- lich eine Göttin war, die aber heroisirt (mit der Tochter des Kadmos aus einem uns nicht mehr erkennbaren Grunde identificirt) und nur nach- träglich wieder als Göttin anerkannt wurde. Aber dem homerischen Zeitalter gilt sie als eine ursprünglich Sterbliche, die zur Göttin erst ge- worden ist; aus demselben Grunde, eben weil sie als Beispiel solcher Vergöttlichung Sterblicher galt, blieb sie den Späteren interessant (vgl., ausser bekannten Stellen des Pindar u. A., Cicero, Tusc. I § 28), und nur auf die thatsächliche Vorstellung des Volkes und seiner Dichter, nicht auf das, was sich als letzter Hintergrund dieser Vorstellung allenfalls vermuthen lässt, kommt es mir hier, und in vielen ähnlichen Fällen, an.
Leben verheissen, wie in einem anderen Götterreiche. Er soll zum Gotte werden: denn wie den homerischen Dichtern „Gott“ und „Unsterblicher“ Wechselbegriffe sind, so wird ihnen auch der Mensch, wenn ihm Unsterblichkeit verliehen ist (d. h. wenn seine Psyche von seinem sichtbaren Ich sich niemals trennt), zum Gotte.
Es ist homerischer Glaube, dass Götter auch Sterbliche in ihr Reich, zur Unsterblichkeit erheben können. Kalypso will den Odysseus, damit er ewig bei ihr bleibe, „unsterblich und unalternd für alle Zeit“ machen (Od. 5, 135 f., 209 f.; 23, 335 f.), d. h. zu einem Gotte, wie sie selbst göttlich ist. Die Unsterblichkeit der Götter ist durch den Genuss der Zauberspeise, der Ambrosia und des Nektar, bedingt 1); auch den Menschen macht der dauernde Genuss der Götterspeise zum ewigen Gott. Was Odysseus, den Treue und Pflicht nach der irdischen Heimath zurückziehen, verschmäht, ist anderen Sterblichen zu Theil geworden. Die homerischen Gedichte wissen von mehr als einer Erhebung eines Menschen zu un- sterblichem Leben zu berichten.
Mitten im tosenden Meere erscheint dem Odysseus als Retterin Ino Leukothea, einst des Kadmos Tochter, „die vor- dem ein sterbliches Weib war, jetzt aber in der Meeresfluth Theil hat an der Ehre der Götter“ (Od. 5, 333 ff.) 2). Hat sie ein Gott des Meeres entrückt und in sein Element ewig
1) S. Nägelsbach, Homer. Theol. p. 42, 43 und, gegen Bergks Ein- wendungen (Opusc. II 669), Roscher, Nektar und Ambrosia S. 51 ff.
2) Es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese Ino Leukothea ursprüng- lich eine Göttin war, die aber heroisirt (mit der Tochter des Kadmos aus einem uns nicht mehr erkennbaren Grunde identificirt) und nur nach- träglich wieder als Göttin anerkannt wurde. Aber dem homerischen Zeitalter gilt sie als eine ursprünglich Sterbliche, die zur Göttin erst ge- worden ist; aus demselben Grunde, eben weil sie als Beispiel solcher Vergöttlichung Sterblicher galt, blieb sie den Späteren interessant (vgl., ausser bekannten Stellen des Pindar u. A., Cicero, Tusc. I § 28), und nur auf die thatsächliche Vorstellung des Volkes und seiner Dichter, nicht auf das, was sich als letzter Hintergrund dieser Vorstellung allenfalls vermuthen lässt, kommt es mir hier, und in vielen ähnlichen Fällen, an.
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der Mensch, wenn ihm Unsterblichkeit verliehen ist (d. h. wenn
seine Psyche von seinem sichtbaren Ich sich niemals trennt),
zum Gotte.
Es ist homerischer Glaube, dass Götter auch Sterbliche
in ihr Reich, zur Unsterblichkeit erheben können. Kalypso
will den Odysseus, damit er ewig bei ihr bleibe, „unsterblich
und unalternd für alle Zeit“ machen (Od. 5, 135 f., 209 f.;
23, 335 f.), d. h. zu einem Gotte, wie sie selbst göttlich ist.
Die Unsterblichkeit der Götter ist durch den Genuss der
Zauberspeise, der Ambrosia und des Nektar, bedingt 1); auch
den Menschen macht der dauernde Genuss der Götterspeise
zum ewigen Gott. Was Odysseus, den Treue und Pflicht nach
der irdischen Heimath zurückziehen, verschmäht, ist anderen
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wissen von mehr als einer Erhebung eines Menschen zu un-
sterblichem Leben zu berichten.
Mitten im tosenden Meere erscheint dem Odysseus als
Retterin Ino Leukothea, einst des Kadmos Tochter, „die vor-
dem ein sterbliches Weib war, jetzt aber in der Meeresfluth
Theil hat an der Ehre der Götter“ (Od. 5, 333 ff.) 2). Hat
sie ein Gott des Meeres entrückt und in sein Element ewig
1) S. Nägelsbach, Homer. Theol. p. 42, 43 und, gegen Bergks Ein-
wendungen (Opusc. II 669), Roscher, Nektar und Ambrosia S. 51 ff.
2) Es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese Ino Leukothea ursprüng-
lich eine Göttin war, die aber heroisirt (mit der Tochter des Kadmos aus
einem uns nicht mehr erkennbaren Grunde identificirt) und nur nach-
träglich wieder als Göttin anerkannt wurde. Aber dem homerischen
Zeitalter gilt sie als eine ursprünglich Sterbliche, die zur Göttin erst ge-
worden ist; aus demselben Grunde, eben weil sie als Beispiel solcher
Vergöttlichung Sterblicher galt, blieb sie den Späteren interessant (vgl.,
ausser bekannten Stellen des Pindar u. A., Cicero, Tusc. I § 28), und
nur auf die thatsächliche Vorstellung des Volkes und seiner Dichter, nicht
auf das, was sich als letzter Hintergrund dieser Vorstellung allenfalls
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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/84>, abgerufen am 27.07.2024.
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