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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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Weltbildung der Stoff nicht zwar die Ursache, aber eine Mit-
ursache ist, durch deren Zwang und Nöthigung der "Geist",
der die Welt bildet und ordnet, mannichfach gehemmt wird 1),
so ist dem Seelengeiste diese vergängliche, ewig schwankende,
wie in trüber Gährung wallende Stofflichkeit ein schweres
Hemmniss bei seinem eigensten Thun. Sie ist das Böse oder
doch die Ursache des Bösen 2), das überwunden werden muss,
damit der Geist zu seiner Freiheit gelangen, in das Reich des
reinen Seins sich völlig retten könne. Oft redet Plato von der
"Katharsis", der Reinigung, nach der der Mensch zu trachten
habe 3). Er nimmt auch hier Wort und Begriff von den Theo-
logen an; aber er steigert sie zu einer erhöheten Bedeutung,
in der indessen immer noch die Analogie zu der Katharsis der
Theologen und Weihepriester deutlich hervortritt. Nicht die
Befleckung, die von der Berührung unheimlicher Dämonen und
dessen, was ihr Eigen ist, droht, gilt es zu verhüten; sondern
die Trübung der Erkenntnisskraft und des damit als gleich-
zeitig gesetzt gedachten Wollens des Erkannten, durch die
Sinnenwelt und ihre wilden Triebe 4). Statt nach ritualer Rein-
heit ist zu streben nach der Reinhaltung der Erkenntniss des

1) xunaitia Tim. 46 C ff.; nous kai anagke Tim. 47 E ff. (o theos ist
pollon anaitios, nämlich ton kakon: Rep. 2, 379 A/C).
2) Das soma, mit dem die Seele verbunden ist, ein kakon: Phaed.
66 B (desmoi der Seele: 67 D). Aus der Materie werden überall die
kaka in der Welt abgeleitet, bis in den "Gesetzen" neben die euergetis
psukhe der Welt noch eine böse und Böses bewirkende Weltseele tritt.
3) Namentlich im Phaedon: kathareuein. katharsis. oi philosophia ikanos
katheramenoi im Gegensatz zu den akathartoi psukhai: 67 A ff.; 69 B/C;
80 E; 82 D; 108 B; 114 C. Katharsis der Seele durch Dialektik: Sophist.
230 C ff. Ausdrückliche Hinweisung auf die analoge Forderung der ka-
tharsis bei den tas teletas emin katastesantes: Phaed. 69 C.
4) katharsis einai touto xumbainei, to khorizein o ti malista apo tou
somatos ten psukhen kai ethisai auten kath auten pantakhothen ek tou somatos
sunageiresthai te kai athroizesthai, kai oikein kata to dunaton kai en to nun
paronti kai en to epeita monen kath auten, ekluomenen osper ek desmou ek
tou somatos. Phaed. 67 C. So sind dikaiosune und andreia, namentlich
aber phronesis, katharmos tis. Phaed. 69 B/C. lusis te kai katharmos der
philosophia: 82 D.

Weltbildung der Stoff nicht zwar die Ursache, aber eine Mit-
ursache ist, durch deren Zwang und Nöthigung der „Geist“,
der die Welt bildet und ordnet, mannichfach gehemmt wird 1),
so ist dem Seelengeiste diese vergängliche, ewig schwankende,
wie in trüber Gährung wallende Stofflichkeit ein schweres
Hemmniss bei seinem eigensten Thun. Sie ist das Böse oder
doch die Ursache des Bösen 2), das überwunden werden muss,
damit der Geist zu seiner Freiheit gelangen, in das Reich des
reinen Seins sich völlig retten könne. Oft redet Plato von der
„Katharsis“, der Reinigung, nach der der Mensch zu trachten
habe 3). Er nimmt auch hier Wort und Begriff von den Theo-
logen an; aber er steigert sie zu einer erhöheten Bedeutung,
in der indessen immer noch die Analogie zu der Katharsis der
Theologen und Weihepriester deutlich hervortritt. Nicht die
Befleckung, die von der Berührung unheimlicher Dämonen und
dessen, was ihr Eigen ist, droht, gilt es zu verhüten; sondern
die Trübung der Erkenntnisskraft und des damit als gleich-
zeitig gesetzt gedachten Wollens des Erkannten, durch die
Sinnenwelt und ihre wilden Triebe 4). Statt nach ritualer Rein-
heit ist zu streben nach der Reinhaltung der Erkenntniss des

1) ξυναίτια Tim. 46 C ff.; νοῦς καὶ ἀνάγκη Tim. 47 E ff. (ὁ ϑεός ist
πολλῶν ἀναίτιος, nämlich τῶν κακῶν: Rep. 2, 379 A/C).
2) Das σῶμα, mit dem die Seele verbunden ist, ein κακόν: Phaed.
66 B (δεσμοί der Seele: 67 D). Aus der Materie werden überall die
κακά in der Welt abgeleitet, bis in den „Gesetzen“ neben die εὐεργέτις
ψυχή der Welt noch eine böse und Böses bewirkende Weltseele tritt.
3) Namentlich im Phaedon: καϑαρεύειν. κάϑαρσις. οἱ φιλοσοφίᾳ ἱκανῶς
καϑηράμενοι im Gegensatz zu den ἀκάϑαρτοι ψυχαί: 67 A ff.; 69 B/C;
80 E; 82 D; 108 B; 114 C. Katharsis der Seele durch Dialektik: Sophist.
230 C ff. Ausdrückliche Hinweisung auf die analoge Forderung der κά-
ϑαρσις bei den τὰς τελετὰς ἡμῖν καταστήσαντες: Phaed. 69 C.
4) κάϑαρσις εἶναι τοῦτο ξυμβαίνει, τὸ χωρίζειν ὅ τι μάλιστα ἀπὸ τοῦ
σώματος τὴν ψυχὴν καὶ ἐϑίσαι αὐτὴν καϑ̕ αὑτὴν πανταχόϑεν ἐκ τοῦ σώματος
συναγείρεσϑαί τε καὶ ἀϑροίζεσϑαι, καὶ οἰκεῖν κατὰ τὸ δυνατὸν καὶ ἐν τῷ νῦν
παρόντι καὶ ἐν τῷ ἔπειτα μόνην καϑ̕ αὑτήν, ἐκλυομένην ὥσπερ ἐκ δεσμοῦ ἐκ
τοῦ σώματος. Phaed. 67 C. So sind δικαιοσύνη und ἀνδρεία, namentlich
aber φρόνησις, καϑαρμός τις. Phaed. 69 B/C. λύσις τε καὶ καϑαρμός der
φιλοσοφία: 82 D.
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[573/0589] Weltbildung der Stoff nicht zwar die Ursache, aber eine Mit- ursache ist, durch deren Zwang und Nöthigung der „Geist“, der die Welt bildet und ordnet, mannichfach gehemmt wird 1), so ist dem Seelengeiste diese vergängliche, ewig schwankende, wie in trüber Gährung wallende Stofflichkeit ein schweres Hemmniss bei seinem eigensten Thun. Sie ist das Böse oder doch die Ursache des Bösen 2), das überwunden werden muss, damit der Geist zu seiner Freiheit gelangen, in das Reich des reinen Seins sich völlig retten könne. Oft redet Plato von der „Katharsis“, der Reinigung, nach der der Mensch zu trachten habe 3). Er nimmt auch hier Wort und Begriff von den Theo- logen an; aber er steigert sie zu einer erhöheten Bedeutung, in der indessen immer noch die Analogie zu der Katharsis der Theologen und Weihepriester deutlich hervortritt. Nicht die Befleckung, die von der Berührung unheimlicher Dämonen und dessen, was ihr Eigen ist, droht, gilt es zu verhüten; sondern die Trübung der Erkenntnisskraft und des damit als gleich- zeitig gesetzt gedachten Wollens des Erkannten, durch die Sinnenwelt und ihre wilden Triebe 4). Statt nach ritualer Rein- heit ist zu streben nach der Reinhaltung der Erkenntniss des 1) ξυναίτια Tim. 46 C ff.; νοῦς καὶ ἀνάγκη Tim. 47 E ff. (ὁ ϑεός ist πολλῶν ἀναίτιος, nämlich τῶν κακῶν: Rep. 2, 379 A/C). 2) Das σῶμα, mit dem die Seele verbunden ist, ein κακόν: Phaed. 66 B (δεσμοί der Seele: 67 D). Aus der Materie werden überall die κακά in der Welt abgeleitet, bis in den „Gesetzen“ neben die εὐεργέτις ψυχή der Welt noch eine böse und Böses bewirkende Weltseele tritt. 3) Namentlich im Phaedon: καϑαρεύειν. κάϑαρσις. οἱ φιλοσοφίᾳ ἱκανῶς καϑηράμενοι im Gegensatz zu den ἀκάϑαρτοι ψυχαί: 67 A ff.; 69 B/C; 80 E; 82 D; 108 B; 114 C. Katharsis der Seele durch Dialektik: Sophist. 230 C ff. Ausdrückliche Hinweisung auf die analoge Forderung der κά- ϑαρσις bei den τὰς τελετὰς ἡμῖν καταστήσαντες: Phaed. 69 C. 4) κάϑαρσις εἶναι τοῦτο ξυμβαίνει, τὸ χωρίζειν ὅ τι μάλιστα ἀπὸ τοῦ σώματος τὴν ψυχὴν καὶ ἐϑίσαι αὐτὴν καϑ̕ αὑτὴν πανταχόϑεν ἐκ τοῦ σώματος συναγείρεσϑαί τε καὶ ἀϑροίζεσϑαι, καὶ οἰκεῖν κατὰ τὸ δυνατὸν καὶ ἐν τῷ νῦν παρόντι καὶ ἐν τῷ ἔπειτα μόνην καϑ̕ αὑτήν, ἐκλυομένην ὥσπερ ἐκ δεσμοῦ ἐκ τοῦ σώματος. Phaed. 67 C. So sind δικαιοσύνη und ἀνδρεία, namentlich aber φρόνησις, καϑαρμός τις. Phaed. 69 B/C. λύσις τε καὶ καϑαρμός der φιλοσοφία: 82 D.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/589>, abgerufen am 26.11.2024.