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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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-- Euripides angeregt worden sein 1), der physiologischen Theorie
des Diogenes die eigenthümliche Gestaltung zu geben, die wir
bei ihm antreffen. Die Seele hat ihm Theil an der Natur des
Aethers. Mehr noch aber bedeutet es, dass der Aether Theil
hat an der Natur und wahren Wesenheit der Seele, an Leben,
Bewusstsein, Denkkraft. Beide sind Eines Geschlechts. Der
Aether wird dem Dichter -- und hier ist der Einfluss der
durch Diogenes erneuten Speculation des Anaximenes nicht
zu verkennen 2) -- zu einer wahren Lebensluft, einem alles
umfluthenden Seelenelement, nicht nur zum Träger des "Geistes",
sondern zum Allgeist selber. Die Vorstellung von ihm ver-
dichtet sich zu halbpersönlicher Gestaltung; er wird mit dem
Namen der höchsten Gotteskraft Zeus benannt 3), wie von

1) Mehrfache Berührung des Euripides mit Epicharmischen Versen
weist nach Wilamowitz, Eurip. Herakles 1, 29. Dass Euripides die Epi-
charmischen Dichtungen kannte, und nach ihrem philosophisch betrach-
tenden Gehalt schätzte, steht darnach fest. Doch sollen alle Anspielungen
des Euripides sich nur auf die (oder eine der) Fälschungen unter
Epicharms Namen beziehen, deren das Alterthum mehrere kannte. Der
Grund, der für diese Behauptung angeführt wird: "Komoedien hat Euri-
pides nicht citirt" ist nichts als eine petitio principii. Attische zeit-
genössische Komoedien mag Eur. nicht "citirt" haben; ob er es mit dem
gedankenreichen sicilischen Komiker, den Aristoteles, selbst Plato (Gorg.
505 E, namentlich Theaetet. 152 E) zu berücksichtigen nicht verschmähen,
ebenso hielt, steht eben zur Frage; mit einer beweislosen Verneinung dieses
Obersatzes ist nichts ausgerichtet. -- Uebrigens wären das Fälscher einer
ganz einzigen species, die Perlen, wie das (von Euripides nachgeahmte)
naphe kai -- oder noos ore -- lieber unter fremdem als unter eigenem Namen
hätten ausgehn lassen wollen. Die Bruchstücke der wirklich dem Epi-
charm untergeschobenen Politeia bei Clemens (Strom. 5, 605 A/B, Lor.
p. 297) zeigen eine ganz andere Prägung.
2) Weniger passend lässt sich an Archelaos als Vorbild des Euri-
pides denken: der, in seiner Vermittlung zwischen Anaxagoras und Dio-
genes, den nous von der Mischung des Stofflichen (oder dem aer) nicht
trennte, aber doch unterschied, während dem Dichter aither und Geist
eines sind.
3) aither = Zeus: fr. 941. aither -- -- Zeus os anthropois onomazetai.
fr. 877. Daher der Aether koruphe theon heisst fr. 919. -- Ebenso ist dem
Diogenes Apoll. die Luft der Gott (Cic. nat. d. I. § 29), Zeus: Philodem.
p. eus. p. 70 Gomp. Bei Eurip. fr. 941: ton upsou tond apeiron aithera kai

— Euripides angeregt worden sein 1), der physiologischen Theorie
des Diogenes die eigenthümliche Gestaltung zu geben, die wir
bei ihm antreffen. Die Seele hat ihm Theil an der Natur des
Aethers. Mehr noch aber bedeutet es, dass der Aether Theil
hat an der Natur und wahren Wesenheit der Seele, an Leben,
Bewusstsein, Denkkraft. Beide sind Eines Geschlechts. Der
Aether wird dem Dichter — und hier ist der Einfluss der
durch Diogenes erneuten Speculation des Anaximenes nicht
zu verkennen 2) — zu einer wahren Lebensluft, einem alles
umfluthenden Seelenelement, nicht nur zum Träger des „Geistes“,
sondern zum Allgeist selber. Die Vorstellung von ihm ver-
dichtet sich zu halbpersönlicher Gestaltung; er wird mit dem
Namen der höchsten Gotteskraft Zeus benannt 3), wie von

1) Mehrfache Berührung des Euripides mit Epicharmischen Versen
weist nach Wilamowitz, Eurip. Herakles 1, 29. Dass Euripides die Epi-
charmischen Dichtungen kannte, und nach ihrem philosophisch betrach-
tenden Gehalt schätzte, steht darnach fest. Doch sollen alle Anspielungen
des Euripides sich nur auf die (oder eine der) Fälschungen unter
Epicharms Namen beziehen, deren das Alterthum mehrere kannte. Der
Grund, der für diese Behauptung angeführt wird: „Komoedien hat Euri-
pides nicht citirt“ ist nichts als eine petitio principii. Attische zeit-
genössische Komoedien mag Eur. nicht „citirt“ haben; ob er es mit dem
gedankenreichen sicilischen Komiker, den Aristoteles, selbst Plato (Gorg.
505 E, namentlich Theaetet. 152 E) zu berücksichtigen nicht verschmähen,
ebenso hielt, steht eben zur Frage; mit einer beweislosen Verneinung dieses
Obersatzes ist nichts ausgerichtet. — Uebrigens wären das Fälscher einer
ganz einzigen species, die Perlen, wie das (von Euripides nachgeahmte)
νᾶφε καὶ — oder νόος ὁρῇ — lieber unter fremdem als unter eigenem Namen
hätten ausgehn lassen wollen. Die Bruchstücke der wirklich dem Epi-
charm untergeschobenen Πολιτεία bei Clemens (Strom. 5, 605 A/B, Lor.
p. 297) zeigen eine ganz andere Prägung.
2) Weniger passend lässt sich an Archelaos als Vorbild des Euri-
pides denken: der, in seiner Vermittlung zwischen Anaxagoras und Dio-
genes, den νοῦς von der Mischung des Stofflichen (oder dem ἀήρ) nicht
trennte, aber doch unterschied, während dem Dichter αἰϑήρ und Geist
eines sind.
3) αἰϑήρ = Ζεύς: fr. 941. αἰϑήρ — — Ζεὺς ὃς ἀνϑρώποις ὀνομάζεται.
fr. 877. Daher der Aether κορυφή ϑεῶν heisst fr. 919. — Ebenso ist dem
Diogenes Apoll. die Luft der Gott (Cic. nat. d. I. § 29), Zeus: Philodem.
π. εὐσ. p. 70 Gomp. Bei Eurip. fr. 941: τὸν ὑψοῦ τόνδ̛ ἄπειρον αἰϑέρα καὶ
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[551/0567] — Euripides angeregt worden sein 1), der physiologischen Theorie des Diogenes die eigenthümliche Gestaltung zu geben, die wir bei ihm antreffen. Die Seele hat ihm Theil an der Natur des Aethers. Mehr noch aber bedeutet es, dass der Aether Theil hat an der Natur und wahren Wesenheit der Seele, an Leben, Bewusstsein, Denkkraft. Beide sind Eines Geschlechts. Der Aether wird dem Dichter — und hier ist der Einfluss der durch Diogenes erneuten Speculation des Anaximenes nicht zu verkennen 2) — zu einer wahren Lebensluft, einem alles umfluthenden Seelenelement, nicht nur zum Träger des „Geistes“, sondern zum Allgeist selber. Die Vorstellung von ihm ver- dichtet sich zu halbpersönlicher Gestaltung; er wird mit dem Namen der höchsten Gotteskraft Zeus benannt 3), wie von 1) Mehrfache Berührung des Euripides mit Epicharmischen Versen weist nach Wilamowitz, Eurip. Herakles 1, 29. Dass Euripides die Epi- charmischen Dichtungen kannte, und nach ihrem philosophisch betrach- tenden Gehalt schätzte, steht darnach fest. Doch sollen alle Anspielungen des Euripides sich nur auf die (oder eine der) Fälschungen unter Epicharms Namen beziehen, deren das Alterthum mehrere kannte. Der Grund, der für diese Behauptung angeführt wird: „Komoedien hat Euri- pides nicht citirt“ ist nichts als eine petitio principii. Attische zeit- genössische Komoedien mag Eur. nicht „citirt“ haben; ob er es mit dem gedankenreichen sicilischen Komiker, den Aristoteles, selbst Plato (Gorg. 505 E, namentlich Theaetet. 152 E) zu berücksichtigen nicht verschmähen, ebenso hielt, steht eben zur Frage; mit einer beweislosen Verneinung dieses Obersatzes ist nichts ausgerichtet. — Uebrigens wären das Fälscher einer ganz einzigen species, die Perlen, wie das (von Euripides nachgeahmte) νᾶφε καὶ — oder νόος ὁρῇ — lieber unter fremdem als unter eigenem Namen hätten ausgehn lassen wollen. Die Bruchstücke der wirklich dem Epi- charm untergeschobenen Πολιτεία bei Clemens (Strom. 5, 605 A/B, Lor. p. 297) zeigen eine ganz andere Prägung. 2) Weniger passend lässt sich an Archelaos als Vorbild des Euri- pides denken: der, in seiner Vermittlung zwischen Anaxagoras und Dio- genes, den νοῦς von der Mischung des Stofflichen (oder dem ἀήρ) nicht trennte, aber doch unterschied, während dem Dichter αἰϑήρ und Geist eines sind. 3) αἰϑήρ = Ζεύς: fr. 941. αἰϑήρ — — Ζεὺς ὃς ἀνϑρώποις ὀνομάζεται. fr. 877. Daher der Aether κορυφή ϑεῶν heisst fr. 919. — Ebenso ist dem Diogenes Apoll. die Luft der Gott (Cic. nat. d. I. § 29), Zeus: Philodem. π. εὐσ. p. 70 Gomp. Bei Eurip. fr. 941: τὸν ὑψοῦ τόνδ̛ ἄπειρον αἰϑέρα καὶ

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/567>, abgerufen am 28.11.2024.