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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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bleiben dualistisch neben einander bestehen 1). Der Dualismus
in dieser Weltbildungsphantasie war es wohl, der die Alten an
Anaxagoras erinnerte. Aber einfach als eine Poetisirung der
Lehre des Anaxagoras können diese Aussprüche nicht gelten 2),

gesonderten, aber von jeher als für sich bestehend zu denkenden Ur-
bestandtheile die Rede, nicht von einer Ableitung beider aus einem ge-
meinsamen einzigen Urelement oder einer Herleitung des einen aus dem
andern. Es mag hier wirklich, wie die alten Zeugen annehmen, dem Eur.
das omou panta khremata en des Anaxagoras vorschweben, um so mehr
da auch bei Anaxagoras aus der allgemeinen Vermischung zuerst zwei
Massen, aer und aither, sich aussondern (freilich nicht so, dass der nous
in dem aither mitbegriffen ist, wie bei Euripides). Es bleibt also auch
hier der Dualismus der Euripideischen Kosmogonie bestehen. Uebrigens
leuchtet in diesem Bruchstück (484) doch deutlich durch, dass bei allen
physiologischen Neigungen Eur. die mythische Vorstellung bei den
kosmogonischen Vorgängen nicht ganz abstreifen kann. Uranos und Gaia
empfahlen sich ihm sicherlich auch darum als Urpotenzen, weil die kos-
mogonische Dichtung seit langem diese an die Spitze der Götter und
der Welt gestellt hatte (aither erst ist die mehr physiologische Bezeich-
nung dessen was halb personificirt Ouranos heisst). Und daher wohl auch
erklärt es sich, dass die Materie (oder doch die robustere Materie, im
Unterschied vom aither, dem leptotaton panton khrematon) sich ihm in der
"Erde" zusammenfasst. Er folgt hierin keinem der älteren Physiologen:
als Grundstoff hatte die Erde (wenigstens die Erde allein) keiner be-
stimmt (s. Ilberg, Quaest. Pseudhippocrat. [1883] p. 16 ff.). "Erde" als
Inbegriff des Stofflichen, Geistverlassenen, mag ihm auch aus volksthüm-
lichem Ausdruck geläufig gewesen sein. Schon Il. 24, 54 heisst ja der
von Seele und Leben verlassene Leib kophe gaia (vgl. Eurip. fr. 532,
757, 5). So kommt der Gegensatz von ge und aither dem Dichter fast
auf den von "Stoff" und "Geist" hinaus, nur dass einen "Geist" ohne
jedes stoffliche Substrat er sich nicht denken konnte oder mochte und
daher auch sein aither noch einen stofflichen Rest bewahrt.
1) Dies wird besonders deutlich fr. 839, 8 ff.: bei der Scheidung der
Bestandtheile, aus denen panta besteht, erhält jedes der zwei, ge und
aither, sich völlig unvermindert und unvermischt. thneskei d ouden ton
gignomenon diakrinomenon d allo pros allou morphen idian apedeixen
(stellt sich in seinem Sonderdasein wieder her). Wobei man doch un-
willkürlich sich an die Worte des Anaxagoras erinnert fühlt: -- ouden
gar khrema ginetai, oude apollutai, all ap eonton khrematon summisgetai
te kai diakrinetai, kai outos an orthos kaloien to te ginesthai summisgesthai,
kai to apollusthai diakrinesthai (fr. 17 Mull.).
2) Dass nicht Anaxagoras, wenigstens nicht er allein, die philo-
sophischen Gedanken des Euripides bestimmte, nimmt man neuerdings
35*

bleiben dualistisch neben einander bestehen 1). Der Dualismus
in dieser Weltbildungsphantasie war es wohl, der die Alten an
Anaxagoras erinnerte. Aber einfach als eine Poetisirung der
Lehre des Anaxagoras können diese Aussprüche nicht gelten 2),

gesonderten, aber von jeher als für sich bestehend zu denkenden Ur-
bestandtheile die Rede, nicht von einer Ableitung beider aus einem ge-
meinsamen einzigen Urelement oder einer Herleitung des einen aus dem
andern. Es mag hier wirklich, wie die alten Zeugen annehmen, dem Eur.
das ὁμοῦ πάντα χρήματα ἦν des Anaxagoras vorschweben, um so mehr
da auch bei Anaxagoras aus der allgemeinen Vermischung zuerst zwei
Massen, ἀήρ und αἰϑήρ, sich aussondern (freilich nicht so, dass der νοῦς
in dem αἰϑήρ mitbegriffen ist, wie bei Euripides). Es bleibt also auch
hier der Dualismus der Euripideischen Kosmogonie bestehen. Uebrigens
leuchtet in diesem Bruchstück (484) doch deutlich durch, dass bei allen
physiologischen Neigungen Eur. die mythische Vorstellung bei den
kosmogonischen Vorgängen nicht ganz abstreifen kann. Uranos und Gaia
empfahlen sich ihm sicherlich auch darum als Urpotenzen, weil die kos-
mogonische Dichtung seit langem diese an die Spitze der Götter und
der Welt gestellt hatte (αἰϑήρ erst ist die mehr physiologische Bezeich-
nung dessen was halb personificirt Οὐρανός heisst). Und daher wohl auch
erklärt es sich, dass die Materie (oder doch die robustere Materie, im
Unterschied vom αἰϑηρ, dem λεπτότατον πάντων χρημάτων) sich ihm in der
„Erde“ zusammenfasst. Er folgt hierin keinem der älteren Physiologen:
als Grundstoff hatte die Erde (wenigstens die Erde allein) keiner be-
stimmt (s. Ilberg, Quaest. Pseudhippocrat. [1883] p. 16 ff.). „Erde“ als
Inbegriff des Stofflichen, Geistverlassenen, mag ihm auch aus volksthüm-
lichem Ausdruck geläufig gewesen sein. Schon Il. 24, 54 heisst ja der
von Seele und Leben verlassene Leib κωφὴ γαῖα (vgl. Eurip. fr. 532,
757, 5). So kommt der Gegensatz von γῆ und αἰϑήρ dem Dichter fast
auf den von „Stoff“ und „Geist“ hinaus, nur dass einen „Geist“ ohne
jedes stoffliche Substrat er sich nicht denken konnte oder mochte und
daher auch sein αἰϑήρ noch einen stofflichen Rest bewahrt.
1) Dies wird besonders deutlich fr. 839, 8 ff.: bei der Scheidung der
Bestandtheile, aus denen πάντα besteht, erhält jedes der zwei, γῆ und
αἰϑήρ, sich völlig unvermindert und unvermischt. ϑνῄσκει δ̛ οὐδὲν τῶν
γιγνομένων διακρινόμενον δ̛ ἄλλο πρὸς ἄλλου μορφὴν ἰδίαν ἀπέδειξεν
(stellt sich in seinem Sonderdasein wieder her). Wobei man doch un-
willkürlich sich an die Worte des Anaxagoras erinnert fühlt: — οὐδὲν
γὰρ χρῆμα γίνεται, οὐδὲ ἀπόλλυται, ἀλλ̕ ἀπ̕ ἐόντων χρημάτων συμμίσγεταί
τε καὶ διακρίνεται, καὶ οὕτως ἂν ὀρϑῶς καλοῖεν τό τε γίνεσϑαι συμμίσγεσϑαι,
καὶ τὸ ἀπόλλυσϑαι διακρίνεσϑαι (fr. 17 Mull.).
2) Dass nicht Anaxagoras, wenigstens nicht er allein, die philo-
sophischen Gedanken des Euripides bestimmte, nimmt man neuerdings
35*
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[547/0563] bleiben dualistisch neben einander bestehen 1). Der Dualismus in dieser Weltbildungsphantasie war es wohl, der die Alten an Anaxagoras erinnerte. Aber einfach als eine Poetisirung der Lehre des Anaxagoras können diese Aussprüche nicht gelten 2), 4) 1) Dies wird besonders deutlich fr. 839, 8 ff.: bei der Scheidung der Bestandtheile, aus denen πάντα besteht, erhält jedes der zwei, γῆ und αἰϑήρ, sich völlig unvermindert und unvermischt. ϑνῄσκει δ̛ οὐδὲν τῶν γιγνομένων διακρινόμενον δ̛ ἄλλο πρὸς ἄλλου μορφὴν ἰδίαν ἀπέδειξεν (stellt sich in seinem Sonderdasein wieder her). Wobei man doch un- willkürlich sich an die Worte des Anaxagoras erinnert fühlt: — οὐδὲν γὰρ χρῆμα γίνεται, οὐδὲ ἀπόλλυται, ἀλλ̕ ἀπ̕ ἐόντων χρημάτων συμμίσγεταί τε καὶ διακρίνεται, καὶ οὕτως ἂν ὀρϑῶς καλοῖεν τό τε γίνεσϑαι συμμίσγεσϑαι, καὶ τὸ ἀπόλλυσϑαι διακρίνεσϑαι (fr. 17 Mull.). 2) Dass nicht Anaxagoras, wenigstens nicht er allein, die philo- sophischen Gedanken des Euripides bestimmte, nimmt man neuerdings 4) gesonderten, aber von jeher als für sich bestehend zu denkenden Ur- bestandtheile die Rede, nicht von einer Ableitung beider aus einem ge- meinsamen einzigen Urelement oder einer Herleitung des einen aus dem andern. Es mag hier wirklich, wie die alten Zeugen annehmen, dem Eur. das ὁμοῦ πάντα χρήματα ἦν des Anaxagoras vorschweben, um so mehr da auch bei Anaxagoras aus der allgemeinen Vermischung zuerst zwei Massen, ἀήρ und αἰϑήρ, sich aussondern (freilich nicht so, dass der νοῦς in dem αἰϑήρ mitbegriffen ist, wie bei Euripides). Es bleibt also auch hier der Dualismus der Euripideischen Kosmogonie bestehen. Uebrigens leuchtet in diesem Bruchstück (484) doch deutlich durch, dass bei allen physiologischen Neigungen Eur. die mythische Vorstellung bei den kosmogonischen Vorgängen nicht ganz abstreifen kann. Uranos und Gaia empfahlen sich ihm sicherlich auch darum als Urpotenzen, weil die kos- mogonische Dichtung seit langem diese an die Spitze der Götter und der Welt gestellt hatte (αἰϑήρ erst ist die mehr physiologische Bezeich- nung dessen was halb personificirt Οὐρανός heisst). Und daher wohl auch erklärt es sich, dass die Materie (oder doch die robustere Materie, im Unterschied vom αἰϑηρ, dem λεπτότατον πάντων χρημάτων) sich ihm in der „Erde“ zusammenfasst. Er folgt hierin keinem der älteren Physiologen: als Grundstoff hatte die Erde (wenigstens die Erde allein) keiner be- stimmt (s. Ilberg, Quaest. Pseudhippocrat. [1883] p. 16 ff.). „Erde“ als Inbegriff des Stofflichen, Geistverlassenen, mag ihm auch aus volksthüm- lichem Ausdruck geläufig gewesen sein. Schon Il. 24, 54 heisst ja der von Seele und Leben verlassene Leib κωφὴ γαῖα (vgl. Eurip. fr. 532, 757, 5). So kommt der Gegensatz von γῆ und αἰϑήρ dem Dichter fast auf den von „Stoff“ und „Geist“ hinaus, nur dass einen „Geist“ ohne jedes stoffliche Substrat er sich nicht denken konnte oder mochte und daher auch sein αἰϑήρ noch einen stofflichen Rest bewahrt. 35*

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 547. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/563>, abgerufen am 28.11.2024.