Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.lisch verantwortlich fühlt, entgegengetreten. Er hilft sich da- 1) So retten die Stoiker die Forderung der Verantwortlichkeit des Menschen für seine Handlungen, trotz der unentfliehbaren eimarmene: die Handlung würde nicht zustande kommen, wenn nicht zu den nothwendig sie bedingenden Ursachen die eigene sugkatathesis des Menschen käme, die, wiewohl selbst nicht frei, durchaus eph emin bleibe und uns verant- wortlich mache (Cic. de fato 18; Nemes. nat. hom. p. 291 Matth). 2) Deutlich von V. 689 ff. an. 3) ta gar ek proteron aplakemata nin pros tasd (tas Erinuas) apagei Eum. 934. 4) Erst als auch Eteokles und Polyneikes im Wechselmord gefallen sind elexe daimon. Sept. 960. 5) Den homerischen Gedichten ist diese Vorstellung ganz geläufig
(s. Nägelsbach, Hom. Theol. 70 f.; 320 f.), auch in späterer Zeit kehrt sie bei solchen Autoren, die populärer Anschauung überhaupt oder doch in lisch verantwortlich fühlt, entgegengetreten. Er hilft sich da- 1) So retten die Stoiker die Forderung der Verantwortlichkeit des Menschen für seine Handlungen, trotz der unentfliehbaren εἱμαρμένη: die Handlung würde nicht zustande kommen, wenn nicht zu den nothwendig sie bedingenden Ursachen die eigene συγκατάϑεσις des Menschen käme, die, wiewohl selbst nicht frei, durchaus ἐφ̕ ἡμῖν bleibe und uns verant- wortlich mache (Cic. de fato 18; Nemes. nat. hom. p. 291 Matth). 2) Deutlich von V. 689 ff. an. 3) τὰ γὰρ ἐκ προτέρων ἀπλακήματά νιν πρὸς τάσδ̕ (τὰς Ἐρινύας) ἀπάγει Eum. 934. 4) Erst als auch Eteokles und Polyneikes im Wechselmord gefallen sind ἔληξε δαίμων. Sept. 960. 5) Den homerischen Gedichten ist diese Vorstellung ganz geläufig
(s. Nägelsbach, Hom. Theol. 70 f.; 320 f.), auch in späterer Zeit kehrt sie bei solchen Autoren, die populärer Anschauung überhaupt oder doch in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0537" n="521"/> lisch verantwortlich fühlt, entgegengetreten. Er hilft sich da-<lb/> mit, dass er annimmt, nicht nur die böse That, sondern auch<lb/> der bewusste Entschluss zur bösen That entstehe mit Noth-<lb/> wendigkeit in dem Erben alten Familienfrevels. Mit dem be-<lb/> wusst, wenn auch nothwendig gefassten Entschluss schien die<lb/> eigene Schuld und Verantwortlichkeit des Thäters völlig nach-<lb/> gewiesen<note place="foot" n="1)">So retten die Stoiker die Forderung der Verantwortlichkeit des<lb/> Menschen für seine Handlungen, trotz der unentfliehbaren εἱμαρμένη: die<lb/> Handlung würde nicht zustande kommen, wenn nicht zu den nothwendig<lb/> sie bedingenden Ursachen die eigene συγκατάϑεσις des Menschen käme,<lb/> die, wiewohl selbst nicht frei, durchaus ἐφ̕ ἡμῖν bleibe und uns verant-<lb/> wortlich mache (Cic. <hi rendition="#i">de fato</hi> 18; Nemes. <hi rendition="#i">nat. hom.</hi> p. 291 Matth).</note>. Die Wolke des Unheils, in der That des Ahnen<lb/> aufgegangen, hängt auch über dem Gemüthe des Sohnes und<lb/> Enkels. Nicht aus seinem eigenen Sinn und Charakter stammt<lb/> der Wille zur Frevelthat. Der Edle, Reine und Feste, Eteo-<lb/> kles, das Bild besonnener Mannhaftigkeit, der Hort und treue<lb/> Schutz der Seinen, erliegt im entscheidenden Augenblick dem<lb/> drohenden Geschick; sein heller Geist verfinstert sich, er giebt<lb/> sich selbst, sein besseres Selbst, verloren<note place="foot" n="2)">Deutlich von V. 689 ff. an.</note>, und stürzt dem gräss-<lb/> lichen Entschlusse zu. „Die von den Vorfahren herstammenden<lb/> Verfehlungen“<note place="foot" n="3)">τὰ γὰρ ἐκ προτέρων ἀπλακήματά νιν πρὸς τάσδ̕ (τὰς Ἐρινύας) ἀπάγει<lb/><hi rendition="#i">Eum.</hi> 934.</note> treiben ihn dahin. So erst ist volle Busse für<lb/> den Frevel des Ahnen eingebracht<note place="foot" n="4)">Erst als auch Eteokles und Polyneikes im Wechselmord gefallen<lb/> sind ἔληξε δαίμων. <hi rendition="#i">Sept.</hi> 960.</note>; die Nachkommen haften<lb/> auch für sein Vergehen, um des Ahnen willen werden sie<lb/> schuldig und leiden nun für seine und ihre Schuld die Strafe.<lb/> Die Gottheit selbst, oder ein von ihr gesandter Rachegeist<lb/> treibt die mit erblichem Frevelsinn Belasteten zur bösen That;<lb/> nicht, wie alter, fest haftender Glaube des Volkes war, aus<lb/> persönlichem Rachgefühl, Zorn oder Bosheit<note xml:id="seg2pn_179_1" next="#seg2pn_179_2" place="foot" n="5)">Den homerischen Gedichten ist diese Vorstellung ganz geläufig<lb/> (s. Nägelsbach, <hi rendition="#i">Hom. Theol.</hi> 70 f.; 320 f.), auch in späterer Zeit kehrt sie<lb/> bei solchen Autoren, die populärer Anschauung überhaupt oder doch in</note>, sondern aus<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [521/0537]
lisch verantwortlich fühlt, entgegengetreten. Er hilft sich da-
mit, dass er annimmt, nicht nur die böse That, sondern auch
der bewusste Entschluss zur bösen That entstehe mit Noth-
wendigkeit in dem Erben alten Familienfrevels. Mit dem be-
wusst, wenn auch nothwendig gefassten Entschluss schien die
eigene Schuld und Verantwortlichkeit des Thäters völlig nach-
gewiesen 1). Die Wolke des Unheils, in der That des Ahnen
aufgegangen, hängt auch über dem Gemüthe des Sohnes und
Enkels. Nicht aus seinem eigenen Sinn und Charakter stammt
der Wille zur Frevelthat. Der Edle, Reine und Feste, Eteo-
kles, das Bild besonnener Mannhaftigkeit, der Hort und treue
Schutz der Seinen, erliegt im entscheidenden Augenblick dem
drohenden Geschick; sein heller Geist verfinstert sich, er giebt
sich selbst, sein besseres Selbst, verloren 2), und stürzt dem gräss-
lichen Entschlusse zu. „Die von den Vorfahren herstammenden
Verfehlungen“ 3) treiben ihn dahin. So erst ist volle Busse für
den Frevel des Ahnen eingebracht 4); die Nachkommen haften
auch für sein Vergehen, um des Ahnen willen werden sie
schuldig und leiden nun für seine und ihre Schuld die Strafe.
Die Gottheit selbst, oder ein von ihr gesandter Rachegeist
treibt die mit erblichem Frevelsinn Belasteten zur bösen That;
nicht, wie alter, fest haftender Glaube des Volkes war, aus
persönlichem Rachgefühl, Zorn oder Bosheit 5), sondern aus
1) So retten die Stoiker die Forderung der Verantwortlichkeit des
Menschen für seine Handlungen, trotz der unentfliehbaren εἱμαρμένη: die
Handlung würde nicht zustande kommen, wenn nicht zu den nothwendig
sie bedingenden Ursachen die eigene συγκατάϑεσις des Menschen käme,
die, wiewohl selbst nicht frei, durchaus ἐφ̕ ἡμῖν bleibe und uns verant-
wortlich mache (Cic. de fato 18; Nemes. nat. hom. p. 291 Matth).
2) Deutlich von V. 689 ff. an.
3) τὰ γὰρ ἐκ προτέρων ἀπλακήματά νιν πρὸς τάσδ̕ (τὰς Ἐρινύας) ἀπάγει
Eum. 934.
4) Erst als auch Eteokles und Polyneikes im Wechselmord gefallen
sind ἔληξε δαίμων. Sept. 960.
5) Den homerischen Gedichten ist diese Vorstellung ganz geläufig
(s. Nägelsbach, Hom. Theol. 70 f.; 320 f.), auch in späterer Zeit kehrt sie
bei solchen Autoren, die populärer Anschauung überhaupt oder doch in
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