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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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in kindlichem Alter schon Zeus die Herrschaft der Welt an-
vertraute. Ihm nahen, von Hera angestiftet, in trüglicher Ver-
kleidung die bösen Titanen, die Feinde des Zeus, die früher
schon Uranos überwunden 1), aber Zeus, so scheint es, aus der
Haft des Tartaros wieder frei gegeben hatte. Durch Geschenke
machen sie ihn zutraulich; als er im Spiegel, den sie ihm ge-
schenkt, den Widerschein seiner Gestalt betrachtet 2), über-
fallen sie ihn. Er entzieht sich ihnen in wechselnden Ver-
wandlungen; zuletzt wird er, unter der Gestalt eines Stieres 3),
überwältigt und in Stücke zerrissen, welche die wilden Feinde
verschlingen. Nur das Herz rettet Athene; sie bringt es dem
Zeus, der es verschlingt. Aus ihm entspringt der "neue Dio-

dieses Bewusstsein verdunkelt war. -- Dem Iakkhos der Eleusinien (auf
den sich Orph. fr. 215, 2 bezieht) ist Zagreus-Dionysos nie gleichgesetzt
worden (wiewohl oft Dionysos allein).
1) Uranos wirft die Titanen in den Tartaros: fr. 97. 100. Nach
Proclus (fr. 205) und (wohl nicht aus den Rhaps.) Arnobius (fr. 196) sollte
man meinen, nach der Zerreissung des Zagreus seien die Titanen von
Zeus in den Tartaros geworfen worden. Das steht zwar bei Arnobius
friedlich neben dem Bericht von der Vernichtung der Titanen durch
den Blitz des Zeus (e Titanon keraunosis: Plut. es. carn. 996 C.), verträgt
sich damit aber doch offenbar nicht, und noch weniger mit der Erzählung
von der Entstehung der Menschen aus der Asche der Titanen, die nicht
nur Olympiodor kennt (ad Phaed. p. 68 Finckh. S. Lobeck p. 566) son-
dern auch, aus den Rhapsodien (wie jedenfalls auch Olymp.), Proclus:
ad Remp. 38, 8 Schöll. (vgl. p. 176, 13. 14). Es scheint demnach, dass
Proclus (und vielleicht auch Arnobius) die katatartarosis der Titanen
irrthümlich dem Zeus, statt dem Uranos, zugeschrieben hat.
2) Nonn. Dion. 6, 173. Orph. fr. 195. Vielleicht richtig deutet
Proclus diese Verdoppelung der Gestalt des Gottes im Spiegel auf den
Beginn seines Eintrittes in die meriste demiourgia. Anspielung auf eine
ähnliche Deutung dieses Dionusou katoptron schon bei Plotin. 36, 12
p. 247, 29 Kirchh. (s. Lobeck p. 555). Auch in dem seltsamen Bericht
des Marsilius Ficinus über das crudelissimum apud Orpheum Narcissi
(Zagreus ein anderer Narciss?) fatum (fr. 315. Vgl. Plotin. 1, 8 p. 10,
23 ff. Kh.)? Das Eingehen des Einen Weltgrundes in die Vielheit der
Erscheinungen stellt zwar bestimmter erst die Zerreissung des Zagreus
vor, aber es hat in dieser, symbolische Andeutungen häufenden Poesie
nichts auffallendes, wenn das gleiche Motiv, in andrer Einkleidung, auch
vorher schon einmal flüchtig anklingend verwendet wird.
3) Nonn. Dion. 6, 197 ff.

in kindlichem Alter schon Zeus die Herrschaft der Welt an-
vertraute. Ihm nahen, von Hera angestiftet, in trüglicher Ver-
kleidung die bösen Titanen, die Feinde des Zeus, die früher
schon Uranos überwunden 1), aber Zeus, so scheint es, aus der
Haft des Tartaros wieder frei gegeben hatte. Durch Geschenke
machen sie ihn zutraulich; als er im Spiegel, den sie ihm ge-
schenkt, den Widerschein seiner Gestalt betrachtet 2), über-
fallen sie ihn. Er entzieht sich ihnen in wechselnden Ver-
wandlungen; zuletzt wird er, unter der Gestalt eines Stieres 3),
überwältigt und in Stücke zerrissen, welche die wilden Feinde
verschlingen. Nur das Herz rettet Athene; sie bringt es dem
Zeus, der es verschlingt. Aus ihm entspringt der „neue Dio-

dieses Bewusstsein verdunkelt war. — Dem Ἴακχος der Eleusinien (auf
den sich Orph. fr. 215, 2 bezieht) ist Zagreus-Dionysos nie gleichgesetzt
worden (wiewohl oft Dionysos allein).
1) Uranos wirft die Titanen in den Tartaros: fr. 97. 100. Nach
Proclus (fr. 205) und (wohl nicht aus den Rhaps.) Arnobius (fr. 196) sollte
man meinen, nach der Zerreissung des Zagreus seien die Titanen von
Zeus in den Tartaros geworfen worden. Das steht zwar bei Arnobius
friedlich neben dem Bericht von der Vernichtung der Titanen durch
den Blitz des Zeus (ἡ Τιτάνων κεραύνωσις: Plut. es. carn. 996 C.), verträgt
sich damit aber doch offenbar nicht, und noch weniger mit der Erzählung
von der Entstehung der Menschen aus der Asche der Titanen, die nicht
nur Olympiodor kennt (ad Phaed. p. 68 Finckh. S. Lobeck p. 566) son-
dern auch, aus den Rhapsodien (wie jedenfalls auch Olymp.), Proclus:
ad Remp. 38, 8 Schöll. (vgl. p. 176, 13. 14). Es scheint demnach, dass
Proclus (und vielleicht auch Arnobius) die καταταρτάρωσις der Titanen
irrthümlich dem Zeus, statt dem Uranos, zugeschrieben hat.
2) Nonn. Dion. 6, 173. Orph. fr. 195. Vielleicht richtig deutet
Proclus diese Verdoppelung der Gestalt des Gottes im Spiegel auf den
Beginn seines Eintrittes in die μεριστὴ δημιουργία. Anspielung auf eine
ähnliche Deutung dieses Διονύσου κάτοπτρον schon bei Plotin. 36, 12
p. 247, 29 Kirchh. (s. Lobeck p. 555). Auch in dem seltsamen Bericht
des Marsilius Ficinus über das crudelissimum apud Orpheum Narcissi
(Zagreus ein anderer Narciss?) fatum (fr. 315. Vgl. Plotin. 1, 8 p. 10,
23 ff. Kh.)? Das Eingehen des Einen Weltgrundes in die Vielheit der
Erscheinungen stellt zwar bestimmter erst die Zerreissung des Zagreus
vor, aber es hat in dieser, symbolische Andeutungen häufenden Poesie
nichts auffallendes, wenn das gleiche Motiv, in andrer Einkleidung, auch
vorher schon einmal flüchtig anklingend verwendet wird.
3) Nonn. Dion. 6, 197 ff.
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[410/0426] in kindlichem Alter schon Zeus die Herrschaft der Welt an- vertraute. Ihm nahen, von Hera angestiftet, in trüglicher Ver- kleidung die bösen Titanen, die Feinde des Zeus, die früher schon Uranos überwunden 1), aber Zeus, so scheint es, aus der Haft des Tartaros wieder frei gegeben hatte. Durch Geschenke machen sie ihn zutraulich; als er im Spiegel, den sie ihm ge- schenkt, den Widerschein seiner Gestalt betrachtet 2), über- fallen sie ihn. Er entzieht sich ihnen in wechselnden Ver- wandlungen; zuletzt wird er, unter der Gestalt eines Stieres 3), überwältigt und in Stücke zerrissen, welche die wilden Feinde verschlingen. Nur das Herz rettet Athene; sie bringt es dem Zeus, der es verschlingt. Aus ihm entspringt der „neue Dio- 2) 1) Uranos wirft die Titanen in den Tartaros: fr. 97. 100. Nach Proclus (fr. 205) und (wohl nicht aus den Rhaps.) Arnobius (fr. 196) sollte man meinen, nach der Zerreissung des Zagreus seien die Titanen von Zeus in den Tartaros geworfen worden. Das steht zwar bei Arnobius friedlich neben dem Bericht von der Vernichtung der Titanen durch den Blitz des Zeus (ἡ Τιτάνων κεραύνωσις: Plut. es. carn. 996 C.), verträgt sich damit aber doch offenbar nicht, und noch weniger mit der Erzählung von der Entstehung der Menschen aus der Asche der Titanen, die nicht nur Olympiodor kennt (ad Phaed. p. 68 Finckh. S. Lobeck p. 566) son- dern auch, aus den Rhapsodien (wie jedenfalls auch Olymp.), Proclus: ad Remp. 38, 8 Schöll. (vgl. p. 176, 13. 14). Es scheint demnach, dass Proclus (und vielleicht auch Arnobius) die καταταρτάρωσις der Titanen irrthümlich dem Zeus, statt dem Uranos, zugeschrieben hat. 2) Nonn. Dion. 6, 173. Orph. fr. 195. Vielleicht richtig deutet Proclus diese Verdoppelung der Gestalt des Gottes im Spiegel auf den Beginn seines Eintrittes in die μεριστὴ δημιουργία. Anspielung auf eine ähnliche Deutung dieses Διονύσου κάτοπτρον schon bei Plotin. 36, 12 p. 247, 29 Kirchh. (s. Lobeck p. 555). Auch in dem seltsamen Bericht des Marsilius Ficinus über das crudelissimum apud Orpheum Narcissi (Zagreus ein anderer Narciss?) fatum (fr. 315. Vgl. Plotin. 1, 8 p. 10, 23 ff. Kh.)? Das Eingehen des Einen Weltgrundes in die Vielheit der Erscheinungen stellt zwar bestimmter erst die Zerreissung des Zagreus vor, aber es hat in dieser, symbolische Andeutungen häufenden Poesie nichts auffallendes, wenn das gleiche Motiv, in andrer Einkleidung, auch vorher schon einmal flüchtig anklingend verwendet wird. 3) Nonn. Dion. 6, 197 ff. 2) dieses Bewusstsein verdunkelt war. — Dem Ἴακχος der Eleusinien (auf den sich Orph. fr. 215, 2 bezieht) ist Zagreus-Dionysos nie gleichgesetzt worden (wiewohl oft Dionysos allein).

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/426>, abgerufen am 22.11.2024.