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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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und wer sie berührt hat, unrein auch das neugeborene Kind 1);
die Hochzeit umgiebt eine Reihe von Reinigungsriten; unrein
ist der Todte und alles was ihm nahegekommen ist. Ein sitt-
licher Makel ist ja gewiss bei diesen verbreitetsten und all-
täglichen Reinigungsacten nicht abzuwischen, nicht einmal
symbolisch. Ebensowenig wenn man nach einem schlimmen
Traumgesicht 2), beim Eintreten von Prodigien 3), nach Ueber-
stehung einer Krankheit, nach Berührung von Opfern für die
Unterirdischen, oder von Denkmälern der Todten, oder wenn

1) Daher an den amphidromia alle, die mit der maiosis zu thun gehabt
hatten, apokathairontai tas kheiras (Suid. s. amphidr.), aber auch das Kind
selbst lustrirt wird, indem man es laufend um den Altar und das Altar-
feuer herumträgt. Offenbar ein Rest von apotropiasmos kai katharsis des
Kindes durch heiliges Feuer, wovon sich noch manche Spuren erhalten
haben: s. Grimm D. Mythol.4 1, 520 (vgl. Tylor Primit. cult. 2, 390. 399).
-- Unreinheit der Wöchnerin bis zum 40. Tage nach der Geburt: s.
Welcker, Kl. Schr. 3, 197--199. -- Bei Geburt eines Kindes hing man
in Attika Kränze von Oelbaumzweigen oder Wollbinden (eria) an die
Hausthür, ähnlich wie man an die Thür des Hauses in dem eine Leiche
lag, Cypressenzweige stellte (oben p. 204, 1; zu kathartischen Zwecken
Schnüre von Meerzwiebeln an die Hausthüre hing, s. p. 363, 1): Hesych. s.
stephanon ekpherein. Beides lustrale Mittel. Olivenzweige beim katharmos:
Soph. O. C. 483 f. Virg. Aen. 6, 230. Wenn die Mutter dem ausgesetzten
Kinde einen Kranz aus Olivenzweigen mitgiebt (Eurip. Ion. 1436 ff.), so
ist dies ein apotropäisches Mittel so gut wie das Gorgonenhaupt auf dem
Gewebe, das sie ebenfalls (v. 1420 f.) dem Kinde mitgiebt (über dieses
s. O. Jahn, Bös. Blick 60). Die Olive ist auch den khthonioi heilig (darum
Lagerung der Leiche auf Olivenblättern: s. oben p. 209, 3 [so, wie es
scheint, schon in mykenäischen Gräbern, s. Tsuntas, Ephem. arkhaiol. 1888
p. 136]. tois apothanousin elaas sunekpherousi: Artemidor, onirocr. 4, 57
p. 236, 20. kotino kai tainia bekränzt die Göttin im Traum den Chios, und
weist den dem Tode Geweihten zu seinem mnema: Chion. epist. 17, 2) und
darum für Lustration und apotropiasmoi geeignet. Das Haus, in dem ein
Kind geboren war, galt also für der "Reinigung" bedürftig. Was man
aber hier als Unreinheit empfand, wird sehr deutlich ausgesprochen bei
Photius lex. s. Ramnos ; amiantos e pitta ; dio kai en tais genesesi ton pai-
dion (taute) khriousi tas oikias, eis apelasin daimonon (s. oben p. 217, 3).
Die Nähe dieser (chthonischen) daimones ist das Verunreinigende.
2) Aesch. Pers. 201 ff., 216 ff. Arist. Ran. 1340. Hippocr. de insomn.
II p. 10. 13 (Kühn) vgl. Becker, Charikles2 I 243.
3) Vgl. Plut. sept. sap. conv. 3 p. 149 D, und dazu Wyttenb. VI
p. 930 f.

und wer sie berührt hat, unrein auch das neugeborene Kind 1);
die Hochzeit umgiebt eine Reihe von Reinigungsriten; unrein
ist der Todte und alles was ihm nahegekommen ist. Ein sitt-
licher Makel ist ja gewiss bei diesen verbreitetsten und all-
täglichen Reinigungsacten nicht abzuwischen, nicht einmal
symbolisch. Ebensowenig wenn man nach einem schlimmen
Traumgesicht 2), beim Eintreten von Prodigien 3), nach Ueber-
stehung einer Krankheit, nach Berührung von Opfern für die
Unterirdischen, oder von Denkmälern der Todten, oder wenn

1) Daher an den ἀμφιδρόμια alle, die mit der μαίωσις zu thun gehabt
hatten, ἀποκαϑαίρονται τὰς χεῖρας (Suid. s. ἀμφιδρ.), aber auch das Kind
selbst lustrirt wird, indem man es laufend um den Altar und das Altar-
feuer herumträgt. Offenbar ein Rest von ἀποτροπιασμὸς καὶ κάϑαρσις des
Kindes durch heiliges Feuer, wovon sich noch manche Spuren erhalten
haben: s. Grimm D. Mythol.4 1, 520 (vgl. Tylor Primit. cult. 2, 390. 399).
— Unreinheit der Wöchnerin bis zum 40. Tage nach der Geburt: s.
Welcker, Kl. Schr. 3, 197—199. — Bei Geburt eines Kindes hing man
in Attika Kränze von Oelbaumzweigen oder Wollbinden (ἔρια) an die
Hausthür, ähnlich wie man an die Thür des Hauses in dem eine Leiche
lag, Cypressenzweige stellte (oben p. 204, 1; zu kathartischen Zwecken
Schnüre von Meerzwiebeln an die Hausthüre hing, s. p. 363, 1): Hesych. s.
στέφανον ἐκφέρειν. Beides lustrale Mittel. Olivenzweige beim καϑαρμός:
Soph. O. C. 483 f. Virg. Aen. 6, 230. Wenn die Mutter dem ausgesetzten
Kinde einen Kranz aus Olivenzweigen mitgiebt (Eurip. Ion. 1436 ff.), so
ist dies ein apotropäisches Mittel so gut wie das Gorgonenhaupt auf dem
Gewebe, das sie ebenfalls (v. 1420 f.) dem Kinde mitgiebt (über dieses
s. O. Jahn, Bös. Blick 60). Die Olive ist auch den χϑόνιοι heilig (darum
Lagerung der Leiche auf Olivenblättern: s. oben p. 209, 3 [so, wie es
scheint, schon in mykenäischen Gräbern, s. Tsuntas, Ἐφημ. ἀρχαιολ. 1888
p. 136]. τοῖς ἀποϑανοῦσιν ἐλάας συνεκφέρουσι: Artemidor, onirocr. 4, 57
p. 236, 20. κοτίνῳ καὶ ταινίᾳ bekränzt die Göttin im Traum den Chios, und
weist den dem Tode Geweihten zu seinem μνῆμα: Chion. epist. 17, 2) und
darum für Lustration und ἀποτροπιασμοί geeignet. Das Haus, in dem ein
Kind geboren war, galt also für der „Reinigung“ bedürftig. Was man
aber hier als Unreinheit empfand, wird sehr deutlich ausgesprochen bei
Photius lex. s. ῥάμνος · ἀμίαντος ἡ πίττα · διὸ καὶ ἐν ταῖς γενέσεσι τῶν παι-
δίων (ταύτῃ) χρίουσι τὰς ὀικίας, εἰς ἀπέλασιν δαιμόνων (s. oben p. 217, 3).
Die Nähe dieser (chthonischen) δαίμονες ist das Verunreinigende.
2) Aesch. Pers. 201 ff., 216 ff. Arist. Ran. 1340. Hippocr. de insomn.
II p. 10. 13 (Kühn) vgl. Becker, Charikles2 I 243.
3) Vgl. Plut. sept. sap. conv. 3 p. 149 D, und dazu Wyttenb. VI
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[360/0376] und wer sie berührt hat, unrein auch das neugeborene Kind 1); die Hochzeit umgiebt eine Reihe von Reinigungsriten; unrein ist der Todte und alles was ihm nahegekommen ist. Ein sitt- licher Makel ist ja gewiss bei diesen verbreitetsten und all- täglichen Reinigungsacten nicht abzuwischen, nicht einmal symbolisch. Ebensowenig wenn man nach einem schlimmen Traumgesicht 2), beim Eintreten von Prodigien 3), nach Ueber- stehung einer Krankheit, nach Berührung von Opfern für die Unterirdischen, oder von Denkmälern der Todten, oder wenn 1) Daher an den ἀμφιδρόμια alle, die mit der μαίωσις zu thun gehabt hatten, ἀποκαϑαίρονται τὰς χεῖρας (Suid. s. ἀμφιδρ.), aber auch das Kind selbst lustrirt wird, indem man es laufend um den Altar und das Altar- feuer herumträgt. Offenbar ein Rest von ἀποτροπιασμὸς καὶ κάϑαρσις des Kindes durch heiliges Feuer, wovon sich noch manche Spuren erhalten haben: s. Grimm D. Mythol.4 1, 520 (vgl. Tylor Primit. cult. 2, 390. 399). — Unreinheit der Wöchnerin bis zum 40. Tage nach der Geburt: s. Welcker, Kl. Schr. 3, 197—199. — Bei Geburt eines Kindes hing man in Attika Kränze von Oelbaumzweigen oder Wollbinden (ἔρια) an die Hausthür, ähnlich wie man an die Thür des Hauses in dem eine Leiche lag, Cypressenzweige stellte (oben p. 204, 1; zu kathartischen Zwecken Schnüre von Meerzwiebeln an die Hausthüre hing, s. p. 363, 1): Hesych. s. στέφανον ἐκφέρειν. Beides lustrale Mittel. Olivenzweige beim καϑαρμός: Soph. O. C. 483 f. Virg. Aen. 6, 230. Wenn die Mutter dem ausgesetzten Kinde einen Kranz aus Olivenzweigen mitgiebt (Eurip. Ion. 1436 ff.), so ist dies ein apotropäisches Mittel so gut wie das Gorgonenhaupt auf dem Gewebe, das sie ebenfalls (v. 1420 f.) dem Kinde mitgiebt (über dieses s. O. Jahn, Bös. Blick 60). Die Olive ist auch den χϑόνιοι heilig (darum Lagerung der Leiche auf Olivenblättern: s. oben p. 209, 3 [so, wie es scheint, schon in mykenäischen Gräbern, s. Tsuntas, Ἐφημ. ἀρχαιολ. 1888 p. 136]. τοῖς ἀποϑανοῦσιν ἐλάας συνεκφέρουσι: Artemidor, onirocr. 4, 57 p. 236, 20. κοτίνῳ καὶ ταινίᾳ bekränzt die Göttin im Traum den Chios, und weist den dem Tode Geweihten zu seinem μνῆμα: Chion. epist. 17, 2) und darum für Lustration und ἀποτροπιασμοί geeignet. Das Haus, in dem ein Kind geboren war, galt also für der „Reinigung“ bedürftig. Was man aber hier als Unreinheit empfand, wird sehr deutlich ausgesprochen bei Photius lex. s. ῥάμνος · ἀμίαντος ἡ πίττα · διὸ καὶ ἐν ταῖς γενέσεσι τῶν παι- δίων (ταύτῃ) χρίουσι τὰς ὀικίας, εἰς ἀπέλασιν δαιμόνων (s. oben p. 217, 3). Die Nähe dieser (chthonischen) δαίμονες ist das Verunreinigende. 2) Aesch. Pers. 201 ff., 216 ff. Arist. Ran. 1340. Hippocr. de insomn. II p. 10. 13 (Kühn) vgl. Becker, Charikles2 I 243. 3) Vgl. Plut. sept. sap. conv. 3 p. 149 D, und dazu Wyttenb. VI p. 930 f.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/376>, abgerufen am 22.11.2024.