men, und es hat sich in nachhomerischer Zeit die Sitte, Feste der Heroen, dann erst solche der Götter mit Wettspielen, die allmählich in regelmässiger Wiederholung gefeiert wurden, zu begehen, hervorgebildet eben aus dem Herkommen, mit Kampfspielen die Bestattungsfeier vornehmer Männer zu be- schliessen. Dass nun der Agon am Heroen- oder Götterfest einen Theil des Cultus des Gottes oder Heros ausmachte, ist unbezweifelt; man sollte vernünftiger Weise es ebenso unzweifel- haft finden, dass die nur einmal begangenen Leichenspiele bei der Bestattung eines fürstlichen Todten zum Cultus des Ver- storbenen gehörten, und dass man solchen Cultus eingesetzt haben kann nur zu einer Zeit, wo man der Seele, welcher die Feier galt, einen sinnlichen Mitgenuss an den Spielen zu- schrieb. Noch Homer hat das deutliche Bewusstsein, dass nicht reiner Ergötzlichkeit der Lebenden, sondern dem Todten die Spiele, wie andere Darbringungen auch, geweiht sind 1); wir dürfen uns der Meinung des Varro 2) anschliessen, dass Ver- storbene, denen man Leichenspiele widmete, damit ursprünglich wenn nicht als göttlich doch als gottähnlich gedacht bezeichnet sind. Allerdings konnte dieser Theil des alten Seelencultes seines wahren Sinnes am leichtesten entkleidet werden: er gefiel auch ohne das Bewusstsein seines religiösen Grundes; ebendarum blieb er länger als andere Begehungen in allgemeiner Uebung 3).
Nun aber, die ganze Reihe der zu Ehren der Seele des Patroklos vorgenommenen Begehungen überblickend, schliesse man aus all diesen gewaltigen Anstalten zur Befriedigung der
1) Vgl. Il. 23, 274: ei men nun epi allo aethleuoimen Akhaioi. Also: zu Ehren des Patroklos. 646: son etairon aethloisi ktereize. ktereizein heisst, dem Todten seine kterea, d. h. seine ehemaligen Besitzthümer (durch Verbrennung) mitgeben: die Leichenspiele werden also auf die gleiche Stufe gestellt wie die Verbrennung der einstigen Habe, an der die Seele des Verstorbenen auch ferner Genuss haben soll.
2) Augustin, Civ. Dei 8, 26: Varro dicit omnes mortuos existimari manes deos, et probat per ea sacra, quae omnibus fere mortuis exhibentur, ubi et ludos commemorat funebres, tanquam hoc sit maximum divinitatis indicium, quod non soleant ludi nisi numinibus celebrari.
3) S. Anhang 2.
2*
men, und es hat sich in nachhomerischer Zeit die Sitte, Feste der Heroen, dann erst solche der Götter mit Wettspielen, die allmählich in regelmässiger Wiederholung gefeiert wurden, zu begehen, hervorgebildet eben aus dem Herkommen, mit Kampfspielen die Bestattungsfeier vornehmer Männer zu be- schliessen. Dass nun der Agon am Heroen- oder Götterfest einen Theil des Cultus des Gottes oder Heros ausmachte, ist unbezweifelt; man sollte vernünftiger Weise es ebenso unzweifel- haft finden, dass die nur einmal begangenen Leichenspiele bei der Bestattung eines fürstlichen Todten zum Cultus des Ver- storbenen gehörten, und dass man solchen Cultus eingesetzt haben kann nur zu einer Zeit, wo man der Seele, welcher die Feier galt, einen sinnlichen Mitgenuss an den Spielen zu- schrieb. Noch Homer hat das deutliche Bewusstsein, dass nicht reiner Ergötzlichkeit der Lebenden, sondern dem Todten die Spiele, wie andere Darbringungen auch, geweiht sind 1); wir dürfen uns der Meinung des Varro 2) anschliessen, dass Ver- storbene, denen man Leichenspiele widmete, damit ursprünglich wenn nicht als göttlich doch als gottähnlich gedacht bezeichnet sind. Allerdings konnte dieser Theil des alten Seelencultes seines wahren Sinnes am leichtesten entkleidet werden: er gefiel auch ohne das Bewusstsein seines religiösen Grundes; ebendarum blieb er länger als andere Begehungen in allgemeiner Uebung 3).
Nun aber, die ganze Reihe der zu Ehren der Seele des Patroklos vorgenommenen Begehungen überblickend, schliesse man aus all diesen gewaltigen Anstalten zur Befriedigung der
1) Vgl. Il. 23, 274: εἰ μὲν νῦν ἐπὶ ἄλλῳ ἀεϑλεύοιμεν Ἀχαιοί. Also: zu Ehren des Patroklos. 646: σὸν ἑταῖρον ἀέϑλοισι κτερεΐζε. κτερεΐζειν heisst, dem Todten seine κτέρεα, d. h. seine ehemaligen Besitzthümer (durch Verbrennung) mitgeben: die Leichenspiele werden also auf die gleiche Stufe gestellt wie die Verbrennung der einstigen Habe, an der die Seele des Verstorbenen auch ferner Genuss haben soll.
2) Augustin, Civ. Dei 8, 26: Varro dicit omnes mortuos existimari manes deos, et probat per ea sacra, quae omnibus fere mortuis exhibentur, ubi et ludos commemorat funebres, tanquam hoc sit maximum divinitatis indicium, quod non soleant ludi nisi numinibus celebrari.
3) S. Anhang 2.
2*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0035"n="19"/>
men, und es hat sich in nachhomerischer Zeit die Sitte, Feste<lb/>
der Heroen, dann erst solche der Götter mit Wettspielen,<lb/>
die allmählich in regelmässiger Wiederholung gefeiert wurden,<lb/>
zu begehen, hervorgebildet eben aus dem Herkommen, mit<lb/>
Kampfspielen die Bestattungsfeier vornehmer Männer zu be-<lb/>
schliessen. Dass nun der Agon am Heroen- oder Götterfest<lb/>
einen Theil des <hirendition="#g">Cultus</hi> des Gottes oder Heros ausmachte, ist<lb/>
unbezweifelt; man sollte vernünftiger Weise es ebenso unzweifel-<lb/>
haft finden, dass die nur einmal begangenen Leichenspiele bei<lb/>
der Bestattung eines fürstlichen Todten zum <hirendition="#g">Cultus</hi> des Ver-<lb/>
storbenen gehörten, und dass man solchen Cultus eingesetzt<lb/>
haben kann nur zu einer Zeit, wo man der Seele, welcher<lb/>
die Feier galt, einen sinnlichen Mitgenuss an den Spielen zu-<lb/>
schrieb. Noch Homer hat das deutliche Bewusstsein, dass<lb/>
nicht reiner Ergötzlichkeit der Lebenden, sondern dem <hirendition="#g">Todten</hi><lb/>
die Spiele, wie andere Darbringungen auch, geweiht sind <noteplace="foot"n="1)">Vgl. Il. 23, 274: εἰμὲννῦνἐπὶἄλλῳἀεϑλεύοιμενἈχαιοί. Also:<lb/>
zu <hirendition="#g">Ehren</hi> des Patroklos. 646: σὸνἑταῖρονἀέϑλοισι<hirendition="#g">κτερεΐζε</hi>. κτερεΐζειν<lb/>
heisst, dem Todten seine κτέρεα, d. h. seine ehemaligen Besitzthümer<lb/>
(durch Verbrennung) mitgeben: die Leichenspiele werden also auf die<lb/>
gleiche Stufe gestellt wie die Verbrennung der einstigen Habe, an der<lb/>
die Seele des Verstorbenen auch ferner Genuss haben soll.</note>;<lb/>
wir dürfen uns der Meinung des Varro <noteplace="foot"n="2)">Augustin, <hirendition="#i">Civ. Dei</hi> 8, 26: <hirendition="#i">Varro dicit omnes mortuos existimari<lb/>
manes deos, et probat per ea sacra, quae omnibus fere mortuis exhibentur,<lb/>
ubi et ludos commemorat funebres, tanquam hoc sit maximum divinitatis<lb/>
indicium, quod non soleant ludi nisi numinibus celebrari.</hi></note> anschliessen, dass Ver-<lb/>
storbene, denen man Leichenspiele widmete, damit ursprünglich<lb/>
wenn nicht als göttlich doch als gottähnlich gedacht bezeichnet<lb/>
sind. Allerdings konnte dieser Theil des alten Seelencultes seines<lb/>
wahren Sinnes am leichtesten entkleidet werden: er gefiel auch<lb/>
ohne das Bewusstsein seines religiösen Grundes; ebendarum<lb/>
blieb er länger als andere Begehungen in allgemeiner Uebung <noteplace="foot"n="3)">S. Anhang 2.</note>.</p><lb/><p>Nun aber, die ganze Reihe der zu Ehren der Seele des<lb/>
Patroklos vorgenommenen Begehungen überblickend, schliesse<lb/>
man aus all diesen gewaltigen Anstalten zur Befriedigung der<lb/><fwplace="bottom"type="sig">2*</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[19/0035]
men, und es hat sich in nachhomerischer Zeit die Sitte, Feste
der Heroen, dann erst solche der Götter mit Wettspielen,
die allmählich in regelmässiger Wiederholung gefeiert wurden,
zu begehen, hervorgebildet eben aus dem Herkommen, mit
Kampfspielen die Bestattungsfeier vornehmer Männer zu be-
schliessen. Dass nun der Agon am Heroen- oder Götterfest
einen Theil des Cultus des Gottes oder Heros ausmachte, ist
unbezweifelt; man sollte vernünftiger Weise es ebenso unzweifel-
haft finden, dass die nur einmal begangenen Leichenspiele bei
der Bestattung eines fürstlichen Todten zum Cultus des Ver-
storbenen gehörten, und dass man solchen Cultus eingesetzt
haben kann nur zu einer Zeit, wo man der Seele, welcher
die Feier galt, einen sinnlichen Mitgenuss an den Spielen zu-
schrieb. Noch Homer hat das deutliche Bewusstsein, dass
nicht reiner Ergötzlichkeit der Lebenden, sondern dem Todten
die Spiele, wie andere Darbringungen auch, geweiht sind 1);
wir dürfen uns der Meinung des Varro 2) anschliessen, dass Ver-
storbene, denen man Leichenspiele widmete, damit ursprünglich
wenn nicht als göttlich doch als gottähnlich gedacht bezeichnet
sind. Allerdings konnte dieser Theil des alten Seelencultes seines
wahren Sinnes am leichtesten entkleidet werden: er gefiel auch
ohne das Bewusstsein seines religiösen Grundes; ebendarum
blieb er länger als andere Begehungen in allgemeiner Uebung 3).
Nun aber, die ganze Reihe der zu Ehren der Seele des
Patroklos vorgenommenen Begehungen überblickend, schliesse
man aus all diesen gewaltigen Anstalten zur Befriedigung der
1) Vgl. Il. 23, 274: εἰ μὲν νῦν ἐπὶ ἄλλῳ ἀεϑλεύοιμεν Ἀχαιοί. Also:
zu Ehren des Patroklos. 646: σὸν ἑταῖρον ἀέϑλοισι κτερεΐζε. κτερεΐζειν
heisst, dem Todten seine κτέρεα, d. h. seine ehemaligen Besitzthümer
(durch Verbrennung) mitgeben: die Leichenspiele werden also auf die
gleiche Stufe gestellt wie die Verbrennung der einstigen Habe, an der
die Seele des Verstorbenen auch ferner Genuss haben soll.
2) Augustin, Civ. Dei 8, 26: Varro dicit omnes mortuos existimari
manes deos, et probat per ea sacra, quae omnibus fere mortuis exhibentur,
ubi et ludos commemorat funebres, tanquam hoc sit maximum divinitatis
indicium, quod non soleant ludi nisi numinibus celebrari.
3) S. Anhang 2.
2*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/35>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.