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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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Wesens; eine Verzückung ergriff sie, in der sie "rasend, be-
sessen", sich und Anderen erschienen 1). Diese Ueberreizung der
Empfindung bis zu visionären Zuständen 2) bewirkten, bei hiefür
Empfänglichen, der rasende Tanzwirbel, die Musik, das Dunkel,
alle die Veranstaltungen dieses Aufregungscultes 3). Diese
äusserste Erregung war der Zweck, den man erreichen wollte.
Einen religiösen Sinn hatte die gewaltsam herbeigeführte Steige-
rung des Gefühls darin, dass nur durch solche Ueberspannung
und Ausweitung seines Wesens der Mensch in Verbindung und
Berührung treten zu können schien mit Wesen einer höheren
Ordnung, mit dem Gotte und seinen Geisterschaaren. Der
Gott ist unsichtbar anwesend unter seinen begeisterten Ver-
ehrern, oder er ist doch nahe, und das Getöse des Festes
dient, den Nahenden ganz heranzuziehen 4). Es gehen eigene

1) katokhai kai enthousiasmoi im thrakisch-makedonischen Dionysos-
dienst: Plut. Alex. 2 (Die Mimallones imitantur furorem Liberi. Schol.
Pers. 1, 99) oi to Sabazio katokhoi: Porphyr. bei Jamblich. de myst. 3, 9;
p. 117, 16. bakkhos ; o maniodes, Eustath. zu Odyss. 4, 249; 2, 16. Klodo-
nes heissen die mainades kai bakkhai apo tou katokhous ginomenas klozein:
Etym. M. 521, 50. oi katokhoi tois peri ton Dionuson orgiasmois. Plut. Is. et
Os
. 35.
2) oi bakkheuomenoi kai korubantiontes enthousiazousi mekhris an to po-
thoumenon idosin. Philo de vita contemplat. 2, p. 473 M.
3) Auch das wilde Schütteln und Umschwingen des Hauptes, das
durchaus, wie zahlreiche Dichterstellen und bildliche Darstellungen be-
weisen (Ripsaukheni sun klono Pind. fr. 208. krata seisai Eurip. Bacch. 178 etc.),
zum bakchischen Tanz und Cult gehört, musste (und sollte jedenfalls auch)
dazu beitragen, den Zustand der Verzückung und Raserei herbeizuführen.
(Wie allein schon ein solches lange fortgesetztes fanatisches Umwirbeln des
Kopfes, bei entsprechender Praedisposition des Geistes, zu völliger religiöser
ekstasis führen kann, lehrt ein nach Autopsie im Orient geschildertes
merkwürdiges Beispiel bei Moreau, du hachisch p. 290 ff.)
4) Der Sinn der trieterischen (alle zwei Jahre wiederholten)
Dionysosfeste an vielen Orten Griechenlands (vgl. Weniger, Dionysosdienst
in Elis
. Progr. 1883, p. 8) war die Feier der Anwesenheit des Gottes.
Dies spricht deutlich aus, zugleich auch den Thrakern trieterische
Dionysosfeste zuschreibend, Diodor. 4, 3, 2 f: tous Boiotous kai tous allous
Ellenas kai Thrakas -- katadeixai tas trieteridas thusias Dionuso kai
ton theon nomizein kata ton khronon touton poieisthai tas para tois anthropois
epiphaneias. Jungfrauen und Weiber feiern dann ten parousian tou

Wesens; eine Verzückung ergriff sie, in der sie „rasend, be-
sessen“, sich und Anderen erschienen 1). Diese Ueberreizung der
Empfindung bis zu visionären Zuständen 2) bewirkten, bei hiefür
Empfänglichen, der rasende Tanzwirbel, die Musik, das Dunkel,
alle die Veranstaltungen dieses Aufregungscultes 3). Diese
äusserste Erregung war der Zweck, den man erreichen wollte.
Einen religiösen Sinn hatte die gewaltsam herbeigeführte Steige-
rung des Gefühls darin, dass nur durch solche Ueberspannung
und Ausweitung seines Wesens der Mensch in Verbindung und
Berührung treten zu können schien mit Wesen einer höheren
Ordnung, mit dem Gotte und seinen Geisterschaaren. Der
Gott ist unsichtbar anwesend unter seinen begeisterten Ver-
ehrern, oder er ist doch nahe, und das Getöse des Festes
dient, den Nahenden ganz heranzuziehen 4). Es gehen eigene

1) κατοχαὶ καὶ ἐνϑουσιασμοί im thrakisch-makedonischen Dionysos-
dienst: Plut. Alex. 2 (Die Mimallones imitantur furorem Liberi. Schol.
Pers. 1, 99) οἱ τῷ Σαβαζίῳ κάτοχοι: Porphyr. bei Jamblich. de myst. 3, 9;
p. 117, 16. βάκχος · ὁ μανιώδης, Eustath. zu Odyss. 4, 249; 2, 16. Κλώδω-
νες heissen die μαινάδες καὶ βάκχαι ἀπὸ τοῦ κατόχους γινομένας κλώζειν:
Etym. M. 521, 50. οἱ κάτοχοι τοῖς περὶ τὸν Διόνυσον ὀργιασμοῖς. Plut. Is. et
Os
. 35.
2) οἱ βακχευόμενοι καὶ κορυβαντιῶντες ἐνϑουσιάζουσι μέχρις ἂν τὸ πο-
ϑούμενον ἴδωσιν. Philo de vita contemplat. 2, p. 473 M.
3) Auch das wilde Schütteln und Umschwingen des Hauptes, das
durchaus, wie zahlreiche Dichterstellen und bildliche Darstellungen be-
weisen (ῥιψαύχενι σὺν κλόνῳ Pind. fr. 208. κρᾶτα σεῖσαι Eurip. Bacch. 178 etc.),
zum bakchischen Tanz und Cult gehört, musste (und sollte jedenfalls auch)
dazu beitragen, den Zustand der Verzückung und Raserei herbeizuführen.
(Wie allein schon ein solches lange fortgesetztes fanatisches Umwirbeln des
Kopfes, bei entsprechender Praedisposition des Geistes, zu völliger religiöser
ἔκστασις führen kann, lehrt ein nach Autopsie im Orient geschildertes
merkwürdiges Beispiel bei Moreau, du hachisch p. 290 ff.)
4) Der Sinn der trieterischen (alle zwei Jahre wiederholten)
Dionysosfeste an vielen Orten Griechenlands (vgl. Weniger, Dionysosdienst
in Elis
. Progr. 1883, p. 8) war die Feier der Anwesenheit des Gottes.
Dies spricht deutlich aus, zugleich auch den Thrakern trieterische
Dionysosfeste zuschreibend, Diodor. 4, 3, 2 f: τοὺς Βοιωτοὺς καὶ τοὺς ἄλλους
Ἕλληνας καὶ Θρᾷκας — καταδεῖξαι τὰς τριετηρίδας ϑυσίας Διονύσῳ καὶ
τὸν ϑεὸν νομίζειν κατὰ τὸν χρόνον τοῦτον ποιεῖσϑαι τὰς παρὰ τοῖς ἀνϑρώποις
ἐπιφανείας. Jungfrauen und Weiber feiern dann τὴν παρουσίαν τοῦ
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[304/0320] Wesens; eine Verzückung ergriff sie, in der sie „rasend, be- sessen“, sich und Anderen erschienen 1). Diese Ueberreizung der Empfindung bis zu visionären Zuständen 2) bewirkten, bei hiefür Empfänglichen, der rasende Tanzwirbel, die Musik, das Dunkel, alle die Veranstaltungen dieses Aufregungscultes 3). Diese äusserste Erregung war der Zweck, den man erreichen wollte. Einen religiösen Sinn hatte die gewaltsam herbeigeführte Steige- rung des Gefühls darin, dass nur durch solche Ueberspannung und Ausweitung seines Wesens der Mensch in Verbindung und Berührung treten zu können schien mit Wesen einer höheren Ordnung, mit dem Gotte und seinen Geisterschaaren. Der Gott ist unsichtbar anwesend unter seinen begeisterten Ver- ehrern, oder er ist doch nahe, und das Getöse des Festes dient, den Nahenden ganz heranzuziehen 4). Es gehen eigene 1) κατοχαὶ καὶ ἐνϑουσιασμοί im thrakisch-makedonischen Dionysos- dienst: Plut. Alex. 2 (Die Mimallones imitantur furorem Liberi. Schol. Pers. 1, 99) οἱ τῷ Σαβαζίῳ κάτοχοι: Porphyr. bei Jamblich. de myst. 3, 9; p. 117, 16. βάκχος · ὁ μανιώδης, Eustath. zu Odyss. 4, 249; 2, 16. Κλώδω- νες heissen die μαινάδες καὶ βάκχαι ἀπὸ τοῦ κατόχους γινομένας κλώζειν: Etym. M. 521, 50. οἱ κάτοχοι τοῖς περὶ τὸν Διόνυσον ὀργιασμοῖς. Plut. Is. et Os. 35. 2) οἱ βακχευόμενοι καὶ κορυβαντιῶντες ἐνϑουσιάζουσι μέχρις ἂν τὸ πο- ϑούμενον ἴδωσιν. Philo de vita contemplat. 2, p. 473 M. 3) Auch das wilde Schütteln und Umschwingen des Hauptes, das durchaus, wie zahlreiche Dichterstellen und bildliche Darstellungen be- weisen (ῥιψαύχενι σὺν κλόνῳ Pind. fr. 208. κρᾶτα σεῖσαι Eurip. Bacch. 178 etc.), zum bakchischen Tanz und Cult gehört, musste (und sollte jedenfalls auch) dazu beitragen, den Zustand der Verzückung und Raserei herbeizuführen. (Wie allein schon ein solches lange fortgesetztes fanatisches Umwirbeln des Kopfes, bei entsprechender Praedisposition des Geistes, zu völliger religiöser ἔκστασις führen kann, lehrt ein nach Autopsie im Orient geschildertes merkwürdiges Beispiel bei Moreau, du hachisch p. 290 ff.) 4) Der Sinn der trieterischen (alle zwei Jahre wiederholten) Dionysosfeste an vielen Orten Griechenlands (vgl. Weniger, Dionysosdienst in Elis. Progr. 1883, p. 8) war die Feier der Anwesenheit des Gottes. Dies spricht deutlich aus, zugleich auch den Thrakern trieterische Dionysosfeste zuschreibend, Diodor. 4, 3, 2 f: τοὺς Βοιωτοὺς καὶ τοὺς ἄλλους Ἕλληνας καὶ Θρᾷκας — καταδεῖξαι τὰς τριετηρίδας ϑυσίας Διονύσῳ καὶ τὸν ϑεὸν νομίζειν κατὰ τὸν χρόνον τοῦτον ποιεῖσϑαι τὰς παρὰ τοῖς ἀνϑρώποις ἐπιφανείας. Jungfrauen und Weiber feiern dann τὴν παρουσίαν τοῦ

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/320>, abgerufen am 17.05.2024.