Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

von der uns später einige Proben begegnen werden. Wie derb
der Glaube sich gestalten konnte, zeigen zur Ueberraschung
deutlich gelegentliche Erwähnungen gewisser, in solchem Glauben
wurzelnder, völlig kannibalischer Gebräuche 1), die unter dem

1) Der Mörder schneidet dem Ermordeten einzelne Glieder ab und
hängt sie sich (so die besseren Quellen; nicht: dem Ermordeten) um den
Nacken, an einer Schnur aufgereiht, die er unter den Achseln durchzieht:
daher man das Ganze maskhalizein nennt. Der grässliche Brauch muss
gewöhnlich und allbekannt gewesen sein, sonst hätten die Zuschauer nicht
das kurze: emaskhalisthe verstanden, mit dem Aeschylus sich begnügt, um
eine solche Vornahme der Klytämnestra an dem ermordeten Agamemnon
anzudeuten: Choeph. 439. Darnach denn dasselbe bei Sophokles, El. 445
(vgl. Soph. en Troilo [fr. 566 N.], bei Suid. s. emaskhalisthe. Bei Suid.
wird zu schreiben sein: plere maskhalismaton eireke ton trakhelon
[maskhalismon, mit begreiflichem Versehen, die Hss.]). Genauere Beschrei-
bungen des maskhalismos geben Schol. Soph. El. 445, Aristoph. Byz.
bei Phot. (Suid.) s. maskhalismata. Bei Apollon. Rhod. Argon. 4, 477
heisst es von Iason, der den Apsyrtos getödtet hat: apargmata tamne
thanontos (apargmata ist ein, von der Analogie der Opferthiere genommenes,
Wort für diese maskhalismata; auch akroteriasmata. S. Schol. Apoll.;
vollständiger im Etym. M. 118, 22 ff. Ein dritter Name war tomia: Hesych.
s. v.). Der Zweck der Verstümmelung des Todten kann kein anderer
gewesen sein, als der, ihn auf diese Weise asthene pros to antitisasthai ton
phonea zu machen, wie Schol. Soph. El. 445 angiebt (uper tou ten menin
tou thanontos ekklinein, sagt zweideutig Aristoph.). Verstümmelungen des
Leibes übertragen sich auf die ausfahrende psukhe: das ist eine auch dem
Homer nicht fremde Vorstellung (vgl. z. B. Od. 11, 40 ff.). Der grie-
chische Mörder calculirt also nicht anders als der Australneger, der dem
getödteten Feind den Daumen der rechten Hand abschneidet, damit seine
Seele den Speer nicht mehr fassen könne (Spencer, Princ. d. Sociol.
p. 239). In Athen trug man beim Begräbniss eines Ermordeten, dem
ein Rächer aus der Verwandtschaft fehlte, einen Speer der Leiche voran,
und pflanzte diesen dann auf das Grab ([Demosth.] 47, 69. Eurip. Troad.
1137 f. Poll. 8, 65. Ister bei Etym. M. 354, 33 ff. Bekk. anecd. 237, 30 f.).
Der Zweck kann kaum ein anderer gewesen sein, als der, den Ermor-
deten selbst (da Niemand ihm boethei) aufzufordern, mit der Waffe sich
zu rächen. So pflanzte man bei den Tasmaniern einen Speer dem Todten
auf das Grab, damit er eine Waffe im Kampfe habe (Quatrefages, Hommes
fossiles et h. sauv.
p. 346). -- Das Umhängen des eigenen Nackens mit
einer Kette abgeschnittener Glieder erinnert an das im Alterthum sehr
übliche Behängen des Nackens der Kinder mit apotropäisch wirkenden
Gegenständen. Sollte die psukhe des Ermordeten zurückgeschreckt werden
durch solche von seinem eigenen Leibe genommene probaskania? -- Bei Soph.

von der uns später einige Proben begegnen werden. Wie derb
der Glaube sich gestalten konnte, zeigen zur Ueberraschung
deutlich gelegentliche Erwähnungen gewisser, in solchem Glauben
wurzelnder, völlig kannibalischer Gebräuche 1), die unter dem

1) Der Mörder schneidet dem Ermordeten einzelne Glieder ab und
hängt sie sich (so die besseren Quellen; nicht: dem Ermordeten) um den
Nacken, an einer Schnur aufgereiht, die er unter den Achseln durchzieht:
daher man das Ganze μασχαλίζειν nennt. Der grässliche Brauch muss
gewöhnlich und allbekannt gewesen sein, sonst hätten die Zuschauer nicht
das kurze: ἐμασχαλίσϑη verstanden, mit dem Aeschylus sich begnügt, um
eine solche Vornahme der Klytämnestra an dem ermordeten Agamemnon
anzudeuten: Choeph. 439. Darnach denn dasselbe bei Sophokles, El. 445
(vgl. Soph. ἐν Τρωίλῳ [fr. 566 N.], bei Suid. s. ἐμασχαλίσϑη. Bei Suid.
wird zu schreiben sein: πλήρη μασχαλισμάτων εἴρηκε τὸν τράχηλον
[μασχαλισμόν, mit begreiflichem Versehen, die Hss.]). Genauere Beschrei-
bungen des μασχαλισμός geben Schol. Soph. El. 445, Aristoph. Byz.
bei Phot. (Suid.) s. μασχαλίσματα. Bei Apollon. Rhod. Argon. 4, 477
heisst es von Iason, der den Apsyrtos getödtet hat: ἀπάργματα τάμνε
ϑανόντος (ἀπάργματα ist ein, von der Analogie der Opferthiere genommenes,
Wort für diese μασχαλίσματα; auch ἀκρωτηριάσματα. S. Schol. Apoll.;
vollständiger im Etym. M. 118, 22 ff. Ein dritter Name war τόμια: Hesych.
s. v.). Der Zweck der Verstümmelung des Todten kann kein anderer
gewesen sein, als der, ihn auf diese Weise ἀσϑενῆ πρὸς τὸ ἀντιτίσασϑαι τὸν
φονέα zu machen, wie Schol. Soph. El. 445 angiebt (ὑπὲρ τοῦ τὴν μῆνιν
τοῦ ϑανόντος ἐκκλίνειν, sagt zweideutig Aristoph.). Verstümmelungen des
Leibes übertragen sich auf die ausfahrende ψυχή: das ist eine auch dem
Homer nicht fremde Vorstellung (vgl. z. B. Od. 11, 40 ff.). Der grie-
chische Mörder calculirt also nicht anders als der Australneger, der dem
getödteten Feind den Daumen der rechten Hand abschneidet, damit seine
Seele den Speer nicht mehr fassen könne (Spencer, Princ. d. Sociol.
p. 239). In Athen trug man beim Begräbniss eines Ermordeten, dem
ein Rächer aus der Verwandtschaft fehlte, einen Speer der Leiche voran,
und pflanzte diesen dann auf das Grab ([Demosth.] 47, 69. Eurip. Troad.
1137 f. Poll. 8, 65. Ister bei Etym. M. 354, 33 ff. Bekk. anecd. 237, 30 f.).
Der Zweck kann kaum ein anderer gewesen sein, als der, den Ermor-
deten selbst (da Niemand ihm βοηϑεῖ) aufzufordern, mit der Waffe sich
zu rächen. So pflanzte man bei den Tasmaniern einen Speer dem Todten
auf das Grab, damit er eine Waffe im Kampfe habe (Quatrefages, Hommes
fossiles et h. sauv.
p. 346). — Das Umhängen des eigenen Nackens mit
einer Kette abgeschnittener Glieder erinnert an das im Alterthum sehr
übliche Behängen des Nackens der Kinder mit apotropäisch wirkenden
Gegenständen. Sollte die ψυχή des Ermordeten zurückgeschreckt werden
durch solche von seinem eigenen Leibe genommene προβασκάνια? — Bei Soph.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0269" n="253"/>
von der uns später einige Proben begegnen werden. Wie derb<lb/>
der Glaube sich gestalten konnte, zeigen zur Ueberraschung<lb/>
deutlich gelegentliche Erwähnungen gewisser, in solchem Glauben<lb/>
wurzelnder, völlig kannibalischer Gebräuche <note xml:id="seg2pn_81_1" next="#seg2pn_81_2" place="foot" n="1)">Der Mörder schneidet dem Ermordeten einzelne Glieder ab und<lb/>
hängt sie sich (so die besseren Quellen; nicht: dem Ermordeten) um den<lb/>
Nacken, an einer Schnur aufgereiht, die er unter den Achseln durchzieht:<lb/>
daher man das Ganze &#x03BC;&#x03B1;&#x03C3;&#x03C7;&#x03B1;&#x03BB;&#x03AF;&#x03B6;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD; nennt. Der grässliche Brauch muss<lb/>
gewöhnlich und allbekannt gewesen sein, sonst hätten die Zuschauer nicht<lb/>
das kurze: &#x1F10;&#x03BC;&#x03B1;&#x03C3;&#x03C7;&#x03B1;&#x03BB;&#x03AF;&#x03C3;&#x03D1;&#x03B7; verstanden, mit dem Aeschylus sich begnügt, um<lb/>
eine solche Vornahme der Klytämnestra an dem ermordeten Agamemnon<lb/>
anzudeuten: <hi rendition="#i">Choeph.</hi> 439. Darnach denn dasselbe bei Sophokles, <hi rendition="#i">El.</hi> 445<lb/>
(vgl. Soph. &#x1F10;&#x03BD; &#x03A4;&#x03C1;&#x03C9;&#x03AF;&#x03BB;&#x1FF3; [fr. 566 N.], bei Suid. s. &#x1F10;&#x03BC;&#x03B1;&#x03C3;&#x03C7;&#x03B1;&#x03BB;&#x03AF;&#x03C3;&#x03D1;&#x03B7;. Bei Suid.<lb/>
wird zu schreiben sein: &#x03C0;&#x03BB;&#x03AE;&#x03C1;&#x03B7; &#x03BC;&#x03B1;&#x03C3;&#x03C7;&#x03B1;&#x03BB;&#x03B9;&#x03C3;&#x03BC;&#x03AC;&#x03C4;&#x03C9;&#x03BD; &#x03B5;&#x1F34;&#x03C1;&#x03B7;&#x03BA;&#x03B5; &#x03C4;&#x1F78;&#x03BD; <hi rendition="#g">&#x03C4;&#x03C1;&#x03AC;&#x03C7;&#x03B7;&#x03BB;&#x03BF;&#x03BD;</hi><lb/>
[&#x03BC;&#x03B1;&#x03C3;&#x03C7;&#x03B1;&#x03BB;&#x03B9;&#x03C3;&#x03BC;&#x03CC;&#x03BD;, mit begreiflichem Versehen, die Hss.]). Genauere Beschrei-<lb/>
bungen des &#x03BC;&#x03B1;&#x03C3;&#x03C7;&#x03B1;&#x03BB;&#x03B9;&#x03C3;&#x03BC;&#x03CC;&#x03C2; geben Schol. Soph. <hi rendition="#i">El.</hi> 445, Aristoph. Byz.<lb/>
bei Phot. (Suid.) s. &#x03BC;&#x03B1;&#x03C3;&#x03C7;&#x03B1;&#x03BB;&#x03AF;&#x03C3;&#x03BC;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1;. Bei Apollon. Rhod. <hi rendition="#i">Argon.</hi> 4, 477<lb/>
heisst es von Iason, der den Apsyrtos getödtet hat: &#x1F00;&#x03C0;&#x03AC;&#x03C1;&#x03B3;&#x03BC;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1; &#x03C4;&#x03AC;&#x03BC;&#x03BD;&#x03B5;<lb/>
&#x03D1;&#x03B1;&#x03BD;&#x03CC;&#x03BD;&#x03C4;&#x03BF;&#x03C2; (&#x1F00;&#x03C0;&#x03AC;&#x03C1;&#x03B3;&#x03BC;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1; ist ein, von der Analogie der Opferthiere genommenes,<lb/>
Wort für diese &#x03BC;&#x03B1;&#x03C3;&#x03C7;&#x03B1;&#x03BB;&#x03AF;&#x03C3;&#x03BC;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1;; auch &#x1F00;&#x03BA;&#x03C1;&#x03C9;&#x03C4;&#x03B7;&#x03C1;&#x03B9;&#x03AC;&#x03C3;&#x03BC;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1;. S. Schol. Apoll.;<lb/>
vollständiger im Etym. M. 118, 22 ff. Ein dritter Name war &#x03C4;&#x03CC;&#x03BC;&#x03B9;&#x03B1;: Hesych.<lb/>
s. v.). Der <hi rendition="#g">Zweck</hi> der Verstümmelung des Todten kann kein anderer<lb/>
gewesen sein, als der, ihn auf diese Weise &#x1F00;&#x03C3;&#x03D1;&#x03B5;&#x03BD;&#x1FC6; &#x03C0;&#x03C1;&#x1F78;&#x03C2; &#x03C4;&#x1F78; &#x1F00;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B9;&#x03C4;&#x03AF;&#x03C3;&#x03B1;&#x03C3;&#x03D1;&#x03B1;&#x03B9; &#x03C4;&#x1F78;&#x03BD;<lb/>
&#x03C6;&#x03BF;&#x03BD;&#x03AD;&#x03B1; zu machen, wie Schol. Soph. <hi rendition="#i">El.</hi> 445 angiebt (&#x1F51;&#x03C0;&#x1F72;&#x03C1; &#x03C4;&#x03BF;&#x1FE6; &#x03C4;&#x1F74;&#x03BD; &#x03BC;&#x1FC6;&#x03BD;&#x03B9;&#x03BD;<lb/>
&#x03C4;&#x03BF;&#x1FE6; &#x03D1;&#x03B1;&#x03BD;&#x03CC;&#x03BD;&#x03C4;&#x03BF;&#x03C2; &#x1F10;&#x03BA;&#x03BA;&#x03BB;&#x03AF;&#x03BD;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD;, sagt zweideutig Aristoph.). Verstümmelungen des<lb/>
Leibes übertragen sich auf die ausfahrende &#x03C8;&#x03C5;&#x03C7;&#x03AE;: das ist eine auch dem<lb/>
Homer nicht fremde Vorstellung (vgl. z. B. Od. 11, 40 ff.). Der grie-<lb/>
chische Mörder calculirt also nicht anders als der Australneger, der dem<lb/>
getödteten Feind den Daumen der rechten Hand abschneidet, damit seine<lb/>
Seele den Speer nicht mehr fassen könne (Spencer, <hi rendition="#i">Princ. d. Sociol.</hi><lb/>
p. 239). In Athen trug man beim Begräbniss eines Ermordeten, dem<lb/>
ein Rächer aus der Verwandtschaft fehlte, einen Speer der Leiche voran,<lb/>
und pflanzte diesen dann auf das Grab ([Demosth.] 47, 69. Eurip. <hi rendition="#i">Troad.</hi><lb/>
1137 f. Poll. 8, 65. Ister bei Etym. M. 354, 33 ff. Bekk. <hi rendition="#i">anecd.</hi> 237, 30 f.).<lb/>
Der Zweck kann kaum ein anderer gewesen sein, als der, den Ermor-<lb/>
deten selbst (da Niemand ihm &#x03B2;&#x03BF;&#x03B7;&#x03D1;&#x03B5;&#x1FD6;) aufzufordern, mit der Waffe sich<lb/>
zu rächen. So pflanzte man bei den Tasmaniern einen Speer dem Todten<lb/>
auf das Grab, damit er eine Waffe im Kampfe habe (Quatrefages, <hi rendition="#i">Hommes<lb/>
fossiles et h. sauv.</hi> p. 346). &#x2014; Das Umhängen des eigenen Nackens mit<lb/>
einer Kette abgeschnittener Glieder erinnert an das im Alterthum sehr<lb/>
übliche Behängen des Nackens der Kinder mit apotropäisch wirkenden<lb/>
Gegenständen. Sollte die &#x03C8;&#x03C5;&#x03C7;&#x03AE; des Ermordeten zurückgeschreckt werden<lb/>
durch solche von seinem eigenen Leibe genommene &#x03C0;&#x03C1;&#x03BF;&#x03B2;&#x03B1;&#x03C3;&#x03BA;&#x03AC;&#x03BD;&#x03B9;&#x03B1;? &#x2014; Bei Soph.</note>, die unter dem<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[253/0269] von der uns später einige Proben begegnen werden. Wie derb der Glaube sich gestalten konnte, zeigen zur Ueberraschung deutlich gelegentliche Erwähnungen gewisser, in solchem Glauben wurzelnder, völlig kannibalischer Gebräuche 1), die unter dem 1) Der Mörder schneidet dem Ermordeten einzelne Glieder ab und hängt sie sich (so die besseren Quellen; nicht: dem Ermordeten) um den Nacken, an einer Schnur aufgereiht, die er unter den Achseln durchzieht: daher man das Ganze μασχαλίζειν nennt. Der grässliche Brauch muss gewöhnlich und allbekannt gewesen sein, sonst hätten die Zuschauer nicht das kurze: ἐμασχαλίσϑη verstanden, mit dem Aeschylus sich begnügt, um eine solche Vornahme der Klytämnestra an dem ermordeten Agamemnon anzudeuten: Choeph. 439. Darnach denn dasselbe bei Sophokles, El. 445 (vgl. Soph. ἐν Τρωίλῳ [fr. 566 N.], bei Suid. s. ἐμασχαλίσϑη. Bei Suid. wird zu schreiben sein: πλήρη μασχαλισμάτων εἴρηκε τὸν τράχηλον [μασχαλισμόν, mit begreiflichem Versehen, die Hss.]). Genauere Beschrei- bungen des μασχαλισμός geben Schol. Soph. El. 445, Aristoph. Byz. bei Phot. (Suid.) s. μασχαλίσματα. Bei Apollon. Rhod. Argon. 4, 477 heisst es von Iason, der den Apsyrtos getödtet hat: ἀπάργματα τάμνε ϑανόντος (ἀπάργματα ist ein, von der Analogie der Opferthiere genommenes, Wort für diese μασχαλίσματα; auch ἀκρωτηριάσματα. S. Schol. Apoll.; vollständiger im Etym. M. 118, 22 ff. Ein dritter Name war τόμια: Hesych. s. v.). Der Zweck der Verstümmelung des Todten kann kein anderer gewesen sein, als der, ihn auf diese Weise ἀσϑενῆ πρὸς τὸ ἀντιτίσασϑαι τὸν φονέα zu machen, wie Schol. Soph. El. 445 angiebt (ὑπὲρ τοῦ τὴν μῆνιν τοῦ ϑανόντος ἐκκλίνειν, sagt zweideutig Aristoph.). Verstümmelungen des Leibes übertragen sich auf die ausfahrende ψυχή: das ist eine auch dem Homer nicht fremde Vorstellung (vgl. z. B. Od. 11, 40 ff.). Der grie- chische Mörder calculirt also nicht anders als der Australneger, der dem getödteten Feind den Daumen der rechten Hand abschneidet, damit seine Seele den Speer nicht mehr fassen könne (Spencer, Princ. d. Sociol. p. 239). In Athen trug man beim Begräbniss eines Ermordeten, dem ein Rächer aus der Verwandtschaft fehlte, einen Speer der Leiche voran, und pflanzte diesen dann auf das Grab ([Demosth.] 47, 69. Eurip. Troad. 1137 f. Poll. 8, 65. Ister bei Etym. M. 354, 33 ff. Bekk. anecd. 237, 30 f.). Der Zweck kann kaum ein anderer gewesen sein, als der, den Ermor- deten selbst (da Niemand ihm βοηϑεῖ) aufzufordern, mit der Waffe sich zu rächen. So pflanzte man bei den Tasmaniern einen Speer dem Todten auf das Grab, damit er eine Waffe im Kampfe habe (Quatrefages, Hommes fossiles et h. sauv. p. 346). — Das Umhängen des eigenen Nackens mit einer Kette abgeschnittener Glieder erinnert an das im Alterthum sehr übliche Behängen des Nackens der Kinder mit apotropäisch wirkenden Gegenständen. Sollte die ψυχή des Ermordeten zurückgeschreckt werden durch solche von seinem eigenen Leibe genommene προβασκάνια? — Bei Soph.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/269
Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/269>, abgerufen am 22.05.2024.