Der Garten ist sehr schön geschmückt! Hier Statuen und dort Cascaden; Die ganze Götterzunft, hier Faunen, dort Najaden, Und schöne Nymphen, die sich baden: Und Sand, vom Ganges hergeschickt, Und Muschelwerk und güldne Vasen, Und Porcelan auf ausgeschnittnen Rasen, Und buntes Gitterwerk, und -- eines such ich nur -- Ists möglich, daß was fehlt? Nichts wei- ter -- die Natur! Weiße.
Der größte Misbrauch, den man von der Kunst gemacht, war gewiß der, da sie Gegen- stände der Natur unter gewisse Regeln zwin- gen wollte, die sich am wenigsten auf sie an- wenden lassen." Es ist nicht zu längnen, daß man vielleicht bey der Beurtheilung des ältern Gartengeschmacks oft zu streng ist, und gewis- se Grundsätze davon verwirft, die, genau untersucht, nicht ganz verwerflich sind; daß man in unsern Zeiten, aus Vorurtheil für die Neuern, oft die rohe Natur zu sehr auf Kosten der schönen aufsuchet, ein Fehler, der in un- serm Zeitalter ziemlich allgemein wird, und den schönen Künsten Gefahr drohet. Ich werde unten, bey dem neuern Gartensysteme, mich hierüber weiter erklären.
Ich habe oben bemerkt, daß im sechzehn- den Jahrhunderte vorzüglich der italienische
Garten
Der Garten iſt ſehr ſchoͤn geſchmuͤckt! Hier Statuen und dort Caſcaden; Die ganze Goͤtterzunft, hier Faunen, dort Najaden, Und ſchoͤne Nymphen, die ſich baden: Und Sand, vom Ganges hergeſchickt, Und Muſchelwerk und guͤldne Vaſen, Und Porcelan auf ausgeſchnittnen Raſen, Und buntes Gitterwerk, und — eines ſuch ich nur — Iſts moͤglich, daß was fehlt? Nichts wei- ter — die Natur! Weiße.
Der groͤßte Misbrauch, den man von der Kunſt gemacht, war gewiß der, da ſie Gegen- ſtaͤnde der Natur unter gewiſſe Regeln zwin- gen wollte, die ſich am wenigſten auf ſie an- wenden laſſen.“ Es iſt nicht zu laͤngnen, daß man vielleicht bey der Beurtheilung des aͤltern Gartengeſchmacks oft zu ſtreng iſt, und gewiſ- ſe Grundſaͤtze davon verwirft, die, genau unterſucht, nicht ganz verwerflich ſind; daß man in unſern Zeiten, aus Vorurtheil fuͤr die Neuern, oft die rohe Natur zu ſehr auf Koſten der ſchoͤnen aufſuchet, ein Fehler, der in un- ſerm Zeitalter ziemlich allgemein wird, und den ſchoͤnen Kuͤnſten Gefahr drohet. Ich werde unten, bey dem neuern Gartenſyſteme, mich hieruͤber weiter erklaͤren.
Ich habe oben bemerkt, daß im ſechzehn- den Jahrhunderte vorzuͤglich der italieniſche
Garten
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Der Garten iſt ſehr ſchoͤn geſchmuͤckt!
Hier Statuen und dort Caſcaden;
Die ganze Goͤtterzunft, hier Faunen, dort
Najaden,
Und ſchoͤne Nymphen, die ſich baden:
Und Sand, vom Ganges hergeſchickt,
Und Muſchelwerk und guͤldne Vaſen,
Und Porcelan auf ausgeſchnittnen Raſen,
Und buntes Gitterwerk, und — eines ſuch
ich nur —
Iſts moͤglich, daß was fehlt? Nichts wei-
ter — die Natur!
Weiße.
Der groͤßte Misbrauch, den man von der
Kunſt gemacht, war gewiß der, da ſie Gegen-
ſtaͤnde der Natur unter gewiſſe Regeln zwin-
gen wollte, die ſich am wenigſten auf ſie an-
wenden laſſen.“ Es iſt nicht zu laͤngnen, daß
man vielleicht bey der Beurtheilung des aͤltern
Gartengeſchmacks oft zu ſtreng iſt, und gewiſ-
ſe Grundſaͤtze davon verwirft, die, genau
unterſucht, nicht ganz verwerflich ſind; daß
man in unſern Zeiten, aus Vorurtheil fuͤr die
Neuern, oft die rohe Natur zu ſehr auf Koſten
der ſchoͤnen aufſuchet, ein Fehler, der in un-
ſerm Zeitalter ziemlich allgemein wird, und
den ſchoͤnen Kuͤnſten Gefahr drohet. Ich
werde unten, bey dem neuern Gartenſyſteme,
mich hieruͤber weiter erklaͤren.
Ich habe oben bemerkt, daß im ſechzehn-
den Jahrhunderte vorzuͤglich der italieniſche
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Rössig, Carl Gottlob: Versuch einer pragmatischen Geschichte der Ökonomie- Polizey- und Cameralwissenschaften. Deutschland. Bd. 2,1. Leipzig, 1782, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roessig_oekonomie02_1782/70>, abgerufen am 24.11.2024.
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