Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.Bestucheff, der standhafte Vertreter des Bundes Rußlands mit Frankreich und Preußen hatten begreiflich das größte In- Beſtucheff, der ſtandhafte Vertreter des Bundes Rußlands mit Frankreich und Preußen hatten begreiflich das größte In- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0084" n="70"/> Beſtucheff, der ſtandhafte Vertreter des Bundes Rußlands mit<lb/> Öſtreich, einen allgemeinen Angriffskrieg gegen Friedrich <hi rendition="#aq">II.</hi><lb/> plante, und in Folge des gehofften Sieges das eroberte Oſtpreußen<lb/> den Polen gegen Entſchädigung durch die Abtretung öſtlicher<lb/> Landſtriche der Republik abzutreten gedachte, fällt für dieſe<lb/> Auffaſſung ins Gewicht, da die „Familie“ in ihrer Politik ſich<lb/> zu Rußland ſtetig hielt. Es verhalte ſich indeß hiemit, wie es<lb/> wolle: jedenfalls fand Poniatowski’s Mahnung diesmal keinen<lb/> ganz unfruchtbaren Boden. Auf dem Reichstage fielen die<lb/> Vota der Senatoren einſtimmiger als jemals für die Ver-<lb/> mehrung des Heeres. „Es iſt beſſer“ — rief Waclaw Rze-<lb/> wuski, der Woiwode von Podolien, aus — „die Rauchfangſteuer<lb/> zu bezahlen, als in Rauch aufzugehen; beſſer die Trankſteuer<lb/> zu bezahlen, als den letzten Schilling zu verlieren; beſſer Kopf-<lb/> geld zu entrichten, als den eignen Kopf herzugeben.“ Andere,<lb/> welche die Pläne des Hofes kennen mochten, gingen noch weiter.<lb/> Sie forderten einen allgemeinen Aufſitz des Adels, und der<lb/> Woiwode von Krakau, Fürſt Lubomirski, erklärte, er ſei bereit<lb/> 12,000 Mann zum Dienſt für Maria Thereſia zu ſtellen.<lb/> So weit gingen freilich die Landboten nicht. Viele erklärten,<lb/> daß ſie zwar die Vermehrung des Heeres, keineswegs aber<lb/> den Abſchluß neuer Allianzen oder gar einen Krieg wollten.<lb/> Mehrere der öſtlichen Provinzen boten freilich große Summen<lb/> an. Man verhandelte lange in aller Einigkeit über verſchiedene<lb/> Vorſchläge zur Aufbringung der financiellen Mittel, über deren<lb/> Vertheilung auf die einzelnen Woiwodſchaften, wie über die<lb/> Zahl und Organiſation der neuen Regimenter. Vor allem<lb/> bemühte ſich der Kardinal Lipski, Biſchof von Krakau, der<lb/> Auguſt <hi rendition="#aq">III.</hi> gekrönt hatte, auf alle Weiſe die Eintracht unter<lb/> den Gemüthern herzuſtellen und zu erhalten. Da trat plötzlich<lb/> ein Zwiſchenfall ein, der alles vereitelte.</p><lb/> <p>Frankreich und Preußen hatten begreiflich das größte In-<lb/> tereſſe daran, daß der Plan des Hofes, die Republik in den<lb/> Krieg gegen ſie fortzureißen, nicht gelänge. Ihre Geſandten in<lb/> Warſchau arbeiteten daher von vornherein auf eine Zerreißung<lb/> des Reichstages und fanden an den Führern der Oppoſition,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [70/0084]
Beſtucheff, der ſtandhafte Vertreter des Bundes Rußlands mit
Öſtreich, einen allgemeinen Angriffskrieg gegen Friedrich II.
plante, und in Folge des gehofften Sieges das eroberte Oſtpreußen
den Polen gegen Entſchädigung durch die Abtretung öſtlicher
Landſtriche der Republik abzutreten gedachte, fällt für dieſe
Auffaſſung ins Gewicht, da die „Familie“ in ihrer Politik ſich
zu Rußland ſtetig hielt. Es verhalte ſich indeß hiemit, wie es
wolle: jedenfalls fand Poniatowski’s Mahnung diesmal keinen
ganz unfruchtbaren Boden. Auf dem Reichstage fielen die
Vota der Senatoren einſtimmiger als jemals für die Ver-
mehrung des Heeres. „Es iſt beſſer“ — rief Waclaw Rze-
wuski, der Woiwode von Podolien, aus — „die Rauchfangſteuer
zu bezahlen, als in Rauch aufzugehen; beſſer die Trankſteuer
zu bezahlen, als den letzten Schilling zu verlieren; beſſer Kopf-
geld zu entrichten, als den eignen Kopf herzugeben.“ Andere,
welche die Pläne des Hofes kennen mochten, gingen noch weiter.
Sie forderten einen allgemeinen Aufſitz des Adels, und der
Woiwode von Krakau, Fürſt Lubomirski, erklärte, er ſei bereit
12,000 Mann zum Dienſt für Maria Thereſia zu ſtellen.
So weit gingen freilich die Landboten nicht. Viele erklärten,
daß ſie zwar die Vermehrung des Heeres, keineswegs aber
den Abſchluß neuer Allianzen oder gar einen Krieg wollten.
Mehrere der öſtlichen Provinzen boten freilich große Summen
an. Man verhandelte lange in aller Einigkeit über verſchiedene
Vorſchläge zur Aufbringung der financiellen Mittel, über deren
Vertheilung auf die einzelnen Woiwodſchaften, wie über die
Zahl und Organiſation der neuen Regimenter. Vor allem
bemühte ſich der Kardinal Lipski, Biſchof von Krakau, der
Auguſt III. gekrönt hatte, auf alle Weiſe die Eintracht unter
den Gemüthern herzuſtellen und zu erhalten. Da trat plötzlich
ein Zwiſchenfall ein, der alles vereitelte.
Frankreich und Preußen hatten begreiflich das größte In-
tereſſe daran, daß der Plan des Hofes, die Republik in den
Krieg gegen ſie fortzureißen, nicht gelänge. Ihre Geſandten in
Warſchau arbeiteten daher von vornherein auf eine Zerreißung
des Reichstages und fanden an den Führern der Oppoſition,
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