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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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Von dieser Sorge frei verfolgte Brühl seine wechselvolle
Politik. Nachdem er sich mit Frankreich und Baiern geeinigt,
nahm er an der Kaiserwahl Karl Albrechts von Baiern Theil
(24. Januar 1742). Gleich darauf aber lenkte er wieder in
eine andere Bahn ein. Obwohl er im Frühjahre die säch-
sischen Truppen zu dem Einfall Friedrichs in Mähren mit den
preußischen sich vereinigen ließ, scheiterte doch dies Unternehmen
wesentlich an seinem Mißtrauen gegen Preußen. Noch bevor
der Friede Friedrichs mit Östreich ratificirt war (28. Juli),
schloß er für Sachsen ab (23. Juli) und ging dann mit vollen
Segeln ins östreichische Lage hinüber. Seit dem Frieden mit
Preußen war das Kriegsglück den Östreichern gegen Baiern
und Franzosen hold, und die Aussicht im Bunde mit dem
Sieger Gewinn für Sachsen machen zu können, zu lockend, als
daß er ihr wiederstehen konnte. Dazu gab England ihm Gold,
Maria Theresia reiche Güter in Böhmen. Am 20. December
1743 schloß er in Wien einen Vertrag mit Östreich, in welchem
er die pragmatische Sanction, ohne den Breslauer Frieden
auszunehmen, von neuem garantirte. Der Vertrag war gegen
Preußen gerichtet, und als Friedrich von neuem sich zum An-
griff gegen Östreich erhebend, im August 1744 durch Sachsen
nach Böhmen rückte, ließ August III. 20,000 Mann seiner
Truppen sich mit den Östreichern vereinigen und versuchte
gleich darauf, "fast öffentlich" 1), auch die Republick in den
Krieg gegen Preußen hereinzuziehen.

In dem Ausschreiben nämlich, durch welches er den Reichs-
tag auf den 5. Oktober 1744 nach Grodno berief, empfahl er
neben einer Reform der Geschäftsordnung der Reichstage und
der Verbesserung der Lage des "leidenden Volks", die Ver-
mehrung des Heeres
als einen Hauptgegenstand der Be-
rathung. Daß aber auch die Familie hiemit, bis auf einen ge-

in Polen entierement ferme la bouche au petit nombre de clabadeurs,
qui auroient voulu grouiller
. Ebendas. S. 456.
1) Ausdruck Friedrichs II. in einem Schreiben an den Krongroßfeld-
herrn vom 5. Juni 1745. S. Adelung, Pragmatische Staatsgeschichte
IV, 411.
Roepell, Polen im 18. Jahrhundert. 5

Von dieſer Sorge frei verfolgte Brühl ſeine wechſelvolle
Politik. Nachdem er ſich mit Frankreich und Baiern geeinigt,
nahm er an der Kaiſerwahl Karl Albrechts von Baiern Theil
(24. Januar 1742). Gleich darauf aber lenkte er wieder in
eine andere Bahn ein. Obwohl er im Frühjahre die ſäch-
ſiſchen Truppen zu dem Einfall Friedrichs in Mähren mit den
preußiſchen ſich vereinigen ließ, ſcheiterte doch dies Unternehmen
weſentlich an ſeinem Mißtrauen gegen Preußen. Noch bevor
der Friede Friedrichs mit Öſtreich ratificirt war (28. Juli),
ſchloß er für Sachſen ab (23. Juli) und ging dann mit vollen
Segeln ins öſtreichiſche Lage hinüber. Seit dem Frieden mit
Preußen war das Kriegsglück den Öſtreichern gegen Baiern
und Franzoſen hold, und die Ausſicht im Bunde mit dem
Sieger Gewinn für Sachſen machen zu können, zu lockend, als
daß er ihr wiederſtehen konnte. Dazu gab England ihm Gold,
Maria Thereſia reiche Güter in Böhmen. Am 20. December
1743 ſchloß er in Wien einen Vertrag mit Öſtreich, in welchem
er die pragmatiſche Sanction, ohne den Breslauer Frieden
auszunehmen, von neuem garantirte. Der Vertrag war gegen
Preußen gerichtet, und als Friedrich von neuem ſich zum An-
griff gegen Öſtreich erhebend, im Auguſt 1744 durch Sachſen
nach Böhmen rückte, ließ Auguſt III. 20,000 Mann ſeiner
Truppen ſich mit den Öſtreichern vereinigen und verſuchte
gleich darauf, „faſt öffentlich1), auch die Republick in den
Krieg gegen Preußen hereinzuziehen.

In dem Ausſchreiben nämlich, durch welches er den Reichs-
tag auf den 5. Oktober 1744 nach Grodno berief, empfahl er
neben einer Reform der Geſchäftsordnung der Reichstage und
der Verbeſſerung der Lage des „leidenden Volks“, die Ver-
mehrung des Heeres
als einen Hauptgegenſtand der Be-
rathung. Daß aber auch die Familie hiemit, bis auf einen ge-

in Polen entièrement fermè la bouche au petit nombre de clabadeurs,
qui auroient voulu grouiller
. Ebendaſ. S. 456.
1) Ausdruck Friedrichs II. in einem Schreiben an den Krongroßfeld-
herrn vom 5. Juni 1745. S. Adelung, Pragmatiſche Staatsgeſchichte
IV, 411.
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[65/0079] Von dieſer Sorge frei verfolgte Brühl ſeine wechſelvolle Politik. Nachdem er ſich mit Frankreich und Baiern geeinigt, nahm er an der Kaiſerwahl Karl Albrechts von Baiern Theil (24. Januar 1742). Gleich darauf aber lenkte er wieder in eine andere Bahn ein. Obwohl er im Frühjahre die ſäch- ſiſchen Truppen zu dem Einfall Friedrichs in Mähren mit den preußiſchen ſich vereinigen ließ, ſcheiterte doch dies Unternehmen weſentlich an ſeinem Mißtrauen gegen Preußen. Noch bevor der Friede Friedrichs mit Öſtreich ratificirt war (28. Juli), ſchloß er für Sachſen ab (23. Juli) und ging dann mit vollen Segeln ins öſtreichiſche Lage hinüber. Seit dem Frieden mit Preußen war das Kriegsglück den Öſtreichern gegen Baiern und Franzoſen hold, und die Ausſicht im Bunde mit dem Sieger Gewinn für Sachſen machen zu können, zu lockend, als daß er ihr wiederſtehen konnte. Dazu gab England ihm Gold, Maria Thereſia reiche Güter in Böhmen. Am 20. December 1743 ſchloß er in Wien einen Vertrag mit Öſtreich, in welchem er die pragmatiſche Sanction, ohne den Breslauer Frieden auszunehmen, von neuem garantirte. Der Vertrag war gegen Preußen gerichtet, und als Friedrich von neuem ſich zum An- griff gegen Öſtreich erhebend, im Auguſt 1744 durch Sachſen nach Böhmen rückte, ließ Auguſt III. 20,000 Mann ſeiner Truppen ſich mit den Öſtreichern vereinigen und verſuchte gleich darauf, „faſt öffentlich“ 1), auch die Republick in den Krieg gegen Preußen hereinzuziehen. In dem Ausſchreiben nämlich, durch welches er den Reichs- tag auf den 5. Oktober 1744 nach Grodno berief, empfahl er neben einer Reform der Geſchäftsordnung der Reichstage und der Verbeſſerung der Lage des „leidenden Volks“, die Ver- mehrung des Heeres als einen Hauptgegenſtand der Be- rathung. Daß aber auch die Familie hiemit, bis auf einen ge- 2) 1) Ausdruck Friedrichs II. in einem Schreiben an den Krongroßfeld- herrn vom 5. Juni 1745. S. Adelung, Pragmatiſche Staatsgeſchichte IV, 411. 2) in Polen entièrement fermè la bouche au petit nombre de clabadeurs, qui auroient voulu grouiller. Ebendaſ. S. 456. Roepell, Polen im 18. Jahrhundert. 5

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/79>, abgerufen am 02.05.2024.