Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876."Die Potocki konnten bei dieser Lage der Dinge meinem Bru- "Meine Familie mußte daher zu ihrer eignen Vertheidigung "Zum Unglück gab es diesmal nur fünf gültig erwählte De- "Alle Verhandlungen in dieser Hinsicht waren bis zum Mittag "Da wir nicht die Schuld an solchen tragen wollten, em- „Die Potocki konnten bei dieſer Lage der Dinge meinem Bru- „Meine Familie mußte daher zu ihrer eignen Vertheidigung „Zum Unglück gab es diesmal nur fünf gültig erwählte De- „Alle Verhandlungen in dieſer Hinſicht waren bis zum Mittag „Da wir nicht die Schuld an ſolchen tragen wollten, em- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0245" n="231"/> <p>„Die Potocki konnten bei dieſer Lage der Dinge meinem Bru-<lb/> der leicht die bitterſten Früchte ihres Haſſes fühlen laſſen, deſſen<lb/> Quelle die alte Nebenbuhlerſchaft des Groß-Kronfeldherrn und<lb/> meines Vaters war, der aber jetzt noch einen neuen Stachel der<lb/> Neid gab, welchen die damals ſehr einflußreiche Stellung meiner<lb/> Familie am Hofe in ihnen erweckte.</p><lb/> <p>„Meine Familie mußte daher zu ihrer eignen Vertheidigung<lb/> ſich der in der That ungültigen Wahl Potocki’s widerſetzen, der<lb/> nach dem Amt des Marſchalls im Tribunal ſtrebte.</p><lb/> <p>„Zum Unglück gab es diesmal nur fünf gültig erwählte De-<lb/> putirte, und die Potocki wollten ſich nicht anders dazu verſtehen,<lb/> daß die Hinderniſſe für die Anerkennung von zwei andern Wahlen,<lb/> durch welche dies Tribunal complet gemacht werden konnte, be-<lb/> ſeitigt würden, als unter der Bedingung, daß auch wir ihren<lb/> Candidaten zum Marſchallsamt unterſtützten.</p><lb/> <p>„Alle Verhandlungen in dieſer Hinſicht waren bis zum Mittag<lb/> des 6. October fruchtlos. Die Stunde des Gottesdienſtes, welcher<lb/> herkömmlich der Einſetzung des Tribunals vorausgehen mußte,<lb/> war bereits vorüber und es waren nur noch wenige Stunden<lb/> übrig, innerhalb deren leicht die Sonne untergehen konnte, welche<lb/> nach der Forderung des Geſetzes noch am Himmel ſtehen mußte,<lb/> wenn die Einſetzung des Tribunals nicht rechtsungültig werden<lb/> ſollte. Es verſammelten ſich daher beide Partheien ſchon um<lb/> 1 Uhr in der Kirche zu Petrikau, nicht ſowohl in der Hoffnung<lb/> noch etwas Gutes zu Stande bringen, als vielmehr in der Er-<lb/> wartung blutiger Scenen.</p><lb/> <p>„Da wir nicht die Schuld an ſolchen tragen wollten, em-<lb/> pfahlen wir ausdrücklich dem Adel unſerer Parthei nicht zuerſt<lb/> zu den Säbeln zu greifen, und nicht eher auf die Gegner los-<lb/> zuſchlagen, als bis einer von den Unſrigen verwundet wäre. Es<lb/> waren von unſerer Parthei etwa 1000 Edelleute dort; die Gegner<lb/> etwas weniger ſtark, aber dieſer Nachtheil ward für ſie reichlich<lb/> dadurch aufgewogen, daß die anweſenden Krontruppen auf ihrer<lb/> Seite ſtanden. Sapieha, der Woiwode von Smolensk, kam unter<lb/> Vorantritt einer Compagnie Tartaren mit der Mütze auf dem<lb/> Kopf und die Hand am Säbelgriff in die Kirche. Vergebens<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [231/0245]
„Die Potocki konnten bei dieſer Lage der Dinge meinem Bru-
der leicht die bitterſten Früchte ihres Haſſes fühlen laſſen, deſſen
Quelle die alte Nebenbuhlerſchaft des Groß-Kronfeldherrn und
meines Vaters war, der aber jetzt noch einen neuen Stachel der
Neid gab, welchen die damals ſehr einflußreiche Stellung meiner
Familie am Hofe in ihnen erweckte.
„Meine Familie mußte daher zu ihrer eignen Vertheidigung
ſich der in der That ungültigen Wahl Potocki’s widerſetzen, der
nach dem Amt des Marſchalls im Tribunal ſtrebte.
„Zum Unglück gab es diesmal nur fünf gültig erwählte De-
putirte, und die Potocki wollten ſich nicht anders dazu verſtehen,
daß die Hinderniſſe für die Anerkennung von zwei andern Wahlen,
durch welche dies Tribunal complet gemacht werden konnte, be-
ſeitigt würden, als unter der Bedingung, daß auch wir ihren
Candidaten zum Marſchallsamt unterſtützten.
„Alle Verhandlungen in dieſer Hinſicht waren bis zum Mittag
des 6. October fruchtlos. Die Stunde des Gottesdienſtes, welcher
herkömmlich der Einſetzung des Tribunals vorausgehen mußte,
war bereits vorüber und es waren nur noch wenige Stunden
übrig, innerhalb deren leicht die Sonne untergehen konnte, welche
nach der Forderung des Geſetzes noch am Himmel ſtehen mußte,
wenn die Einſetzung des Tribunals nicht rechtsungültig werden
ſollte. Es verſammelten ſich daher beide Partheien ſchon um
1 Uhr in der Kirche zu Petrikau, nicht ſowohl in der Hoffnung
noch etwas Gutes zu Stande bringen, als vielmehr in der Er-
wartung blutiger Scenen.
„Da wir nicht die Schuld an ſolchen tragen wollten, em-
pfahlen wir ausdrücklich dem Adel unſerer Parthei nicht zuerſt
zu den Säbeln zu greifen, und nicht eher auf die Gegner los-
zuſchlagen, als bis einer von den Unſrigen verwundet wäre. Es
waren von unſerer Parthei etwa 1000 Edelleute dort; die Gegner
etwas weniger ſtark, aber dieſer Nachtheil ward für ſie reichlich
dadurch aufgewogen, daß die anweſenden Krontruppen auf ihrer
Seite ſtanden. Sapieha, der Woiwode von Smolensk, kam unter
Vorantritt einer Compagnie Tartaren mit der Mütze auf dem
Kopf und die Hand am Säbelgriff in die Kirche. Vergebens
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