Verwerfung bestimmter Deputirter zu versichern. Waren die Prüfungscommissare nicht käuflich oder bereits von der Gegen- parthei gewonnen, so nahmen die tobenden Magnaten auch zu andern Mitteln ihre Zuflucht.
"Das Gesetz bestimmte den ersten Montag nach dem Festtag des heiligen Franziskus im October zur endgültigen Prüfung der Wahlen der Deputirten: an diesem Tage nahm der älteste der Prüfungscommissare in der Kathedrale in Petrikau nach einer hohen Messe den Richtereid ab. Er saß hiebei hinter einem Tisch, auf welchem vorher alle Proteste, Condemnate, lauda und Atteste niedergelegt waren, auf Grund welcher die Deputirten zum Eide zugelassen oder zurückgewiesen wurden.
"Dieser Tisch war daher der Punkt, welchem soviel als irgend möglich nahe zu kommen jeder ein Interesse hatte, der ein Mani- fest, Condemnat, laudum oder Attest einbringen wollte. Es war daher ein Interesse der Partheien und ihrer Führer, von deren Geist und Witz das Gelingen abhing, diesen Tisch mit den eigenen Anhängern zu umgeben und die Gegner von demselben abzu- halten, denn alles was dort nicht niedergelegt war, hatte nicht die geringste Bedeutung. Anfangs bediente man sich hiezu nur der Gewandtheit, aber in kurzem trat diese hinter den Massen- andrang der Anwesenden zurück, die sich beeiferten zuerst den Platz einzunehmen: dann wurden die Mitbürger, welche sich dorthin durch- drängen wollten, mit Gewalt weggestoßen oder man riß ihnen die Papiere aus den Händen, durch welche sie die erwählten Deputirten sei es stützen, sei es stürzen wollten."
Verwerfung beſtimmter Deputirter zu verſichern. Waren die Prüfungscommiſſare nicht käuflich oder bereits von der Gegen- parthei gewonnen, ſo nahmen die tobenden Magnaten auch zu andern Mitteln ihre Zuflucht.
„Das Geſetz beſtimmte den erſten Montag nach dem Feſttag des heiligen Franziskus im October zur endgültigen Prüfung der Wahlen der Deputirten: an dieſem Tage nahm der älteſte der Prüfungscommiſſare in der Kathedrale in Petrikau nach einer hohen Meſſe den Richtereid ab. Er ſaß hiebei hinter einem Tiſch, auf welchem vorher alle Proteſte, Condemnate, lauda und Atteſte niedergelegt waren, auf Grund welcher die Deputirten zum Eide zugelaſſen oder zurückgewieſen wurden.
„Dieſer Tiſch war daher der Punkt, welchem ſoviel als irgend möglich nahe zu kommen jeder ein Intereſſe hatte, der ein Mani- feſt, Condemnat, laudum oder Atteſt einbringen wollte. Es war daher ein Intereſſe der Partheien und ihrer Führer, von deren Geiſt und Witz das Gelingen abhing, dieſen Tiſch mit den eigenen Anhängern zu umgeben und die Gegner von demſelben abzu- halten, denn alles was dort nicht niedergelegt war, hatte nicht die geringſte Bedeutung. Anfangs bediente man ſich hiezu nur der Gewandtheit, aber in kurzem trat dieſe hinter den Maſſen- andrang der Anweſenden zurück, die ſich beeiferten zuerſt den Platz einzunehmen: dann wurden die Mitbürger, welche ſich dorthin durch- drängen wollten, mit Gewalt weggeſtoßen oder man riß ihnen die Papiere aus den Händen, durch welche ſie die erwählten Deputirten ſei es ſtützen, ſei es ſtürzen wollten.“
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Verwerfung beſtimmter Deputirter zu verſichern. Waren die
Prüfungscommiſſare nicht käuflich oder bereits von der Gegen-
parthei gewonnen, ſo nahmen die tobenden Magnaten auch zu
andern Mitteln ihre Zuflucht.
„Das Geſetz beſtimmte den erſten Montag nach dem Feſttag
des heiligen Franziskus im October zur endgültigen Prüfung der
Wahlen der Deputirten: an dieſem Tage nahm der älteſte der
Prüfungscommiſſare in der Kathedrale in Petrikau nach einer
hohen Meſſe den Richtereid ab. Er ſaß hiebei hinter einem
Tiſch, auf welchem vorher alle Proteſte, Condemnate, lauda und
Atteſte niedergelegt waren, auf Grund welcher die Deputirten
zum Eide zugelaſſen oder zurückgewieſen wurden.
„Dieſer Tiſch war daher der Punkt, welchem ſoviel als irgend
möglich nahe zu kommen jeder ein Intereſſe hatte, der ein Mani-
feſt, Condemnat, laudum oder Atteſt einbringen wollte. Es war
daher ein Intereſſe der Partheien und ihrer Führer, von deren
Geiſt und Witz das Gelingen abhing, dieſen Tiſch mit den eigenen
Anhängern zu umgeben und die Gegner von demſelben abzu-
halten, denn alles was dort nicht niedergelegt war, hatte nicht
die geringſte Bedeutung. Anfangs bediente man ſich hiezu nur
der Gewandtheit, aber in kurzem trat dieſe hinter den Maſſen-
andrang der Anweſenden zurück, die ſich beeiferten zuerſt den Platz
einzunehmen: dann wurden die Mitbürger, welche ſich dorthin durch-
drängen wollten, mit Gewalt weggeſtoßen oder man riß ihnen
die Papiere aus den Händen, durch welche ſie die erwählten
Deputirten ſei es ſtützen, ſei es ſtürzen wollten.“
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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/220>, abgerufen am 16.07.2024.
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