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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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Könige zu fordern und durchzusetzen, oder die Conföderation bis
zum Tode des Königs bestehen zu lassen. Das letztere, führten
sie aus, würde das Vortheilhaftere sein. Denn in diesem Falle
bleibe ihre Parthei organisirt zusammen; das Interregnum könne
verkürzt werden, und Katharina, ohne von neuem Truppen
und Geld aufzuwenden, in der Lage sein, einen König ihrer
Wahl auf den Thron zu setzen. Zur Ausführung würden
200000 Ducaten nothwendig sein, von welchen mindestens
150000 gleich anfangs bereit liegen müßten. "Wir haben",
-- sagten sie -- "unsre Pläne und die Mittel zu ihrer Aus-
führung in voller Aufrichtigkeit mitgetheilt, weil wir die Kai-
serin nicht durch eine Überraschung weiter mit uns fortreißen
wollen, als sie selbst zu gehen gewillt ist."

Und nun entwickelten sie in den Monaten Juni und Juli
eine fieberhafte Thätigkeit. Mit ihren Correspondenzen und
Agenten erfüllten sie das ganze Land, sammelten und rüsteten
Truppen und verbreiteten ein Manifest, in welchem sie, ohne
sich zu nennen, nach einer kurzen Schilderung der unglücklichen
Lage des Vaterlandes alle guten Bürger zu einer Conföderation
"für den Glauben, den König, die Gesetze und die
Freiheit
" aufforderten und im Fall der Noth die Unterstützung
durch eine auswärtige Macht in Aussicht stellten 1). Bei allen ihren
Berathungen und Schritten wurden sie von Keyserling unterstützt.
Er nahm an ihren Versammlungen in Pulawy Theil 2), empfahl,
da er, wie die Czartoryski es in ihrer Denkschrift vom 20. Mai
verlangt hatten, die Vollmacht erhalten hatte, alle Schritte der
russischen Generale zu leiten, an Soltikow die Agenten der
"Familie", wies ihn an nach deren Vorschlägen seinen Marsch
einzurichten, die Güter der Freunde zu schonen, und wenn er
von ihnen um Hilfe angesprochen würde, solche zu leisten; im
übrigen sollte er die strengste Disciplin halten und seine Be-
dürfnisse baar bezahlen 3). Er verhehlte Benoit seine Ueber-

1) Dieses Manifest liegt in Abschrift der Depesche Benoits vom
10. August bei.
2) Schreiben Poniatowski's an Flemming bei Schmitt, S. 350
3) Brief Keyserlings an Soltykow bei Schmitt, S. 348--349.

Könige zu fordern und durchzuſetzen, oder die Conföderation bis
zum Tode des Königs beſtehen zu laſſen. Das letztere, führten
ſie aus, würde das Vortheilhaftere ſein. Denn in dieſem Falle
bleibe ihre Parthei organiſirt zuſammen; das Interregnum könne
verkürzt werden, und Katharina, ohne von neuem Truppen
und Geld aufzuwenden, in der Lage ſein, einen König ihrer
Wahl auf den Thron zu ſetzen. Zur Ausführung würden
200000 Ducaten nothwendig ſein, von welchen mindeſtens
150000 gleich anfangs bereit liegen müßten. „Wir haben“,
— ſagten ſie — „unſre Pläne und die Mittel zu ihrer Aus-
führung in voller Aufrichtigkeit mitgetheilt, weil wir die Kai-
ſerin nicht durch eine Überraſchung weiter mit uns fortreißen
wollen, als ſie ſelbſt zu gehen gewillt iſt.“

Und nun entwickelten ſie in den Monaten Juni und Juli
eine fieberhafte Thätigkeit. Mit ihren Correſpondenzen und
Agenten erfüllten ſie das ganze Land, ſammelten und rüſteten
Truppen und verbreiteten ein Manifeſt, in welchem ſie, ohne
ſich zu nennen, nach einer kurzen Schilderung der unglücklichen
Lage des Vaterlandes alle guten Bürger zu einer Conföderation
für den Glauben, den König, die Geſetze und die
Freiheit
“ aufforderten und im Fall der Noth die Unterſtützung
durch eine auswärtige Macht in Ausſicht ſtellten 1). Bei allen ihren
Berathungen und Schritten wurden ſie von Keyſerling unterſtützt.
Er nahm an ihren Verſammlungen in Pulawy Theil 2), empfahl,
da er, wie die Czartoryski es in ihrer Denkſchrift vom 20. Mai
verlangt hatten, die Vollmacht erhalten hatte, alle Schritte der
ruſſiſchen Generale zu leiten, an Soltikow die Agenten der
„Familie“, wies ihn an nach deren Vorſchlägen ſeinen Marſch
einzurichten, die Güter der Freunde zu ſchonen, und wenn er
von ihnen um Hilfe angeſprochen würde, ſolche zu leiſten; im
übrigen ſollte er die ſtrengſte Disciplin halten und ſeine Be-
dürfniſſe baar bezahlen 3). Er verhehlte Benoit ſeine Ueber-

1) Dieſes Manifeſt liegt in Abſchrift der Depeſche Benoits vom
10. Auguſt bei.
2) Schreiben Poniatowski’s an Flemming bei Schmitt, S. 350
3) Brief Keyſerlings an Soltykow bei Schmitt, S. 348—349.
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[189/0203] Könige zu fordern und durchzuſetzen, oder die Conföderation bis zum Tode des Königs beſtehen zu laſſen. Das letztere, führten ſie aus, würde das Vortheilhaftere ſein. Denn in dieſem Falle bleibe ihre Parthei organiſirt zuſammen; das Interregnum könne verkürzt werden, und Katharina, ohne von neuem Truppen und Geld aufzuwenden, in der Lage ſein, einen König ihrer Wahl auf den Thron zu ſetzen. Zur Ausführung würden 200000 Ducaten nothwendig ſein, von welchen mindeſtens 150000 gleich anfangs bereit liegen müßten. „Wir haben“, — ſagten ſie — „unſre Pläne und die Mittel zu ihrer Aus- führung in voller Aufrichtigkeit mitgetheilt, weil wir die Kai- ſerin nicht durch eine Überraſchung weiter mit uns fortreißen wollen, als ſie ſelbſt zu gehen gewillt iſt.“ Und nun entwickelten ſie in den Monaten Juni und Juli eine fieberhafte Thätigkeit. Mit ihren Correſpondenzen und Agenten erfüllten ſie das ganze Land, ſammelten und rüſteten Truppen und verbreiteten ein Manifeſt, in welchem ſie, ohne ſich zu nennen, nach einer kurzen Schilderung der unglücklichen Lage des Vaterlandes alle guten Bürger zu einer Conföderation „für den Glauben, den König, die Geſetze und die Freiheit“ aufforderten und im Fall der Noth die Unterſtützung durch eine auswärtige Macht in Ausſicht ſtellten 1). Bei allen ihren Berathungen und Schritten wurden ſie von Keyſerling unterſtützt. Er nahm an ihren Verſammlungen in Pulawy Theil 2), empfahl, da er, wie die Czartoryski es in ihrer Denkſchrift vom 20. Mai verlangt hatten, die Vollmacht erhalten hatte, alle Schritte der ruſſiſchen Generale zu leiten, an Soltikow die Agenten der „Familie“, wies ihn an nach deren Vorſchlägen ſeinen Marſch einzurichten, die Güter der Freunde zu ſchonen, und wenn er von ihnen um Hilfe angeſprochen würde, ſolche zu leiſten; im übrigen ſollte er die ſtrengſte Disciplin halten und ſeine Be- dürfniſſe baar bezahlen 3). Er verhehlte Benoit ſeine Ueber- 1) Dieſes Manifeſt liegt in Abſchrift der Depeſche Benoits vom 10. Auguſt bei. 2) Schreiben Poniatowski’s an Flemming bei Schmitt, S. 350 3) Brief Keyſerlings an Soltykow bei Schmitt, S. 348—349.

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/203>, abgerufen am 22.11.2024.