Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.Zugleich forderte aber Brühl, wohl nicht ohne Rücksicht auf Die Zurücknahme der Abberufung Poniatowski's war indeß 1) Boutaric I, 89--91. 230.
Zugleich forderte aber Brühl, wohl nicht ohne Rückſicht auf Die Zurücknahme der Abberufung Poniatowski’s war indeß 1) Boutaric I, 89—91. 230.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0139" n="125"/> <p>Zugleich forderte aber Brühl, wohl nicht ohne Rückſicht auf<lb/> die oben erwähnten Umtriebe Broglie’s, in Petersburg ihn von<lb/> jenem zu befreien, und die ruſſiſchen Geſandten in Wien und<lb/> Paris erhielten in der That Befehl über deſſen Verhalten in<lb/> Warſchau ſich zu beſchweren. Broglie ſelbſt fand ſeitdem ſeine<lb/> Stellung in Warſchau unhaltbar. Er bat und erhielt ſeinen<lb/> Abſchied und kam im Winter 1758 nach Paris zurück. „Der<lb/> Graf Broglie“, ſchrieb Ludwig <hi rendition="#aq">XV.</hi> (20. April 1758) an<lb/> Tercier, „hat gute Dienſte geleiſtet, aber er iſt ein wenig<lb/> lebhaft.“ Dem Grafen ſelbſt aber ſchrieb er (21. Mai 1758):<lb/> „Es iſt nach alle dem, was zwiſchen Ihnen und dem Grafen<lb/> Brühl vorgegangen iſt, nicht möglich Sie nach Polen zurück-<lb/> zuſenden, zumal der König von Polen ſich von jenem nicht<lb/> trennen will.“ <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Boutaric</hi> I</hi>, 89—91. 230.</note> Broglie’s Abberufung ſchloß eine Niederlage<lb/> der franzöſiſchen Parthei in Polen in ſich, von der ſie ſich<lb/> nicht zu erholen vermochte.</p><lb/> <p>Die Zurücknahme der Abberufung Poniatowski’s war indeß<lb/> der letzte Dienſt, welchen der Kanzler der Großfürſtin leiſten<lb/> konnte. Apraxins Rückzug aus Preußen nach dem Siege bei<lb/> Jägerndorf erſchien den Verbündeten Rußlands als ein offen-<lb/> barer Verrath. Sie erhoben laute Klagen gegen ihn in Peters-<lb/> burg, in Folge deren er ſeines Kommando’s enthoben, gefangen<lb/> geſetzt und in Unterſuchung gezogen ward. In dieſe ward<lb/> auch Beſtucheff, ſein alter Gönner, und bis auf einen gewiſſen<lb/> Grad auch die Großfürſtin verwickelt. Am 25. Februar 1758<lb/> ward der erſtere, nachdem er noch Zeit gehabt hatte, eine<lb/> Menge ſeiner Papiere zu vernichten, verhaftet, und gleich darauf<lb/> ein italieniſcher Juwelier Berardi, welcher häufig die Briefe<lb/> des Kanzlers und Poniatowski’s an die Großfürſtin, und deren<lb/> Antworten überbracht hatte. Vor Schrecken erkrankte Ponia-<lb/> towski ernſtlich, ſie aber raſch gefaßt, verbrannte auch ihrer-<lb/> ſeits ihre Papiere. Beide verſichern übereinſtimmend und un-<lb/> abhängig von einander, daß ſowohl der Kanzler als Katharina<lb/> an Apraxins Rückzuge vollkommen unſchuldig geweſen wären<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [125/0139]
Zugleich forderte aber Brühl, wohl nicht ohne Rückſicht auf
die oben erwähnten Umtriebe Broglie’s, in Petersburg ihn von
jenem zu befreien, und die ruſſiſchen Geſandten in Wien und
Paris erhielten in der That Befehl über deſſen Verhalten in
Warſchau ſich zu beſchweren. Broglie ſelbſt fand ſeitdem ſeine
Stellung in Warſchau unhaltbar. Er bat und erhielt ſeinen
Abſchied und kam im Winter 1758 nach Paris zurück. „Der
Graf Broglie“, ſchrieb Ludwig XV. (20. April 1758) an
Tercier, „hat gute Dienſte geleiſtet, aber er iſt ein wenig
lebhaft.“ Dem Grafen ſelbſt aber ſchrieb er (21. Mai 1758):
„Es iſt nach alle dem, was zwiſchen Ihnen und dem Grafen
Brühl vorgegangen iſt, nicht möglich Sie nach Polen zurück-
zuſenden, zumal der König von Polen ſich von jenem nicht
trennen will.“ 1) Broglie’s Abberufung ſchloß eine Niederlage
der franzöſiſchen Parthei in Polen in ſich, von der ſie ſich
nicht zu erholen vermochte.
Die Zurücknahme der Abberufung Poniatowski’s war indeß
der letzte Dienſt, welchen der Kanzler der Großfürſtin leiſten
konnte. Apraxins Rückzug aus Preußen nach dem Siege bei
Jägerndorf erſchien den Verbündeten Rußlands als ein offen-
barer Verrath. Sie erhoben laute Klagen gegen ihn in Peters-
burg, in Folge deren er ſeines Kommando’s enthoben, gefangen
geſetzt und in Unterſuchung gezogen ward. In dieſe ward
auch Beſtucheff, ſein alter Gönner, und bis auf einen gewiſſen
Grad auch die Großfürſtin verwickelt. Am 25. Februar 1758
ward der erſtere, nachdem er noch Zeit gehabt hatte, eine
Menge ſeiner Papiere zu vernichten, verhaftet, und gleich darauf
ein italieniſcher Juwelier Berardi, welcher häufig die Briefe
des Kanzlers und Poniatowski’s an die Großfürſtin, und deren
Antworten überbracht hatte. Vor Schrecken erkrankte Ponia-
towski ernſtlich, ſie aber raſch gefaßt, verbrannte auch ihrer-
ſeits ihre Papiere. Beide verſichern übereinſtimmend und un-
abhängig von einander, daß ſowohl der Kanzler als Katharina
an Apraxins Rückzuge vollkommen unſchuldig geweſen wären
1) Boutaric I, 89—91. 230.
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