Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.und Richter zugleich sein. Brühl wiederholte, der König würde Dieser Umschlag der Partheiverhältnisse und die sich an 1) Szczebalski a. a. O., nach dem Bericht Groß' vom 23. März 1755 im Moskauer Archiv der ausw. Angel. 2) Stanisl. Aug., Pam., p. 151. 3) Nach den Berichten Broglie's.
und Richter zugleich ſein. Brühl wiederholte, der König würde Dieſer Umſchlag der Partheiverhältniſſe und die ſich an 1) Szczebalski a. a. O., nach dem Bericht Groß’ vom 23. März 1755 im Moskauer Archiv der ausw. Angel. 2) Stanisl. Aug., Pam., p. 151. 3) Nach den Berichten Broglie’s.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0123" n="109"/> und Richter zugleich ſein. Brühl wiederholte, der König würde<lb/> lieber dem Thron entſagen, als ſolche Vormundſchaft, käme ſie,<lb/> von wem ſie wolle, über ſich zulaſſen; er beſäße hinlängliche<lb/> Macht, um ſeine hochmüthigen Unterthanen zu bändigen.<lb/> Allein trotz all dieſer tapfern Erklärungen Brühls blieb doch<lb/> die Vorſtellung auf ihn nicht ohne alle Wirkung. Er nahm<lb/> thatſächlich mehr Rückſicht auf die Candidaten, die Rußland<lb/> empfahl <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Szczebalski</hi> a. a. O., nach dem Bericht Groß’ vom 23. März<lb/> 1755 im Moskauer Archiv der ausw. Angel.</note>; wie es denn überhaupt ſein Syſtem war, die<lb/> Partheien in Polen in einem gewiſſen Gleichgewicht zu halten <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Stanisl. Aug.</hi>, Pam., p. 151.</hi></note>.<lb/> Allein der Strom der öffentlichen Meinung war einmal den<lb/> Patrioten günſtig. Der Hof ſöhnte ſich ſichtlich mit ihnen<lb/> aus; Mokranowski erhielt eine Staroſtei mit reichen Einkünften<lb/> und von Ludwig <hi rendition="#aq">XV.</hi> den Titel eines franzöſiſchen Generals.<lb/> Zugleich wuchs die Zahl der Anhänger Frankreichs, und je<lb/> mehr ſie wuchs, um ſo eifriger trieb Broglie vorwärts. Ihm<lb/> war es weniger um die dereinſtige Erhebung Conti’s auf den<lb/> polniſchen Thron, als um die Durchführung ſeiner umfaſſenden<lb/> politiſchen Pläne zu thun; Frankreichs Intereſſe ſtand ihm<lb/> höher, als das Conti’s; konnte er ſein Ziel mit dem Hauſe<lb/> Sachſen leichter erreichen, ſo mußte Conti zurücktreten. Der<lb/> Krongroßfeldherr Branicki ging lebendig in alle ſeine Ideen<lb/> ein. Er traf eifrig alle Vorbereitungen zu einer Conföderation,<lb/> an die der König ſich anſchließen ſollte; arbeitete fleißig daran,<lb/> die Kronarmee ſchlagfertig zu machen, und ſandte einen Agenten<lb/> nach Conſtantinopel, um eine Verſtändigung mit der Pforte<lb/> einzuleiten und im Verſtändniß mit dem dortigen franzöſiſchen<lb/> Geſandten, die Türken zu einem mit Polen gemeinſchaftlichen<lb/> Angriff auf Rußland zu treiben <note place="foot" n="3)">Nach den Berichten Broglie’s.</note>.</p><lb/> <p>Dieſer Umſchlag der Partheiverhältniſſe und die ſich an<lb/> ihn anſchließenden Bewegungen in Polen blieben auch an andern<lb/> Höfen nicht unbemerkt. Selbſt Kaunitz legte den Umtrieben<lb/> der franzöſiſchen Politik in Polen eine große Bedeutung bei,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [109/0123]
und Richter zugleich ſein. Brühl wiederholte, der König würde
lieber dem Thron entſagen, als ſolche Vormundſchaft, käme ſie,
von wem ſie wolle, über ſich zulaſſen; er beſäße hinlängliche
Macht, um ſeine hochmüthigen Unterthanen zu bändigen.
Allein trotz all dieſer tapfern Erklärungen Brühls blieb doch
die Vorſtellung auf ihn nicht ohne alle Wirkung. Er nahm
thatſächlich mehr Rückſicht auf die Candidaten, die Rußland
empfahl 1); wie es denn überhaupt ſein Syſtem war, die
Partheien in Polen in einem gewiſſen Gleichgewicht zu halten 2).
Allein der Strom der öffentlichen Meinung war einmal den
Patrioten günſtig. Der Hof ſöhnte ſich ſichtlich mit ihnen
aus; Mokranowski erhielt eine Staroſtei mit reichen Einkünften
und von Ludwig XV. den Titel eines franzöſiſchen Generals.
Zugleich wuchs die Zahl der Anhänger Frankreichs, und je
mehr ſie wuchs, um ſo eifriger trieb Broglie vorwärts. Ihm
war es weniger um die dereinſtige Erhebung Conti’s auf den
polniſchen Thron, als um die Durchführung ſeiner umfaſſenden
politiſchen Pläne zu thun; Frankreichs Intereſſe ſtand ihm
höher, als das Conti’s; konnte er ſein Ziel mit dem Hauſe
Sachſen leichter erreichen, ſo mußte Conti zurücktreten. Der
Krongroßfeldherr Branicki ging lebendig in alle ſeine Ideen
ein. Er traf eifrig alle Vorbereitungen zu einer Conföderation,
an die der König ſich anſchließen ſollte; arbeitete fleißig daran,
die Kronarmee ſchlagfertig zu machen, und ſandte einen Agenten
nach Conſtantinopel, um eine Verſtändigung mit der Pforte
einzuleiten und im Verſtändniß mit dem dortigen franzöſiſchen
Geſandten, die Türken zu einem mit Polen gemeinſchaftlichen
Angriff auf Rußland zu treiben 3).
Dieſer Umſchlag der Partheiverhältniſſe und die ſich an
ihn anſchließenden Bewegungen in Polen blieben auch an andern
Höfen nicht unbemerkt. Selbſt Kaunitz legte den Umtrieben
der franzöſiſchen Politik in Polen eine große Bedeutung bei,
1) Szczebalski a. a. O., nach dem Bericht Groß’ vom 23. März
1755 im Moskauer Archiv der ausw. Angel.
2) Stanisl. Aug., Pam., p. 151.
3) Nach den Berichten Broglie’s.
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