lung zu der geheimen Cabinetspolitik Ludwigs XV., so wie seine weit aussehenden politischen Pläne, theilte er nur Mokra- nowski und einigen anderen großen Herren mit. In Dresden mißtraute man ihm. Die Königin selbst mußte sich in einem Briefe an ihre Tochter über ihn beklagen, und das Ministerium in Paris mißbilligte in der That sein Treiben. Aber der König selbst hielt ihn, und vergebens stellte Brühl den Polen vor, welches Vertrauen sie zu einem Gesandten haben könnten, dessen Schritte sein eignes Ministerium nicht billige, dessen Abberufung bald erfolgen werde. Da er aber doch nicht ab- berufen ward, glaubten die Polen, daß Ludwig XV. den Pa- trioten noch günstiger sei, als dies der officielle Gesandte am Hofe zeigen könne. Auch verschmähte Broglie es nicht, den Frauen, die in Polen damals stets einen bedeutenden Einfluß übten, den Hof zu machen. Die Töchter Brühls, die Frau des Hofmarschall Mniszeck, die Woiwodin von Krakau, Lubo- mirska, u. a. gewann er für sich. "Missionäre dieser Art", schrieb er nach Paris, "haben es immer leicht, Proselyten zu machen." Bereits im Herbst 1753 glaubte der Hof von Wien zu wissen, daß für den Plan, Conti auf den polnischen Thron zu erheben, die ganze Potockische Parthei gewonnen sei und Frankreich daran arbeite, durch eine Alliance mit der Pforte und die Unterstützung des Königs von Preußen die Sache durchzuführen. Dem Berliner Hof stellte er vor, wie sehr es dem preußischen Interesse zuwider sei, die Wahlfreiheit in Polen durch die Übermacht Rußlands fast gänzlich vernichten und künftig nur solchen Kandidaten zur polnischen Krone gelangen zu lassen, welcher von Rußlands Führung vollkommen abhänge und daher für Preußen ein sehr unbequemer Nachbar werden könne; Rußland aber habe bereits den Entschluß gefaßt, eine Armee von 60000 Mann in Liefland zusammenzuziehen 1). In derselben Zeit im Verlauf des Jahres 1753 wurden aber auch die Bestrebungen Mniszecks lebhafter und erfolgreicher, Brühl und die "Familie" dadurch auseinander zu bringen, daß er
1)Arneth, Maria Theresia IV, 355--356.
Roepell, Polen im 18. Jahrhundert. 7
lung zu der geheimen Cabinetspolitik Ludwigs XV., ſo wie ſeine weit ausſehenden politiſchen Pläne, theilte er nur Mokra- nowski und einigen anderen großen Herren mit. In Dresden mißtraute man ihm. Die Königin ſelbſt mußte ſich in einem Briefe an ihre Tochter über ihn beklagen, und das Miniſterium in Paris mißbilligte in der That ſein Treiben. Aber der König ſelbſt hielt ihn, und vergebens ſtellte Brühl den Polen vor, welches Vertrauen ſie zu einem Geſandten haben könnten, deſſen Schritte ſein eignes Miniſterium nicht billige, deſſen Abberufung bald erfolgen werde. Da er aber doch nicht ab- berufen ward, glaubten die Polen, daß Ludwig XV. den Pa- trioten noch günſtiger ſei, als dies der officielle Geſandte am Hofe zeigen könne. Auch verſchmähte Broglie es nicht, den Frauen, die in Polen damals ſtets einen bedeutenden Einfluß übten, den Hof zu machen. Die Töchter Brühls, die Frau des Hofmarſchall Mniszeck, die Woiwodin von Krakau, Lubo- mirska, u. a. gewann er für ſich. „Miſſionäre dieſer Art“, ſchrieb er nach Paris, „haben es immer leicht, Proſelyten zu machen.“ Bereits im Herbſt 1753 glaubte der Hof von Wien zu wiſſen, daß für den Plan, Conti auf den polniſchen Thron zu erheben, die ganze Potockiſche Parthei gewonnen ſei und Frankreich daran arbeite, durch eine Alliance mit der Pforte und die Unterſtützung des Königs von Preußen die Sache durchzuführen. Dem Berliner Hof ſtellte er vor, wie ſehr es dem preußiſchen Intereſſe zuwider ſei, die Wahlfreiheit in Polen durch die Übermacht Rußlands faſt gänzlich vernichten und künftig nur ſolchen Kandidaten zur polniſchen Krone gelangen zu laſſen, welcher von Rußlands Führung vollkommen abhänge und daher für Preußen ein ſehr unbequemer Nachbar werden könne; Rußland aber habe bereits den Entſchluß gefaßt, eine Armee von 60000 Mann in Liefland zuſammenzuziehen 1). In derſelben Zeit im Verlauf des Jahres 1753 wurden aber auch die Beſtrebungen Mniszecks lebhafter und erfolgreicher, Brühl und die „Familie“ dadurch auseinander zu bringen, daß er
1)Arneth, Maria Thereſia IV, 355—356.
Roepell, Polen im 18. Jahrhundert. 7
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nowski und einigen anderen großen Herren mit. In Dresden
mißtraute man ihm. Die Königin ſelbſt mußte ſich in einem
Briefe an ihre Tochter über ihn beklagen, und das Miniſterium
in Paris mißbilligte in der That ſein Treiben. Aber der
König ſelbſt hielt ihn, und vergebens ſtellte Brühl den Polen
vor, welches Vertrauen ſie zu einem Geſandten haben könnten,
deſſen Schritte ſein eignes Miniſterium nicht billige, deſſen
Abberufung bald erfolgen werde. Da er aber doch nicht ab-
berufen ward, glaubten die Polen, daß Ludwig XV. den Pa-
trioten noch günſtiger ſei, als dies der officielle Geſandte am
Hofe zeigen könne. Auch verſchmähte Broglie es nicht, den
Frauen, die in Polen damals ſtets einen bedeutenden Einfluß
übten, den Hof zu machen. Die Töchter Brühls, die Frau
des Hofmarſchall Mniszeck, die Woiwodin von Krakau, Lubo-
mirska, u. a. gewann er für ſich. „Miſſionäre dieſer Art“,
ſchrieb er nach Paris, „haben es immer leicht, Proſelyten zu
machen.“ Bereits im Herbſt 1753 glaubte der Hof von Wien
zu wiſſen, daß für den Plan, Conti auf den polniſchen Thron
zu erheben, die ganze Potockiſche Parthei gewonnen ſei und
Frankreich daran arbeite, durch eine Alliance mit der Pforte
und die Unterſtützung des Königs von Preußen die Sache
durchzuführen. Dem Berliner Hof ſtellte er vor, wie ſehr es
dem preußiſchen Intereſſe zuwider ſei, die Wahlfreiheit in Polen
durch die Übermacht Rußlands faſt gänzlich vernichten und
künftig nur ſolchen Kandidaten zur polniſchen Krone gelangen
zu laſſen, welcher von Rußlands Führung vollkommen abhänge
und daher für Preußen ein ſehr unbequemer Nachbar werden
könne; Rußland aber habe bereits den Entſchluß gefaßt, eine
Armee von 60000 Mann in Liefland zuſammenzuziehen 1). In
derſelben Zeit im Verlauf des Jahres 1753 wurden aber auch
die Beſtrebungen Mniszecks lebhafter und erfolgreicher, Brühl
und die „Familie“ dadurch auseinander zu bringen, daß er
1) Arneth, Maria Thereſia IV, 355—356.
Roepell, Polen im 18. Jahrhundert. 7
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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/111>, abgerufen am 16.02.2025.
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