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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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Begreiflich geriethen alle Gegner des Hofes und der Re-
form hierüber in große Aufregung. Der Palatin von Belz
(Potocki) erließ Circulare an die Landtage, in welchen er sie
aufforderte ihren Landboten aufzugeben, nichts zuzulassen, was
die Privilegien des Adels verringern könnte, und demgemäß
sich jeder Neuerung, die man verschlagen könnte, zu widersetzen.
Die Czartoryski ließen dagegen alle Landtage zerreißen, auf
welchen ihre Gegner die Mehrheit hatten, und sprachen laut
davon, daß, wenn auf dem Reichstage etwas erreicht werden
solle, dieser in eine Conföderation verwandelt werden müsse 1).
Um so unruhiger wurden die Gegner. Seit dem Tode des
Krongroßfeldherrn J. Potocki waren die Mittel versiegt, die
er stets mit freigebiger Hand zur Aufrechthaltung der Oppo-
sition hergegeben hatte, und dringender als je früher forderten
der Palatin von Belz u. a. von dem preußischen und fran-
zösischen Gesandten reichliche Unterstützung an Geld 2). Selbst
der neue Krongroßfeldherr Branicki erklärte, er werde mit
seinen Freunden alle Kräfte zur Zerreißung des Landtages ein-
setzen, weil, wenn es dem Hofe gelänge, vermittelst einer Con-
föderation die Republik in ein Bündniß mit Rußland zu
führen, diese ohne Armee, wie sie sei, dies Bündniß mit der
Abtretung einer ihrer Provinzen werde bezahlen müssen. Nur
über die Art und Weise, in der der Reichstag zerrissen werden
solle, konnten sich die Opposition und die beiden Gesandten
lange nicht einigen. Zwar versicherten Brühl sowohl wie der
König selbst dem Grafen Broglie auf ihr Ehrenwort, daß ein
Zutritt zu der Petersburger Alliance nicht im entferntesten in
ihrer Absicht liege; niemand aber glaubte ihnen mehr und hatte
Recht, nicht zu glauben. Schließlich kamen Broglie und
Maltzahn, den Friedrich II. von Dresden aus zu diesem Reichs-

succes des diettes, Sa Maj. demande, qu'on suive la meme methode,
tellement, que les articles par les quelles on ne pourra s'accorder
soient renvoyes a d'autres tems et que ceux, dont on conviendra
passent sur le champ en constitution et obtiennent la force de loi.
1) Benoit, Ber. vom 20. Juni, 5. Juli, 6., 9. und 13. Septbr.
2) Benoit, Ber. v. 24. Juni, 16. September.

Begreiflich geriethen alle Gegner des Hofes und der Re-
form hierüber in große Aufregung. Der Palatin von Belz
(Potocki) erließ Circulare an die Landtage, in welchen er ſie
aufforderte ihren Landboten aufzugeben, nichts zuzulaſſen, was
die Privilegien des Adels verringern könnte, und demgemäß
ſich jeder Neuerung, die man verſchlagen könnte, zu widerſetzen.
Die Czartoryski ließen dagegen alle Landtage zerreißen, auf
welchen ihre Gegner die Mehrheit hatten, und ſprachen laut
davon, daß, wenn auf dem Reichstage etwas erreicht werden
ſolle, dieſer in eine Conföderation verwandelt werden müſſe 1).
Um ſo unruhiger wurden die Gegner. Seit dem Tode des
Krongroßfeldherrn J. Potocki waren die Mittel verſiegt, die
er ſtets mit freigebiger Hand zur Aufrechthaltung der Oppo-
ſition hergegeben hatte, und dringender als je früher forderten
der Palatin von Belz u. a. von dem preußiſchen und fran-
zöſiſchen Geſandten reichliche Unterſtützung an Geld 2). Selbſt
der neue Krongroßfeldherr Branicki erklärte, er werde mit
ſeinen Freunden alle Kräfte zur Zerreißung des Landtages ein-
ſetzen, weil, wenn es dem Hofe gelänge, vermittelſt einer Con-
föderation die Republik in ein Bündniß mit Rußland zu
führen, dieſe ohne Armee, wie ſie ſei, dies Bündniß mit der
Abtretung einer ihrer Provinzen werde bezahlen müſſen. Nur
über die Art und Weiſe, in der der Reichstag zerriſſen werden
ſolle, konnten ſich die Oppoſition und die beiden Geſandten
lange nicht einigen. Zwar verſicherten Brühl ſowohl wie der
König ſelbſt dem Grafen Broglie auf ihr Ehrenwort, daß ein
Zutritt zu der Petersburger Alliance nicht im entfernteſten in
ihrer Abſicht liege; niemand aber glaubte ihnen mehr und hatte
Recht, nicht zu glauben. Schließlich kamen Broglie und
Maltzahn, den Friedrich II. von Dresden aus zu dieſem Reichs-

succés des diettes, Sa Maj. demande, qu’on suive la même methode,
tellement, que les articles par les quelles on ne pourra s’accorder
soient renvoyés à d’autres tems et que ceux, dont on conviendra
passent sur le champ en constitution et obtiennent la force de loi.
1) Benoit, Ber. vom 20. Juni, 5. Juli, 6., 9. und 13. Septbr.
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[92/0106] Begreiflich geriethen alle Gegner des Hofes und der Re- form hierüber in große Aufregung. Der Palatin von Belz (Potocki) erließ Circulare an die Landtage, in welchen er ſie aufforderte ihren Landboten aufzugeben, nichts zuzulaſſen, was die Privilegien des Adels verringern könnte, und demgemäß ſich jeder Neuerung, die man verſchlagen könnte, zu widerſetzen. Die Czartoryski ließen dagegen alle Landtage zerreißen, auf welchen ihre Gegner die Mehrheit hatten, und ſprachen laut davon, daß, wenn auf dem Reichstage etwas erreicht werden ſolle, dieſer in eine Conföderation verwandelt werden müſſe 1). Um ſo unruhiger wurden die Gegner. Seit dem Tode des Krongroßfeldherrn J. Potocki waren die Mittel verſiegt, die er ſtets mit freigebiger Hand zur Aufrechthaltung der Oppo- ſition hergegeben hatte, und dringender als je früher forderten der Palatin von Belz u. a. von dem preußiſchen und fran- zöſiſchen Geſandten reichliche Unterſtützung an Geld 2). Selbſt der neue Krongroßfeldherr Branicki erklärte, er werde mit ſeinen Freunden alle Kräfte zur Zerreißung des Landtages ein- ſetzen, weil, wenn es dem Hofe gelänge, vermittelſt einer Con- föderation die Republik in ein Bündniß mit Rußland zu führen, dieſe ohne Armee, wie ſie ſei, dies Bündniß mit der Abtretung einer ihrer Provinzen werde bezahlen müſſen. Nur über die Art und Weiſe, in der der Reichstag zerriſſen werden ſolle, konnten ſich die Oppoſition und die beiden Geſandten lange nicht einigen. Zwar verſicherten Brühl ſowohl wie der König ſelbſt dem Grafen Broglie auf ihr Ehrenwort, daß ein Zutritt zu der Petersburger Alliance nicht im entfernteſten in ihrer Abſicht liege; niemand aber glaubte ihnen mehr und hatte Recht, nicht zu glauben. Schließlich kamen Broglie und Maltzahn, den Friedrich II. von Dresden aus zu dieſem Reichs- 2) 1) Benoit, Ber. vom 20. Juni, 5. Juli, 6., 9. und 13. Septbr. 2) Benoit, Ber. v. 24. Juni, 16. September. 2) succés des diettes, Sa Maj. demande, qu’on suive la même methode, tellement, que les articles par les quelles on ne pourra s’accorder soient renvoyés à d’autres tems et que ceux, dont on conviendra passent sur le champ en constitution et obtiennent la force de loi.

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/106>, abgerufen am 02.05.2024.