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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 7. Berlin, Wien, 1915.

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u. a. bei C. Mutzner, Die virtuellen Längen der Eisenbahnen. Zürich und Leipzig 1914.

Mit Rücksicht auf die Erhöhung des Fahrwiderstandes in den Bogen wird in den TV. des VDEV. 1909, § 118, empfohlen, für Bahnen, auf deren freien Strecken vielfach die nachbezeichneten Krümmungen vorkommen, den festen Radstand der Wagen nicht größer zu wählen als:


3·9 m beiR = 180 m
4·3 m beiR = 210 m
4·6 m beiR = 250 m u. s. w.,

doch werde die Betriebssicherheit nicht gefährdet, wenn größere feste Radstände angewendet würden, u. zw.:


4·5 m beiR = 180 m
4·9 m beiR = 210 m
5·4 m beiR = 250 m u. s. w.

Ein weiterer Nachteil der Krümmungen ist - wie erwähnt - die starke Abnutzung der Schienen, besonders bei kleinen K. Nach den Beobachtungen auf einer preußischen Nebenbahn war die Liegedauer der Schienen in Krümmungen von 250 m dreimal so groß als in solchen von 180 m Halbmesser. Die Abnutzung wird selbst bei geringer Fahrgeschwindigkeit durch das Anstreifen des führenden Rades hervorgerufen. Bei größerer Geschwindigkeit kommt dazu die Wirkung der Fliehkraft. Man sucht diese Einflüsse durch Vergrößerung der Spurweite, Überhöhung des äußeren Schienenstranges und durch Anbringen von Leitschienen (s. d.) am inneren Schienenstrang herabzumindern, verwendet außerdem auch wohl für Bogen besonders verschleißfeste Schienen. Ein weiteres Mittel zur Verringerung des Widerstandes und der Abnutzung bietet eine zweckmäßige Ausbildung der Lokomotiven und Wagen (Lenkachsen, Drehgestelle, seitliche Verschiebbarkeit der Achsen u. s. w.) sowie Schmieren oder Nässen der Schienen, bzw. Radreifen.

Die Entgleisungsgefahr in scharfen Krümmungen ist in erster Linie auf die Fliehkraft zurückzuführen. Da diese mit dem Quadrat der Geschwindigkeit und im umgekehrten Verhältnis mit dem K. wächst, so ist bei vielen Bahnverwaltungen in Krümmungen eine Verminderung der Fahrgeschwindigkeit vorgeschrieben. Auf den deutschen Hauptbahnen darf beispielsweise in Krümmungen mit einem Halbmesser von 1200 m die Fahrgeschwindigkeit höchstens 115 km/Std. betragen, bei 1000 m Halbmesser 105, bei 800 m dagegen 95. In England ist man weniger vorsichtig; dort pflegen die zurzeit am schnellsten fahrenden Züge in Bogen von 1600 m Halbmesser die Höchstgeschwindigkeit (120 km/Std.) gar nicht, in solchen von 800-1600 m um wenig zu verringern; durch Bogen von 400-800 m Halbmesser fährt man oft noch mit 90 km/Std. hindurch, während z. B. die deutschen Vorschriften bei 400 m Halbmesser nur 75 km Stundengeschwindigkeit zulassen. (J. Frahm, Das englische Eisenbahnwesen. Berlin 1911, S. 44 u. 77.)

Auf allen Bahnlinien mit Schnellzugsverkehr sollte man in den durchgehenden Hauptgleisen nicht nur auf der freien Strecke, sondern auch innerhalb der Bahnhöfe scharfe Krümmungen möglichst vermeiden, also beispielsweise unter günstigen Umständen nicht unter 1300 m, und wo dies nicht möglich, wenigstens nicht unter 700 m herabgehen. Folgen zwei entgegengesetzt gerichtete Krümmungen dicht hintereinander, so entstehen bei schnellfahrenden Zügen starke Stöße. Man sucht daher Gegenkrümmungen überhaupt zu vermeiden, oder wenigstens durch Anwendung großer Halbmesser und langer Zwischengeraden unschädlich zu machen. In den Nebengleisen der Bahnhöfe wendet man dagegen unbedenklich scharfe Krümmungen an, um die Gleisentwicklungen möglichst abzukürzen (s. Absteckungen, Abzweigung, Gegenkrümmungen, Gleisverbindung).

Vorschriften in den einzelnen Ländern.

In Deutschland sind nach der BO. auf Hauptbahnen in durchgehenden Hauptgleisen Krümmungen von weniger als 180 m Halbmesser nicht zulässig. Doch bedarf die Anwendung eines Halbmessers unter 300 m auf freier Strecke der Genehmigung der Landesaufsichtsbehörde und der Zustimmung des Reichseisenbahnamtes. Entgegengesetzte Krümmungen der durchgehenden Hauptgleise sind durch eine Gerade zu verbinden, die zwischen den Endpunkten der Überhöhungsrampen mindestens 30 m lang sein muß. Auch auf Nebenbahnen sollen die Hauptgleise Krümmungen von mindestens 180 m haben, falls Fahrzeuge der Hauptbahnen übergehen sollen; sonst dürfen sie auf 100 m herabgehen. Die Zwischengerade braucht hier nur 10 m lang zu sein. Für die preußisch-hessischen Staatsbahnen sind in der Anweisung für das Entwerfen von Eisenbahnstationen v. J. 1905 ergänzende Bestimmungen gegeben. Darnach sind in allen Gleisen (also auch den Nebengleisen), die von Hauptbahnlokomotiven befahren werden - abgesehen von Weichenkrümmungen - Halbmesser von weniger als 180 m zu vermeiden. In Gleisen, die nicht von Hauptbahnlokomotiven befahren werden, darf der K. bis auf 140 m herabgehen. Werden Gleise nur von Lokomotiven mit einem festen Radstande von nicht mehr als 3 m und Wagen mit einem Radstande von nicht mehr als 4·5 m befahren, so ist sogar ein Halbmesser bis zu 100 m herab zulässig.

Wegen der starken Abnutzung der Schienen und des großen Bahnwiderstandes in engen Krümmungen soll - wo es irgend wirtschaftlich gerechtfertigt erscheint - bei den preußischen Nebenbahnen auf freier Strecke ein K. unter 250 m vermieden und wo es angängig ist, nicht unter 300 m herabgegangen werden (Zentralbl. d. Bauverw. 1897, S. 312).

Gegenkrümmungen in Schnellzugstrecken sollen auf den preußisch-hessischen Staatsbahnen, soweit irgend möglich, Halbmesser von 3000 m und Zwischengeraden

u. a. bei C. Mutzner, Die virtuellen Längen der Eisenbahnen. Zürich und Leipzig 1914.

Mit Rücksicht auf die Erhöhung des Fahrwiderstandes in den Bogen wird in den TV. des VDEV. 1909, § 118, empfohlen, für Bahnen, auf deren freien Strecken vielfach die nachbezeichneten Krümmungen vorkommen, den festen Radstand der Wagen nicht größer zu wählen als:


3·9 m beiR = 180 m
4·3 m beiR = 210 m
4·6 m beiR = 250 m u. s. w.,

doch werde die Betriebssicherheit nicht gefährdet, wenn größere feste Radstände angewendet würden, u. zw.:


4·5 m beiR = 180 m
4·9 m beiR = 210 m
5·4 m beiR = 250 m u. s. w.

Ein weiterer Nachteil der Krümmungen ist – wie erwähnt – die starke Abnutzung der Schienen, besonders bei kleinen K. Nach den Beobachtungen auf einer preußischen Nebenbahn war die Liegedauer der Schienen in Krümmungen von 250 m dreimal so groß als in solchen von 180 m Halbmesser. Die Abnutzung wird selbst bei geringer Fahrgeschwindigkeit durch das Anstreifen des führenden Rades hervorgerufen. Bei größerer Geschwindigkeit kommt dazu die Wirkung der Fliehkraft. Man sucht diese Einflüsse durch Vergrößerung der Spurweite, Überhöhung des äußeren Schienenstranges und durch Anbringen von Leitschienen (s. d.) am inneren Schienenstrang herabzumindern, verwendet außerdem auch wohl für Bogen besonders verschleißfeste Schienen. Ein weiteres Mittel zur Verringerung des Widerstandes und der Abnutzung bietet eine zweckmäßige Ausbildung der Lokomotiven und Wagen (Lenkachsen, Drehgestelle, seitliche Verschiebbarkeit der Achsen u. s. w.) sowie Schmieren oder Nässen der Schienen, bzw. Radreifen.

Die Entgleisungsgefahr in scharfen Krümmungen ist in erster Linie auf die Fliehkraft zurückzuführen. Da diese mit dem Quadrat der Geschwindigkeit und im umgekehrten Verhältnis mit dem K. wächst, so ist bei vielen Bahnverwaltungen in Krümmungen eine Verminderung der Fahrgeschwindigkeit vorgeschrieben. Auf den deutschen Hauptbahnen darf beispielsweise in Krümmungen mit einem Halbmesser von 1200 m die Fahrgeschwindigkeit höchstens 115 km/Std. betragen, bei 1000 m Halbmesser 105, bei 800 m dagegen 95. In England ist man weniger vorsichtig; dort pflegen die zurzeit am schnellsten fahrenden Züge in Bogen von 1600 m Halbmesser die Höchstgeschwindigkeit (120 km/Std.) gar nicht, in solchen von 800–1600 m um wenig zu verringern; durch Bogen von 400–800 m Halbmesser fährt man oft noch mit 90 km/Std. hindurch, während z. B. die deutschen Vorschriften bei 400 m Halbmesser nur 75 km Stundengeschwindigkeit zulassen. (J. Frahm, Das englische Eisenbahnwesen. Berlin 1911, S. 44 u. 77.)

Auf allen Bahnlinien mit Schnellzugsverkehr sollte man in den durchgehenden Hauptgleisen nicht nur auf der freien Strecke, sondern auch innerhalb der Bahnhöfe scharfe Krümmungen möglichst vermeiden, also beispielsweise unter günstigen Umständen nicht unter 1300 m, und wo dies nicht möglich, wenigstens nicht unter 700 m herabgehen. Folgen zwei entgegengesetzt gerichtete Krümmungen dicht hintereinander, so entstehen bei schnellfahrenden Zügen starke Stöße. Man sucht daher Gegenkrümmungen überhaupt zu vermeiden, oder wenigstens durch Anwendung großer Halbmesser und langer Zwischengeraden unschädlich zu machen. In den Nebengleisen der Bahnhöfe wendet man dagegen unbedenklich scharfe Krümmungen an, um die Gleisentwicklungen möglichst abzukürzen (s. Absteckungen, Abzweigung, Gegenkrümmungen, Gleisverbindung).

Vorschriften in den einzelnen Ländern.

In Deutschland sind nach der BO. auf Hauptbahnen in durchgehenden Hauptgleisen Krümmungen von weniger als 180 m Halbmesser nicht zulässig. Doch bedarf die Anwendung eines Halbmessers unter 300 m auf freier Strecke der Genehmigung der Landesaufsichtsbehörde und der Zustimmung des Reichseisenbahnamtes. Entgegengesetzte Krümmungen der durchgehenden Hauptgleise sind durch eine Gerade zu verbinden, die zwischen den Endpunkten der Überhöhungsrampen mindestens 30 m lang sein muß. Auch auf Nebenbahnen sollen die Hauptgleise Krümmungen von mindestens 180 m haben, falls Fahrzeuge der Hauptbahnen übergehen sollen; sonst dürfen sie auf 100 m herabgehen. Die Zwischengerade braucht hier nur 10 m lang zu sein. Für die preußisch-hessischen Staatsbahnen sind in der Anweisung für das Entwerfen von Eisenbahnstationen v. J. 1905 ergänzende Bestimmungen gegeben. Darnach sind in allen Gleisen (also auch den Nebengleisen), die von Hauptbahnlokomotiven befahren werden – abgesehen von Weichenkrümmungen – Halbmesser von weniger als 180 m zu vermeiden. In Gleisen, die nicht von Hauptbahnlokomotiven befahren werden, darf der K. bis auf 140 m herabgehen. Werden Gleise nur von Lokomotiven mit einem festen Radstande von nicht mehr als 3 m und Wagen mit einem Radstande von nicht mehr als 4·5 m befahren, so ist sogar ein Halbmesser bis zu 100 m herab zulässig.

Wegen der starken Abnutzung der Schienen und des großen Bahnwiderstandes in engen Krümmungen soll – wo es irgend wirtschaftlich gerechtfertigt erscheint – bei den preußischen Nebenbahnen auf freier Strecke ein K. unter 250 m vermieden und wo es angängig ist, nicht unter 300 m herabgegangen werden (Zentralbl. d. Bauverw. 1897, S. 312).

Gegenkrümmungen in Schnellzugstrecken sollen auf den preußisch-hessischen Staatsbahnen, soweit irgend möglich, Halbmesser von 3000 m und Zwischengeraden

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[4/0012] u. a. bei C. Mutzner, Die virtuellen Längen der Eisenbahnen. Zürich und Leipzig 1914. Mit Rücksicht auf die Erhöhung des Fahrwiderstandes in den Bogen wird in den TV. des VDEV. 1909, § 118, empfohlen, für Bahnen, auf deren freien Strecken vielfach die nachbezeichneten Krümmungen vorkommen, den festen Radstand der Wagen nicht größer zu wählen als: 3·9 m bei R = 180 m 4·3 m bei R = 210 m 4·6 m bei R = 250 m u. s. w., doch werde die Betriebssicherheit nicht gefährdet, wenn größere feste Radstände angewendet würden, u. zw.: 4·5 m bei R = 180 m 4·9 m bei R = 210 m 5·4 m bei R = 250 m u. s. w. Ein weiterer Nachteil der Krümmungen ist – wie erwähnt – die starke Abnutzung der Schienen, besonders bei kleinen K. Nach den Beobachtungen auf einer preußischen Nebenbahn war die Liegedauer der Schienen in Krümmungen von 250 m dreimal so groß als in solchen von 180 m Halbmesser. Die Abnutzung wird selbst bei geringer Fahrgeschwindigkeit durch das Anstreifen des führenden Rades hervorgerufen. Bei größerer Geschwindigkeit kommt dazu die Wirkung der Fliehkraft. Man sucht diese Einflüsse durch Vergrößerung der Spurweite, Überhöhung des äußeren Schienenstranges und durch Anbringen von Leitschienen (s. d.) am inneren Schienenstrang herabzumindern, verwendet außerdem auch wohl für Bogen besonders verschleißfeste Schienen. Ein weiteres Mittel zur Verringerung des Widerstandes und der Abnutzung bietet eine zweckmäßige Ausbildung der Lokomotiven und Wagen (Lenkachsen, Drehgestelle, seitliche Verschiebbarkeit der Achsen u. s. w.) sowie Schmieren oder Nässen der Schienen, bzw. Radreifen. Die Entgleisungsgefahr in scharfen Krümmungen ist in erster Linie auf die Fliehkraft zurückzuführen. Da diese mit dem Quadrat der Geschwindigkeit und im umgekehrten Verhältnis mit dem K. wächst, so ist bei vielen Bahnverwaltungen in Krümmungen eine Verminderung der Fahrgeschwindigkeit vorgeschrieben. Auf den deutschen Hauptbahnen darf beispielsweise in Krümmungen mit einem Halbmesser von 1200 m die Fahrgeschwindigkeit höchstens 115 km/Std. betragen, bei 1000 m Halbmesser 105, bei 800 m dagegen 95. In England ist man weniger vorsichtig; dort pflegen die zurzeit am schnellsten fahrenden Züge in Bogen von 1600 m Halbmesser die Höchstgeschwindigkeit (120 km/Std.) gar nicht, in solchen von 800–1600 m um wenig zu verringern; durch Bogen von 400–800 m Halbmesser fährt man oft noch mit 90 km/Std. hindurch, während z. B. die deutschen Vorschriften bei 400 m Halbmesser nur 75 km Stundengeschwindigkeit zulassen. (J. Frahm, Das englische Eisenbahnwesen. Berlin 1911, S. 44 u. 77.) Auf allen Bahnlinien mit Schnellzugsverkehr sollte man in den durchgehenden Hauptgleisen nicht nur auf der freien Strecke, sondern auch innerhalb der Bahnhöfe scharfe Krümmungen möglichst vermeiden, also beispielsweise unter günstigen Umständen nicht unter 1300 m, und wo dies nicht möglich, wenigstens nicht unter 700 m herabgehen. Folgen zwei entgegengesetzt gerichtete Krümmungen dicht hintereinander, so entstehen bei schnellfahrenden Zügen starke Stöße. Man sucht daher Gegenkrümmungen überhaupt zu vermeiden, oder wenigstens durch Anwendung großer Halbmesser und langer Zwischengeraden unschädlich zu machen. In den Nebengleisen der Bahnhöfe wendet man dagegen unbedenklich scharfe Krümmungen an, um die Gleisentwicklungen möglichst abzukürzen (s. Absteckungen, Abzweigung, Gegenkrümmungen, Gleisverbindung). Vorschriften in den einzelnen Ländern. In Deutschland sind nach der BO. auf Hauptbahnen in durchgehenden Hauptgleisen Krümmungen von weniger als 180 m Halbmesser nicht zulässig. Doch bedarf die Anwendung eines Halbmessers unter 300 m auf freier Strecke der Genehmigung der Landesaufsichtsbehörde und der Zustimmung des Reichseisenbahnamtes. Entgegengesetzte Krümmungen der durchgehenden Hauptgleise sind durch eine Gerade zu verbinden, die zwischen den Endpunkten der Überhöhungsrampen mindestens 30 m lang sein muß. Auch auf Nebenbahnen sollen die Hauptgleise Krümmungen von mindestens 180 m haben, falls Fahrzeuge der Hauptbahnen übergehen sollen; sonst dürfen sie auf 100 m herabgehen. Die Zwischengerade braucht hier nur 10 m lang zu sein. Für die preußisch-hessischen Staatsbahnen sind in der Anweisung für das Entwerfen von Eisenbahnstationen v. J. 1905 ergänzende Bestimmungen gegeben. Darnach sind in allen Gleisen (also auch den Nebengleisen), die von Hauptbahnlokomotiven befahren werden – abgesehen von Weichenkrümmungen – Halbmesser von weniger als 180 m zu vermeiden. In Gleisen, die nicht von Hauptbahnlokomotiven befahren werden, darf der K. bis auf 140 m herabgehen. Werden Gleise nur von Lokomotiven mit einem festen Radstande von nicht mehr als 3 m und Wagen mit einem Radstande von nicht mehr als 4·5 m befahren, so ist sogar ein Halbmesser bis zu 100 m herab zulässig. Wegen der starken Abnutzung der Schienen und des großen Bahnwiderstandes in engen Krümmungen soll – wo es irgend wirtschaftlich gerechtfertigt erscheint – bei den preußischen Nebenbahnen auf freier Strecke ein K. unter 250 m vermieden und wo es angängig ist, nicht unter 300 m herabgegangen werden (Zentralbl. d. Bauverw. 1897, S. 312). Gegenkrümmungen in Schnellzugstrecken sollen auf den preußisch-hessischen Staatsbahnen, soweit irgend möglich, Halbmesser von 3000 m und Zwischengeraden

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 7. Berlin, Wien, 1915, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen07_1915/12>, abgerufen am 05.07.2024.