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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 6. Berlin, Wien, 1914.

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Erhaltung der Bahnanlagen samt Zubehör und rollendem Material jährlich in das Budget bestimmte Summen unter Berücksichtigung der Höhe der Betriebseinnahmen eingestellt werden sollten (mindestens 1000 Lire für 1 km zur Bestreitung der Unterhaltungskosten der Bahn und 9% der Betriebseinnahmen für die Erhaltung der Betriebsmittel).

Ein Gesetz vom 13. April 1911 traf Verfügungen wegen Verbesserung der Bezüge des Personals sowie wegen Schaffung einer Personalvertretung zur Prüfung gemeinsamer Wünsche der Angestellten in bezug auf materielle und Berufsinteressen. Außerdem ordnete dieses Gesetz an, daß nach Anhörung einer beratenden Kommission, der auch Vertreter des Handels, der Industrie, der Landwirtschaft und der Arbeiterschaft angehören sollen, bis zum Monat Juni 1912 durch kgl. Verordnungen zu einer Reform der staatlichen Eisenbahnverwaltung im Sinne einer Vereinfachung und Dezentralisation geschritten werden solle.

Der Regierung wurde die Vollmacht erteilt, nach Anhörung dieser Kommission die Reorganisation mit der Befugnis durchzuführen, hierbei die geltenden Bestimmungen mit Ausnahme jener über die Bilanz und die parlamentarische Überwachungskommission abzuändern.

Die Reorganisation der Verwaltung erfolgte nach Überwindung mannigfacher Schwierigkeiten und eingehendster Beratung im Schoße obgenannter Kommission mittels kgl. Verordnung vom 28. Juni 1912.

Darnach besteht der Verwaltungsrat fortan aus dem Generaldirektor als Vorsitzenden und neun Räten (darunter vier aus der Reihe der nicht beamteten Staatsbürger). Die Generaldirektion besteht aus vier Betriebsabteilungen (Servizi dell'esercizio), sodann aus sieben anderen Zentralabteilungen (darunter die Neubauabteilung und das Rechnungsbureau). Die Generaldirektion hat ihren Sitz in Rom, jedoch können einzelne Abteilungen und Ämter an andere Orte verlegt werden. Von dieser Befugnis ist für die Zugförderungs- und Wagenabteilung Gebrauch gemacht worden, die ihren Sitz in Florenz haben. Ein Betriebsamt für die Nebenbahnen in Sizilien ist in Palermo errichtet worden. Die Distriktsdirektionen, denen nach dem Gesetz von 1907 die Leitung des Betriebsdienstes sowie die technische, administrative und finanzielle Verwaltung in ihrem Bezirke insoweit abliegt, als sie nicht der Generaldirektion vorbehalten ist, blieben in der Organisation im wesentlichen unverändert. Ihre Abteilungen sind in der Abgrenzung des Geschäftskreises den Betriebsabteilungen der Generaldirektion nachgebildet, denen sie nach wie vor unmittelbar unterstehen. Sie erledigen innerhalb ihrer Zuständigkeit die Arbeiten selbständig, unabhängig vom Direktionspräsidenten.

Den Abteilungen unterstehen die durch die Neuordnung beibehaltenen Bahnerhaltungs- und Werkstättensektionen unmittelbar. Die Betriebs- und Maschinenämter wurden dagegen aufgelassen. Die Zahl der Distriktsdirektionen wurde von zehn auf zwölf vermehrt (Bari und Bologna).

V. Personalverhältnisse.

Die Lage der Eisenbahnbediensteten war während der Zeit des Privatbetriebs eine höchst ungünstige, infolgedessen setzte schon in den Siebzigerjahren eine Bewegung der Organisationen der Bediensteten zu dem Zwecke ein, um eine Besserung der Verhältnisse herbeizuführen. 1897 wurde diese Frage zum erstenmal in der Kammer angeschnitten. Durch Dekret vom 26. Juli 1897 wurde eine Untersuchungskommission eingesetzt, die die Lage der Eisenbahnbediensteten zu prüfen und Vorschläge zu erstatten hatte. 1898 berief die Regierung zur Verhütung einer Ausbreitung der Streikbewegung infolge der Auflösung der Liga die Mannschaften des beurlaubten Standes, die Eisenbahner waren, unter die Waffen und ließ sie als Soldaten den Eisenbahndienst versehen. Bis Ende 1898 wurde diese Maßregel aufrecht erhalten. Diese unter dem Schutze des Belagerungszustandes erlassene Verfügung hatte indes keine gesetzliche Grundlage und wurde über Veranlassung der Regierung ein Gesetz über die Militarisierung der Eisenbahner erlassen. Im Januar 1899 erschien der Bericht der Untersuchungskommission. Er gab den Eisenbahnern in einzelnen Punkten recht. Die Kommission empfahl die sofortige Ausführung von 12 Anträgen zur Sicherung eines geordneten Betriebs. Die Regierung trat in Unterhandlungen mit den Gesellschaften, die jedoch die notwendigen Gehaltsaufbesserungen nicht zugestehen wollten. Die Angelegenheit wurde einem Schiedsgericht überwiesen. Dieses entschied zu Ungunsten der Regierung, die nun die Sache einem Appellsgericht übergab. Inzwischen war die Unzufriedenheit der Eisenbahnbediensteten bis zum Jahre 1902 weiter gestiegen. Am 22. Februar brach ein Streik aus. Die Regierung leitete Verhandlungen zwischen den Gesellschaften und den Bediensteten ein, die zu einem günstigen Ergebnisse führten. Bei dieser Gelegenheit wurde den Eisenbahnern die Versicherung gegeben, daß beim Ablaufen der ersten 20 Jahre der Überlassungsverträge mit den Gesellschaften der Staat die Verträge entweder ganz lösen oder zumindest umändern würde. Als das bedeutungsvolle Jahr 1905 immer näherrückte, wählten die verschiedenen Organisationen ein Agitationskomitee, das im September 1904 einen Streik anordnete. Die Bewegung konnte jedoch nicht durchdringen. Es wurde nunmehr vom Agitationskomitee ein Nationalkongreß sämtlicher Eisenbahnerorganisationen einberufen und eine Denkschrift mit den Forderungen derselben ausgearbeitet, um sie der Regierung zu übergeben. Die Regierung ließ sich in Verhandlungen mit den Bediensteten nicht ein und brachte 1905 einen Gesetzentwurf ein, der den Eisenbahnbeamten den Charakter öffentlicher Beamten verlieh, ihnen damit die Waffe des Streiks und der

Erhaltung der Bahnanlagen samt Zubehör und rollendem Material jährlich in das Budget bestimmte Summen unter Berücksichtigung der Höhe der Betriebseinnahmen eingestellt werden sollten (mindestens 1000 Lire für 1 km zur Bestreitung der Unterhaltungskosten der Bahn und 9% der Betriebseinnahmen für die Erhaltung der Betriebsmittel).

Ein Gesetz vom 13. April 1911 traf Verfügungen wegen Verbesserung der Bezüge des Personals sowie wegen Schaffung einer Personalvertretung zur Prüfung gemeinsamer Wünsche der Angestellten in bezug auf materielle und Berufsinteressen. Außerdem ordnete dieses Gesetz an, daß nach Anhörung einer beratenden Kommission, der auch Vertreter des Handels, der Industrie, der Landwirtschaft und der Arbeiterschaft angehören sollen, bis zum Monat Juni 1912 durch kgl. Verordnungen zu einer Reform der staatlichen Eisenbahnverwaltung im Sinne einer Vereinfachung und Dezentralisation geschritten werden solle.

Der Regierung wurde die Vollmacht erteilt, nach Anhörung dieser Kommission die Reorganisation mit der Befugnis durchzuführen, hierbei die geltenden Bestimmungen mit Ausnahme jener über die Bilanz und die parlamentarische Überwachungskommission abzuändern.

Die Reorganisation der Verwaltung erfolgte nach Überwindung mannigfacher Schwierigkeiten und eingehendster Beratung im Schoße obgenannter Kommission mittels kgl. Verordnung vom 28. Juni 1912.

Darnach besteht der Verwaltungsrat fortan aus dem Generaldirektor als Vorsitzenden und neun Räten (darunter vier aus der Reihe der nicht beamteten Staatsbürger). Die Generaldirektion besteht aus vier Betriebsabteilungen (Servizi dell'esercizio), sodann aus sieben anderen Zentralabteilungen (darunter die Neubauabteilung und das Rechnungsbureau). Die Generaldirektion hat ihren Sitz in Rom, jedoch können einzelne Abteilungen und Ämter an andere Orte verlegt werden. Von dieser Befugnis ist für die Zugförderungs- und Wagenabteilung Gebrauch gemacht worden, die ihren Sitz in Florenz haben. Ein Betriebsamt für die Nebenbahnen in Sizilien ist in Palermo errichtet worden. Die Distriktsdirektionen, denen nach dem Gesetz von 1907 die Leitung des Betriebsdienstes sowie die technische, administrative und finanzielle Verwaltung in ihrem Bezirke insoweit abliegt, als sie nicht der Generaldirektion vorbehalten ist, blieben in der Organisation im wesentlichen unverändert. Ihre Abteilungen sind in der Abgrenzung des Geschäftskreises den Betriebsabteilungen der Generaldirektion nachgebildet, denen sie nach wie vor unmittelbar unterstehen. Sie erledigen innerhalb ihrer Zuständigkeit die Arbeiten selbständig, unabhängig vom Direktionspräsidenten.

Den Abteilungen unterstehen die durch die Neuordnung beibehaltenen Bahnerhaltungs- und Werkstättensektionen unmittelbar. Die Betriebs- und Maschinenämter wurden dagegen aufgelassen. Die Zahl der Distriktsdirektionen wurde von zehn auf zwölf vermehrt (Bari und Bologna).

V. Personalverhältnisse.

Die Lage der Eisenbahnbediensteten war während der Zeit des Privatbetriebs eine höchst ungünstige, infolgedessen setzte schon in den Siebzigerjahren eine Bewegung der Organisationen der Bediensteten zu dem Zwecke ein, um eine Besserung der Verhältnisse herbeizuführen. 1897 wurde diese Frage zum erstenmal in der Kammer angeschnitten. Durch Dekret vom 26. Juli 1897 wurde eine Untersuchungskommission eingesetzt, die die Lage der Eisenbahnbediensteten zu prüfen und Vorschläge zu erstatten hatte. 1898 berief die Regierung zur Verhütung einer Ausbreitung der Streikbewegung infolge der Auflösung der Liga die Mannschaften des beurlaubten Standes, die Eisenbahner waren, unter die Waffen und ließ sie als Soldaten den Eisenbahndienst versehen. Bis Ende 1898 wurde diese Maßregel aufrecht erhalten. Diese unter dem Schutze des Belagerungszustandes erlassene Verfügung hatte indes keine gesetzliche Grundlage und wurde über Veranlassung der Regierung ein Gesetz über die Militarisierung der Eisenbahner erlassen. Im Januar 1899 erschien der Bericht der Untersuchungskommission. Er gab den Eisenbahnern in einzelnen Punkten recht. Die Kommission empfahl die sofortige Ausführung von 12 Anträgen zur Sicherung eines geordneten Betriebs. Die Regierung trat in Unterhandlungen mit den Gesellschaften, die jedoch die notwendigen Gehaltsaufbesserungen nicht zugestehen wollten. Die Angelegenheit wurde einem Schiedsgericht überwiesen. Dieses entschied zu Ungunsten der Regierung, die nun die Sache einem Appellsgericht übergab. Inzwischen war die Unzufriedenheit der Eisenbahnbediensteten bis zum Jahre 1902 weiter gestiegen. Am 22. Februar brach ein Streik aus. Die Regierung leitete Verhandlungen zwischen den Gesellschaften und den Bediensteten ein, die zu einem günstigen Ergebnisse führten. Bei dieser Gelegenheit wurde den Eisenbahnern die Versicherung gegeben, daß beim Ablaufen der ersten 20 Jahre der Überlassungsverträge mit den Gesellschaften der Staat die Verträge entweder ganz lösen oder zumindest umändern würde. Als das bedeutungsvolle Jahr 1905 immer näherrückte, wählten die verschiedenen Organisationen ein Agitationskomitee, das im September 1904 einen Streik anordnete. Die Bewegung konnte jedoch nicht durchdringen. Es wurde nunmehr vom Agitationskomitee ein Nationalkongreß sämtlicher Eisenbahnerorganisationen einberufen und eine Denkschrift mit den Forderungen derselben ausgearbeitet, um sie der Regierung zu übergeben. Die Regierung ließ sich in Verhandlungen mit den Bediensteten nicht ein und brachte 1905 einen Gesetzentwurf ein, der den Eisenbahnbeamten den Charakter öffentlicher Beamten verlieh, ihnen damit die Waffe des Streiks und der

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[295/0310] Erhaltung der Bahnanlagen samt Zubehör und rollendem Material jährlich in das Budget bestimmte Summen unter Berücksichtigung der Höhe der Betriebseinnahmen eingestellt werden sollten (mindestens 1000 Lire für 1 km zur Bestreitung der Unterhaltungskosten der Bahn und 9% der Betriebseinnahmen für die Erhaltung der Betriebsmittel). Ein Gesetz vom 13. April 1911 traf Verfügungen wegen Verbesserung der Bezüge des Personals sowie wegen Schaffung einer Personalvertretung zur Prüfung gemeinsamer Wünsche der Angestellten in bezug auf materielle und Berufsinteressen. Außerdem ordnete dieses Gesetz an, daß nach Anhörung einer beratenden Kommission, der auch Vertreter des Handels, der Industrie, der Landwirtschaft und der Arbeiterschaft angehören sollen, bis zum Monat Juni 1912 durch kgl. Verordnungen zu einer Reform der staatlichen Eisenbahnverwaltung im Sinne einer Vereinfachung und Dezentralisation geschritten werden solle. Der Regierung wurde die Vollmacht erteilt, nach Anhörung dieser Kommission die Reorganisation mit der Befugnis durchzuführen, hierbei die geltenden Bestimmungen mit Ausnahme jener über die Bilanz und die parlamentarische Überwachungskommission abzuändern. Die Reorganisation der Verwaltung erfolgte nach Überwindung mannigfacher Schwierigkeiten und eingehendster Beratung im Schoße obgenannter Kommission mittels kgl. Verordnung vom 28. Juni 1912. Darnach besteht der Verwaltungsrat fortan aus dem Generaldirektor als Vorsitzenden und neun Räten (darunter vier aus der Reihe der nicht beamteten Staatsbürger). Die Generaldirektion besteht aus vier Betriebsabteilungen (Servizi dell'esercizio), sodann aus sieben anderen Zentralabteilungen (darunter die Neubauabteilung und das Rechnungsbureau). Die Generaldirektion hat ihren Sitz in Rom, jedoch können einzelne Abteilungen und Ämter an andere Orte verlegt werden. Von dieser Befugnis ist für die Zugförderungs- und Wagenabteilung Gebrauch gemacht worden, die ihren Sitz in Florenz haben. Ein Betriebsamt für die Nebenbahnen in Sizilien ist in Palermo errichtet worden. Die Distriktsdirektionen, denen nach dem Gesetz von 1907 die Leitung des Betriebsdienstes sowie die technische, administrative und finanzielle Verwaltung in ihrem Bezirke insoweit abliegt, als sie nicht der Generaldirektion vorbehalten ist, blieben in der Organisation im wesentlichen unverändert. Ihre Abteilungen sind in der Abgrenzung des Geschäftskreises den Betriebsabteilungen der Generaldirektion nachgebildet, denen sie nach wie vor unmittelbar unterstehen. Sie erledigen innerhalb ihrer Zuständigkeit die Arbeiten selbständig, unabhängig vom Direktionspräsidenten. Den Abteilungen unterstehen die durch die Neuordnung beibehaltenen Bahnerhaltungs- und Werkstättensektionen unmittelbar. Die Betriebs- und Maschinenämter wurden dagegen aufgelassen. Die Zahl der Distriktsdirektionen wurde von zehn auf zwölf vermehrt (Bari und Bologna). V. Personalverhältnisse. Die Lage der Eisenbahnbediensteten war während der Zeit des Privatbetriebs eine höchst ungünstige, infolgedessen setzte schon in den Siebzigerjahren eine Bewegung der Organisationen der Bediensteten zu dem Zwecke ein, um eine Besserung der Verhältnisse herbeizuführen. 1897 wurde diese Frage zum erstenmal in der Kammer angeschnitten. Durch Dekret vom 26. Juli 1897 wurde eine Untersuchungskommission eingesetzt, die die Lage der Eisenbahnbediensteten zu prüfen und Vorschläge zu erstatten hatte. 1898 berief die Regierung zur Verhütung einer Ausbreitung der Streikbewegung infolge der Auflösung der Liga die Mannschaften des beurlaubten Standes, die Eisenbahner waren, unter die Waffen und ließ sie als Soldaten den Eisenbahndienst versehen. Bis Ende 1898 wurde diese Maßregel aufrecht erhalten. Diese unter dem Schutze des Belagerungszustandes erlassene Verfügung hatte indes keine gesetzliche Grundlage und wurde über Veranlassung der Regierung ein Gesetz über die Militarisierung der Eisenbahner erlassen. Im Januar 1899 erschien der Bericht der Untersuchungskommission. Er gab den Eisenbahnern in einzelnen Punkten recht. Die Kommission empfahl die sofortige Ausführung von 12 Anträgen zur Sicherung eines geordneten Betriebs. Die Regierung trat in Unterhandlungen mit den Gesellschaften, die jedoch die notwendigen Gehaltsaufbesserungen nicht zugestehen wollten. Die Angelegenheit wurde einem Schiedsgericht überwiesen. Dieses entschied zu Ungunsten der Regierung, die nun die Sache einem Appellsgericht übergab. Inzwischen war die Unzufriedenheit der Eisenbahnbediensteten bis zum Jahre 1902 weiter gestiegen. Am 22. Februar brach ein Streik aus. Die Regierung leitete Verhandlungen zwischen den Gesellschaften und den Bediensteten ein, die zu einem günstigen Ergebnisse führten. Bei dieser Gelegenheit wurde den Eisenbahnern die Versicherung gegeben, daß beim Ablaufen der ersten 20 Jahre der Überlassungsverträge mit den Gesellschaften der Staat die Verträge entweder ganz lösen oder zumindest umändern würde. Als das bedeutungsvolle Jahr 1905 immer näherrückte, wählten die verschiedenen Organisationen ein Agitationskomitee, das im September 1904 einen Streik anordnete. Die Bewegung konnte jedoch nicht durchdringen. Es wurde nunmehr vom Agitationskomitee ein Nationalkongreß sämtlicher Eisenbahnerorganisationen einberufen und eine Denkschrift mit den Forderungen derselben ausgearbeitet, um sie der Regierung zu übergeben. Die Regierung ließ sich in Verhandlungen mit den Bediensteten nicht ein und brachte 1905 einen Gesetzentwurf ein, der den Eisenbahnbeamten den Charakter öffentlicher Beamten verlieh, ihnen damit die Waffe des Streiks und der

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 6. Berlin, Wien, 1914, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen06_1914/310>, abgerufen am 25.11.2024.