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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 3. Berlin, Wien, 1912.

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Wochen seit der ergangenen Aufforderung ein. Sie ist auch vor Ablauf dieser Fristen nicht ausgeschlossen, wenn sie durch besondere erschwerende Umstände gerechtfertigt erscheint. Die D. wird aber andererseits nicht verhängt, wenn sich ergibt, daß der Beamte ohne seine Schuld von seinem Amte fern gewesen ist. Die Verwirkung der D. muß stets durch Entscheidung im förmlichen Disziplinarverfahren ausgesprochen werden. Demnach hat der Entscheidung auf Entfernung aus dem Amte jedesmal auch eine durch das vorgeschriebene förmliche Disziplinarverfahren bedingte schriftliche Voruntersuchung vorherzugehen, auch wenn die Tatsache des Dienstvergehens aktenmäßig feststeht und es zur Aufklärung der Sache und zur Rechtfertigung der Anklage weder der Vernehmung von Zeugen noch der Herbeischaffung anderer Beweise bedarf. Für die höheren Beamten ist der Disziplinarhof zu Berlin das Disziplinargericht erster Instanz und das Staatsministerium zweiter Instanz. Für die mittleren und unteren Beamten ist die Eisenbahndirektion die erste Instanz und die zweite Instanz das Staatsministerium, das nach Einholung eines Gutachtens des Disziplinarhofes entscheidet.

Bei den bayerischen Staatsbahnen wird, ebenso wie in Preußen, die D. gegen einen Beamten verhängt, wenn wegen der Schwere eines Dienstvergehens eine Ordnungsstrafe oder die Strafversetzung nicht als ausreichende Sühne erscheinen. Die Einleitung des Disziplinarverfahrens ist bei der Disziplinarkammer zu beantragen. Zuständig sind

a) das Staatsministerium für Verkehrsangelegenheiten gegenüber den Beamten bis Klasse 13 der Gehaltsordnung einschließlich und dem übrigen, dem Ministerium unterstellten oder unterstellt gewesenen Personale;

b) die Eisenbahndirektionen gegenüber dem unterstellten oder unterstellt gewesenen Personale.

Der Antrag auf Einleitung des Disziplinarverfahrens ist an den Präsidenten der "Disziplinarkammer für nichtrichterliche Beamte" zu stellen. Disziplinarkammern sind am Sitze der Oberlandesgerichte in Augsburg, Bamberg, München, Nürnberg und Zweibrücken gebildet. Zuständig ist die Disziplinarkammer, in deren Bezirk der Beschuldigte zur Zeit der Einleitung des Disziplinarverfahrens seinen Dienstsitz hat, und wenn dieser sich außerhalb Bayerns befindet, die Disziplinarkammer München für nichtrichterliche Beamte.

Bei den sächsischen Staatsbahnen kann die D. nach den Gesetzen vom 7. März 1835 und vom 3. Juni 1876 dann verfügt werden, wenn ein Beamter in Konkurs verfallen ist oder sich in ungeordneter Vermögenslage befindet und hierdurch das Ansehen beeinträchtigt wird, das seine dienstliche Stellung erfordert. Das entscheidende Disziplinargericht bildet in erster Instanz die Disziplinarkammer, in zweiter Instanz der Disziplinarhof.

Nach dem württembergischen Beamtengesetz vom 28. Juni 1876/1. August 1907 kann auf D., abgesehen von anderen Dienstvergehen grober Art, auch wegen solcher Handlungen, deren der Beamte sich vor der Amtsübernahme schuldig gemacht hat, erkannt werden, wenn dadurch das Ansehen des Beamten derart geschmälert ist, daß diese Maßregel geboten erscheint. Als Voraussetzung hierfür kommt allerdings in Betracht, daß die Dienstbehörde vor der Anstellung keine Kenntnis von den fraglichen vor der Amtsübernahme begangenen Handlungen hatte.

Der Entfernung vom Amte muß bei den auf Lebenszeit angestellten Beamten ein förmliches Disziplinarverfahren vorhergehen. Die Einleitung des Verfahrens wird von dem zuständigen Ministerium verfügt. Bei den auf Kündigung angestellten Beamten wird die alsbaldige D. durch die für die Kündigung zuständigen Behörden verfügt.

Liegen besondere mildernde Umstände vor, so kann in der die D. aussprechenden Entscheidung oder Verfügung zugleich festgesetzt werden, daß ein Teil des gesetzlichen Ruhegehaltes, im Höchstbetrage von zwei Dritteilen, auf Lebenszeit oder auf bestimmte Zeit gewährt wird.

Bei den badischen Staatsbahnen bestimmt sich die Frage, ob und wann die D. zu verhängen ist, nach der Erheblichkeit des Dienstvergehens mit besonderer Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Angeschuldigten (§ 83 des badischen Beamtengesetzes vom 12. August 1908). Auf Entfernung aus dem staatlichen Dienste kann im übrigen auch hier wegen solcher Handlungen erkannt werden, deren sich der Beamte vor dem Eintritt in den staatlichen Dienst schuldig gemacht hat, sofern durch diese Handlungen die Achtung und das Vertrauen, die sein Beruf erfordert, in einer Weise geschmälert wird, daß diese Maßregel geboten erscheint.

Bei den österreichischen Staatsbahnen können folgende Vergehen die Strafe der D. begründen:

1. Verheimlichung eines Ausschließungsgrundes bei der Aufnahme.

2. Agitationen, die die Disziplin zu lockern geeignet sind, Verhetzungen des Personals, Schmähungen der Vorgesetzten oder der vorgesetzten Behörden, u. zw. gegen Anstifter, sowie bei erschwerenden Umständen gegen die unmittelbaren Täter und jene, denen eine vorsätzliche Teilnahme zur Last fällt;

3. gewissenlose Qualifikation eines Untergebenen;

4. Mißhandlung eines Untergebenen;

5. Widersetzlichkeit, Ungehorsam im Dienste und Dienstesverweigerung;

6. Geschenkannahme;

7. Trunkenheit im Eisenbahnbetriebsdienst oder unter erschwerenden Umständen im Dienste überhaupt;

8. vorsätzliche Verletzung des Amtsgeheimnisses;

9. Ausbleiben vom Dienste und Urlaubsüberschreitung unter erschwerenden Umständen; wenn ein Bediensteter über 3 Wochen oder nach erhaltener Aufforderung, das Amt anzutreten oder in dieses zurückzukehren, länger als eine Woche oder schon wiederholt eigenmächtig vom Dienste ausgeblieben ist u. a.;

10. schwere, die Sicherheit des Betriebes gefährdende Übertretungen oder Außerachtlassungen der Verkehrsvorschriften;

11. unredliche oder unsittliche Handlungen;

12. unwürdiges Verhalten unter erschwerenden Umständen;

13. falsche Zeugenaussage im Disziplinarverfahren;

14. vorschriftswidrige Gebarung mit vertraulichen Instruktionen und Behelfen unter erschwerenden Umständen;

15. wiederholte Verletzung sonstiger wesentlicher Dienstpflichten trotz mehrmals vorangegangener Disziplinarstrafen.

Zur Einleitung des Disziplinarverfahrens ist der Vorstand der Behörde berufen, der der Bedienstete zu dieser Zeit untersteht. Die erste Instanz bilden

Wochen seit der ergangenen Aufforderung ein. Sie ist auch vor Ablauf dieser Fristen nicht ausgeschlossen, wenn sie durch besondere erschwerende Umstände gerechtfertigt erscheint. Die D. wird aber andererseits nicht verhängt, wenn sich ergibt, daß der Beamte ohne seine Schuld von seinem Amte fern gewesen ist. Die Verwirkung der D. muß stets durch Entscheidung im förmlichen Disziplinarverfahren ausgesprochen werden. Demnach hat der Entscheidung auf Entfernung aus dem Amte jedesmal auch eine durch das vorgeschriebene förmliche Disziplinarverfahren bedingte schriftliche Voruntersuchung vorherzugehen, auch wenn die Tatsache des Dienstvergehens aktenmäßig feststeht und es zur Aufklärung der Sache und zur Rechtfertigung der Anklage weder der Vernehmung von Zeugen noch der Herbeischaffung anderer Beweise bedarf. Für die höheren Beamten ist der Disziplinarhof zu Berlin das Disziplinargericht erster Instanz und das Staatsministerium zweiter Instanz. Für die mittleren und unteren Beamten ist die Eisenbahndirektion die erste Instanz und die zweite Instanz das Staatsministerium, das nach Einholung eines Gutachtens des Disziplinarhofes entscheidet.

Bei den bayerischen Staatsbahnen wird, ebenso wie in Preußen, die D. gegen einen Beamten verhängt, wenn wegen der Schwere eines Dienstvergehens eine Ordnungsstrafe oder die Strafversetzung nicht als ausreichende Sühne erscheinen. Die Einleitung des Disziplinarverfahrens ist bei der Disziplinarkammer zu beantragen. Zuständig sind

a) das Staatsministerium für Verkehrsangelegenheiten gegenüber den Beamten bis Klasse 13 der Gehaltsordnung einschließlich und dem übrigen, dem Ministerium unterstellten oder unterstellt gewesenen Personale;

b) die Eisenbahndirektionen gegenüber dem unterstellten oder unterstellt gewesenen Personale.

Der Antrag auf Einleitung des Disziplinarverfahrens ist an den Präsidenten der „Disziplinarkammer für nichtrichterliche Beamte“ zu stellen. Disziplinarkammern sind am Sitze der Oberlandesgerichte in Augsburg, Bamberg, München, Nürnberg und Zweibrücken gebildet. Zuständig ist die Disziplinarkammer, in deren Bezirk der Beschuldigte zur Zeit der Einleitung des Disziplinarverfahrens seinen Dienstsitz hat, und wenn dieser sich außerhalb Bayerns befindet, die Disziplinarkammer München für nichtrichterliche Beamte.

Bei den sächsischen Staatsbahnen kann die D. nach den Gesetzen vom 7. März 1835 und vom 3. Juni 1876 dann verfügt werden, wenn ein Beamter in Konkurs verfallen ist oder sich in ungeordneter Vermögenslage befindet und hierdurch das Ansehen beeinträchtigt wird, das seine dienstliche Stellung erfordert. Das entscheidende Disziplinargericht bildet in erster Instanz die Disziplinarkammer, in zweiter Instanz der Disziplinarhof.

Nach dem württembergischen Beamtengesetz vom 28. Juni 1876/1. August 1907 kann auf D., abgesehen von anderen Dienstvergehen grober Art, auch wegen solcher Handlungen, deren der Beamte sich vor der Amtsübernahme schuldig gemacht hat, erkannt werden, wenn dadurch das Ansehen des Beamten derart geschmälert ist, daß diese Maßregel geboten erscheint. Als Voraussetzung hierfür kommt allerdings in Betracht, daß die Dienstbehörde vor der Anstellung keine Kenntnis von den fraglichen vor der Amtsübernahme begangenen Handlungen hatte.

Der Entfernung vom Amte muß bei den auf Lebenszeit angestellten Beamten ein förmliches Disziplinarverfahren vorhergehen. Die Einleitung des Verfahrens wird von dem zuständigen Ministerium verfügt. Bei den auf Kündigung angestellten Beamten wird die alsbaldige D. durch die für die Kündigung zuständigen Behörden verfügt.

Liegen besondere mildernde Umstände vor, so kann in der die D. aussprechenden Entscheidung oder Verfügung zugleich festgesetzt werden, daß ein Teil des gesetzlichen Ruhegehaltes, im Höchstbetrage von zwei Dritteilen, auf Lebenszeit oder auf bestimmte Zeit gewährt wird.

Bei den badischen Staatsbahnen bestimmt sich die Frage, ob und wann die D. zu verhängen ist, nach der Erheblichkeit des Dienstvergehens mit besonderer Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Angeschuldigten (§ 83 des badischen Beamtengesetzes vom 12. August 1908). Auf Entfernung aus dem staatlichen Dienste kann im übrigen auch hier wegen solcher Handlungen erkannt werden, deren sich der Beamte vor dem Eintritt in den staatlichen Dienst schuldig gemacht hat, sofern durch diese Handlungen die Achtung und das Vertrauen, die sein Beruf erfordert, in einer Weise geschmälert wird, daß diese Maßregel geboten erscheint.

Bei den österreichischen Staatsbahnen können folgende Vergehen die Strafe der D. begründen:

1. Verheimlichung eines Ausschließungsgrundes bei der Aufnahme.

2. Agitationen, die die Disziplin zu lockern geeignet sind, Verhetzungen des Personals, Schmähungen der Vorgesetzten oder der vorgesetzten Behörden, u. zw. gegen Anstifter, sowie bei erschwerenden Umständen gegen die unmittelbaren Täter und jene, denen eine vorsätzliche Teilnahme zur Last fällt;

3. gewissenlose Qualifikation eines Untergebenen;

4. Mißhandlung eines Untergebenen;

5. Widersetzlichkeit, Ungehorsam im Dienste und Dienstesverweigerung;

6. Geschenkannahme;

7. Trunkenheit im Eisenbahnbetriebsdienst oder unter erschwerenden Umständen im Dienste überhaupt;

8. vorsätzliche Verletzung des Amtsgeheimnisses;

9. Ausbleiben vom Dienste und Urlaubsüberschreitung unter erschwerenden Umständen; wenn ein Bediensteter über 3 Wochen oder nach erhaltener Aufforderung, das Amt anzutreten oder in dieses zurückzukehren, länger als eine Woche oder schon wiederholt eigenmächtig vom Dienste ausgeblieben ist u. a.;

10. schwere, die Sicherheit des Betriebes gefährdende Übertretungen oder Außerachtlassungen der Verkehrsvorschriften;

11. unredliche oder unsittliche Handlungen;

12. unwürdiges Verhalten unter erschwerenden Umständen;

13. falsche Zeugenaussage im Disziplinarverfahren;

14. vorschriftswidrige Gebarung mit vertraulichen Instruktionen und Behelfen unter erschwerenden Umständen;

15. wiederholte Verletzung sonstiger wesentlicher Dienstpflichten trotz mehrmals vorangegangener Disziplinarstrafen.

Zur Einleitung des Disziplinarverfahrens ist der Vorstand der Behörde berufen, der der Bedienstete zu dieser Zeit untersteht. Die erste Instanz bilden

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Disziplinarkammern sind am Sitze der Oberlandesgerichte in Augsburg, Bamberg, München, Nürnberg und Zweibrücken gebildet. Zuständig ist die Disziplinarkammer, in deren Bezirk der Beschuldigte zur Zeit der Einleitung des Disziplinarverfahrens seinen Dienstsitz hat, und wenn dieser sich außerhalb Bayerns befindet, die Disziplinarkammer München für nichtrichterliche Beamte. Bei den sächsischen Staatsbahnen kann die D. nach den Gesetzen vom 7. März 1835 und vom 3. Juni 1876 dann verfügt werden, wenn ein Beamter in Konkurs verfallen ist oder sich in ungeordneter Vermögenslage befindet und hierdurch das Ansehen beeinträchtigt wird, das seine dienstliche Stellung erfordert. Das entscheidende Disziplinargericht bildet in erster Instanz die Disziplinarkammer, in zweiter Instanz der Disziplinarhof. Nach dem württembergischen Beamtengesetz vom 28. Juni 1876/1. August 1907 kann auf D., abgesehen von anderen Dienstvergehen grober Art, auch wegen solcher Handlungen, deren der Beamte sich vor der Amtsübernahme schuldig gemacht hat, erkannt werden, wenn dadurch das Ansehen des Beamten derart geschmälert ist, daß diese Maßregel geboten erscheint. Als Voraussetzung hierfür kommt allerdings in Betracht, daß die Dienstbehörde vor der Anstellung keine Kenntnis von den fraglichen vor der Amtsübernahme begangenen Handlungen hatte. Der Entfernung vom Amte muß bei den auf Lebenszeit angestellten Beamten ein förmliches Disziplinarverfahren vorhergehen. Die Einleitung des Verfahrens wird von dem zuständigen Ministerium verfügt. Bei den auf Kündigung angestellten Beamten wird die alsbaldige D. durch die für die Kündigung zuständigen Behörden verfügt. 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Verheimlichung eines Ausschließungsgrundes bei der Aufnahme. 2. Agitationen, die die Disziplin zu lockern geeignet sind, Verhetzungen des Personals, Schmähungen der Vorgesetzten oder der vorgesetzten Behörden, u. zw. gegen Anstifter, sowie bei erschwerenden Umständen gegen die unmittelbaren Täter und jene, denen eine vorsätzliche Teilnahme zur Last fällt; 3. gewissenlose Qualifikation eines Untergebenen; 4. Mißhandlung eines Untergebenen; 5. Widersetzlichkeit, Ungehorsam im Dienste und Dienstesverweigerung; 6. Geschenkannahme; 7. Trunkenheit im Eisenbahnbetriebsdienst oder unter erschwerenden Umständen im Dienste überhaupt; 8. vorsätzliche Verletzung des Amtsgeheimnisses; 9. 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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 3. Berlin, Wien, 1912, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen03_1912/355>, abgerufen am 21.11.2024.