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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 3. Berlin, Wien, 1912.

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von Vertretern aller deutschen Regierungen mit Staatsbahnbesitz statt, die die Herstellung einer Betriebsmittelgemeinschaft, die Personentarifreform und die Beseitigung der Umleitungen im Güterverkehr zum Gegenstand hatten. Allerdings sind die Hoffnungen, die an diese Beratungen geknüpft wurden, nicht völlig in Erfüllung gegangen. Die geplante Gemeinsamkeit des ganzen Fuhrparks kam nicht zu stände, aber es sind doch seitdem höchst wichtige Schritte auf dem Wege der Vereinheitlichung geschehen: es wurden zunächst die bisher im gegenseitigen Wettbewerb geübten Umleitungen im Güterverkehr in der Hauptsache beseitigt oder doch auf ein sehr geringes Maß zurückgeführt, und es kam weiter im Jahre 1906 nach langen Verhandlungen der Beschluß einer deutschen Personentarifreform zu stände. Näheres s. in dem Art. "Personentarife".

Aus der ursprünglich geplanten Betriebsmittelgemeinschaft entwickelte sich schließlich wenigstens eine solche der Güterwagen. Sie wurde durch den deutschen Staatsbahnwagenverband geschaffen, der am 1. April 1909 ins Leben trat und schon jetzt höchst segensreiche allseitig anerkannte Erfolge in der Schnelligkeit des Wagenumlaufs, der Verminderung der Leerläufe und der erheblichen Ersparung an Verwaltungskosten gezeitigt hat.

Besonders erfreulich ist an diesen Erfolgen, daß das Zusammenarbeiten der deutschen Staatsbahnverwaltungen in dem Verband, dessen Leitung in den Händen des im Jahre 1907 neu geschaffenen preußischen Eisenbahnzentralamts ruht, zu einem regelmäßigen Meinungsaustausch über eine Reihe gemeinschaftlicher Fragen führt und das Gefühl der Gemeinsamkeit der deutschen Eisenbahninteressen stärkt.

Aus der Eisenbahngeschichte der deutschen Einzelstaaten verdient in diesem Zeitraum namentlich die Neuordnung der bayerischen Staatsbahnverwaltung durch den tatkräftigen Staatsminister v. Frauendorfer Erwähnung. Näheres hierüber in dem Art. "Bayerische Eisenbahnen".

Die Schaffung und Einrichtung des bereits erwähnten preußischen Eisenbahnzentralamtes, das schon seither eine höchst erfolgreiche Wirksamkeit entfaltet hat, ist eine der bedeutendsten Amtshandlungen des preußischen Ministers der öffentlichen Arbeiten, v. Breitenbach, der im Jahre 1906 an Stelle des nach nur dreijähriger Ministertätigkeit verstorbenen Ministers v. Budde trat. Näheres s. unter "Preußische Eisenbahnen"

Eine recht unerfreuliche Erscheinung im Eisenbahnwesen, die ganz gleichmäßig bei fast allen Eisenbahnen der Welt auftrat, war in den Jahren 1907, 1908 und 1909 das Sinken der Betriebsüberschüsse infolge der fortgesetzten Steigerung der Ausgaben namentlich für Gehälter und Löhne in Verbindung mit einem verhältnismäßgen Stillstand der Eisenbahneinnahmen.

Seit 1909 und namentlich im Laufe der Jahre 1910 und 1911 ist überall in Deutschland ein sehr erfreulicher Aufschwung der wirtschaftlichen Lage eingetreten, der sich in einer fortgesetzten Steigerung der Eisenbahneinnahmen zeigt. Da es gleichzeitig meistens gelungen ist, die Ausgaben einzudämmen, so zeigten schon die Abschlüsse für 1909 und noch mehr die für 1910 eine bedeutende Besserung der Betriebsergebnisse. Die Betriebszahl sank bei Preußen-Hessen von 74·62% im Jahre 1908 auf 68·99% für 1909, auf 67·27% für 1910, bei Württemberg von 77·9 auf 72% und 68·31%, bei Baden von 85·92 auf 76·78% und 71·68%. Nur bei Bayern und Sachsen ist für 1909 noch eine geringe Erhöhung, für 1910 dagegen ein sehr erfreuliches Herabgehen, u. zw. in Bayern auf 66%, in Sachsen auf 70·69% eingetreten.

Auf dem technischen Gebiete sind unter den Ereignissen seit 1900 die denkwürdigen Schnellfahrten mit elektrischen Triebwagen hervorzuheben, die im Herbst 1903 von der zu diesem Zwecke aus den Kreisen der Elektrizitätsindustrie gebildeten Schnellverkehrsgesellschaft auf der Strecke der preußischen Militärbahn Marienfelde-Zossen ausgeführt wurden und bei denen am 6. Oktober von dem Wagen der Gesellschaft Siemens & Halske eine Stundengeschwindigkeit von 200 km, einige Tage nachher von dem Wagen der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft sogar eine solche von 210 km erreicht wurde. Bewundernd sah die Welt auf diese Glanzleistung der führenden deutschen Elektrizitätswerke. Wesentliche praktische Folgen haben diese Versuchsfahrten zwar nicht gehabt, doch dringt die Elektrizität im Eisenbahnwesen immer mehr vor, und die Zahl der elektrisch betriebenen Bahnen wächst in Deutschland von Jahr zu Jahr. Großartige Pläne beschäftigen unausgesetzt ebensosehr die deutschen Staatsbahnverwaltungen, vor allem Preußen, Bayern und Baden, wie die großen Elektrizitätsunternehmungen. Näheres s. unter "Elektrische Bahnen".

Hand in Hand mit den Erfolgen der Elektrizität gingen die Fortschritte im Dampfbetriebe. Der Bau der Lokomotive wurde immer

von Vertretern aller deutschen Regierungen mit Staatsbahnbesitz statt, die die Herstellung einer Betriebsmittelgemeinschaft, die Personentarifreform und die Beseitigung der Umleitungen im Güterverkehr zum Gegenstand hatten. Allerdings sind die Hoffnungen, die an diese Beratungen geknüpft wurden, nicht völlig in Erfüllung gegangen. Die geplante Gemeinsamkeit des ganzen Fuhrparks kam nicht zu stände, aber es sind doch seitdem höchst wichtige Schritte auf dem Wege der Vereinheitlichung geschehen: es wurden zunächst die bisher im gegenseitigen Wettbewerb geübten Umleitungen im Güterverkehr in der Hauptsache beseitigt oder doch auf ein sehr geringes Maß zurückgeführt, und es kam weiter im Jahre 1906 nach langen Verhandlungen der Beschluß einer deutschen Personentarifreform zu stände. Näheres s. in dem Art. „Personentarife“.

Aus der ursprünglich geplanten Betriebsmittelgemeinschaft entwickelte sich schließlich wenigstens eine solche der Güterwagen. Sie wurde durch den deutschen Staatsbahnwagenverband geschaffen, der am 1. April 1909 ins Leben trat und schon jetzt höchst segensreiche allseitig anerkannte Erfolge in der Schnelligkeit des Wagenumlaufs, der Verminderung der Leerläufe und der erheblichen Ersparung an Verwaltungskosten gezeitigt hat.

Besonders erfreulich ist an diesen Erfolgen, daß das Zusammenarbeiten der deutschen Staatsbahnverwaltungen in dem Verband, dessen Leitung in den Händen des im Jahre 1907 neu geschaffenen preußischen Eisenbahnzentralamts ruht, zu einem regelmäßigen Meinungsaustausch über eine Reihe gemeinschaftlicher Fragen führt und das Gefühl der Gemeinsamkeit der deutschen Eisenbahninteressen stärkt.

Aus der Eisenbahngeschichte der deutschen Einzelstaaten verdient in diesem Zeitraum namentlich die Neuordnung der bayerischen Staatsbahnverwaltung durch den tatkräftigen Staatsminister v. Frauendorfer Erwähnung. Näheres hierüber in dem Art. „Bayerische Eisenbahnen“.

Die Schaffung und Einrichtung des bereits erwähnten preußischen Eisenbahnzentralamtes, das schon seither eine höchst erfolgreiche Wirksamkeit entfaltet hat, ist eine der bedeutendsten Amtshandlungen des preußischen Ministers der öffentlichen Arbeiten, v. Breitenbach, der im Jahre 1906 an Stelle des nach nur dreijähriger Ministertätigkeit verstorbenen Ministers v. Budde trat. Näheres s. unter „Preußische Eisenbahnen“

Eine recht unerfreuliche Erscheinung im Eisenbahnwesen, die ganz gleichmäßig bei fast allen Eisenbahnen der Welt auftrat, war in den Jahren 1907, 1908 und 1909 das Sinken der Betriebsüberschüsse infolge der fortgesetzten Steigerung der Ausgaben namentlich für Gehälter und Löhne in Verbindung mit einem verhältnismäßgen Stillstand der Eisenbahneinnahmen.

Seit 1909 und namentlich im Laufe der Jahre 1910 und 1911 ist überall in Deutschland ein sehr erfreulicher Aufschwung der wirtschaftlichen Lage eingetreten, der sich in einer fortgesetzten Steigerung der Eisenbahneinnahmen zeigt. Da es gleichzeitig meistens gelungen ist, die Ausgaben einzudämmen, so zeigten schon die Abschlüsse für 1909 und noch mehr die für 1910 eine bedeutende Besserung der Betriebsergebnisse. Die Betriebszahl sank bei Preußen-Hessen von 74·62% im Jahre 1908 auf 68·99% für 1909, auf 67·27% für 1910, bei Württemberg von 77·9 auf 72% und 68·31%, bei Baden von 85·92 auf 76·78% und 71·68%. Nur bei Bayern und Sachsen ist für 1909 noch eine geringe Erhöhung, für 1910 dagegen ein sehr erfreuliches Herabgehen, u. zw. in Bayern auf 66%, in Sachsen auf 70·69% eingetreten.

Auf dem technischen Gebiete sind unter den Ereignissen seit 1900 die denkwürdigen Schnellfahrten mit elektrischen Triebwagen hervorzuheben, die im Herbst 1903 von der zu diesem Zwecke aus den Kreisen der Elektrizitätsindustrie gebildeten Schnellverkehrsgesellschaft auf der Strecke der preußischen Militärbahn Marienfelde-Zossen ausgeführt wurden und bei denen am 6. Oktober von dem Wagen der Gesellschaft Siemens & Halske eine Stundengeschwindigkeit von 200 km, einige Tage nachher von dem Wagen der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft sogar eine solche von 210 km erreicht wurde. Bewundernd sah die Welt auf diese Glanzleistung der führenden deutschen Elektrizitätswerke. Wesentliche praktische Folgen haben diese Versuchsfahrten zwar nicht gehabt, doch dringt die Elektrizität im Eisenbahnwesen immer mehr vor, und die Zahl der elektrisch betriebenen Bahnen wächst in Deutschland von Jahr zu Jahr. Großartige Pläne beschäftigen unausgesetzt ebensosehr die deutschen Staatsbahnverwaltungen, vor allem Preußen, Bayern und Baden, wie die großen Elektrizitätsunternehmungen. Näheres s. unter „Elektrische Bahnen“.

Hand in Hand mit den Erfolgen der Elektrizität gingen die Fortschritte im Dampfbetriebe. Der Bau der Lokomotive wurde immer

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von Vertretern aller deutschen Regierungen mit Staatsbahnbesitz statt, die die Herstellung einer Betriebsmittelgemeinschaft, die Personentarifreform und die Beseitigung der Umleitungen im Güterverkehr zum Gegenstand hatten. Allerdings sind die Hoffnungen, die an diese Beratungen geknüpft wurden, nicht völlig in Erfüllung gegangen. Die geplante Gemeinsamkeit des ganzen Fuhrparks kam nicht zu stände, aber es sind doch seitdem höchst wichtige Schritte auf dem Wege der Vereinheitlichung geschehen: es wurden zunächst die bisher im gegenseitigen Wettbewerb geübten <hi rendition="#g">Umleitungen im Güterverkehr</hi> in der Hauptsache beseitigt oder doch auf ein sehr geringes Maß zurückgeführt, und es kam weiter im Jahre 1906 nach langen Verhandlungen der Beschluß einer deutschen <hi rendition="#g">Personentarifreform</hi> zu stände. Näheres s. in dem Art. &#x201E;Personentarife&#x201C;.</p><lb/>
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[301/0315] von Vertretern aller deutschen Regierungen mit Staatsbahnbesitz statt, die die Herstellung einer Betriebsmittelgemeinschaft, die Personentarifreform und die Beseitigung der Umleitungen im Güterverkehr zum Gegenstand hatten. Allerdings sind die Hoffnungen, die an diese Beratungen geknüpft wurden, nicht völlig in Erfüllung gegangen. Die geplante Gemeinsamkeit des ganzen Fuhrparks kam nicht zu stände, aber es sind doch seitdem höchst wichtige Schritte auf dem Wege der Vereinheitlichung geschehen: es wurden zunächst die bisher im gegenseitigen Wettbewerb geübten Umleitungen im Güterverkehr in der Hauptsache beseitigt oder doch auf ein sehr geringes Maß zurückgeführt, und es kam weiter im Jahre 1906 nach langen Verhandlungen der Beschluß einer deutschen Personentarifreform zu stände. Näheres s. in dem Art. „Personentarife“. Aus der ursprünglich geplanten Betriebsmittelgemeinschaft entwickelte sich schließlich wenigstens eine solche der Güterwagen. Sie wurde durch den deutschen Staatsbahnwagenverband geschaffen, der am 1. April 1909 ins Leben trat und schon jetzt höchst segensreiche allseitig anerkannte Erfolge in der Schnelligkeit des Wagenumlaufs, der Verminderung der Leerläufe und der erheblichen Ersparung an Verwaltungskosten gezeitigt hat. Besonders erfreulich ist an diesen Erfolgen, daß das Zusammenarbeiten der deutschen Staatsbahnverwaltungen in dem Verband, dessen Leitung in den Händen des im Jahre 1907 neu geschaffenen preußischen Eisenbahnzentralamts ruht, zu einem regelmäßigen Meinungsaustausch über eine Reihe gemeinschaftlicher Fragen führt und das Gefühl der Gemeinsamkeit der deutschen Eisenbahninteressen stärkt. Aus der Eisenbahngeschichte der deutschen Einzelstaaten verdient in diesem Zeitraum namentlich die Neuordnung der bayerischen Staatsbahnverwaltung durch den tatkräftigen Staatsminister v. Frauendorfer Erwähnung. Näheres hierüber in dem Art. „Bayerische Eisenbahnen“. Die Schaffung und Einrichtung des bereits erwähnten preußischen Eisenbahnzentralamtes, das schon seither eine höchst erfolgreiche Wirksamkeit entfaltet hat, ist eine der bedeutendsten Amtshandlungen des preußischen Ministers der öffentlichen Arbeiten, v. Breitenbach, der im Jahre 1906 an Stelle des nach nur dreijähriger Ministertätigkeit verstorbenen Ministers v. Budde trat. Näheres s. unter „Preußische Eisenbahnen“ Eine recht unerfreuliche Erscheinung im Eisenbahnwesen, die ganz gleichmäßig bei fast allen Eisenbahnen der Welt auftrat, war in den Jahren 1907, 1908 und 1909 das Sinken der Betriebsüberschüsse infolge der fortgesetzten Steigerung der Ausgaben namentlich für Gehälter und Löhne in Verbindung mit einem verhältnismäßgen Stillstand der Eisenbahneinnahmen. Seit 1909 und namentlich im Laufe der Jahre 1910 und 1911 ist überall in Deutschland ein sehr erfreulicher Aufschwung der wirtschaftlichen Lage eingetreten, der sich in einer fortgesetzten Steigerung der Eisenbahneinnahmen zeigt. Da es gleichzeitig meistens gelungen ist, die Ausgaben einzudämmen, so zeigten schon die Abschlüsse für 1909 und noch mehr die für 1910 eine bedeutende Besserung der Betriebsergebnisse. Die Betriebszahl sank bei Preußen-Hessen von 74·62% im Jahre 1908 auf 68·99% für 1909, auf 67·27% für 1910, bei Württemberg von 77·9 auf 72% und 68·31%, bei Baden von 85·92 auf 76·78% und 71·68%. Nur bei Bayern und Sachsen ist für 1909 noch eine geringe Erhöhung, für 1910 dagegen ein sehr erfreuliches Herabgehen, u. zw. in Bayern auf 66%, in Sachsen auf 70·69% eingetreten. Auf dem technischen Gebiete sind unter den Ereignissen seit 1900 die denkwürdigen Schnellfahrten mit elektrischen Triebwagen hervorzuheben, die im Herbst 1903 von der zu diesem Zwecke aus den Kreisen der Elektrizitätsindustrie gebildeten Schnellverkehrsgesellschaft auf der Strecke der preußischen Militärbahn Marienfelde-Zossen ausgeführt wurden und bei denen am 6. Oktober von dem Wagen der Gesellschaft Siemens & Halske eine Stundengeschwindigkeit von 200 km, einige Tage nachher von dem Wagen der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft sogar eine solche von 210 km erreicht wurde. Bewundernd sah die Welt auf diese Glanzleistung der führenden deutschen Elektrizitätswerke. Wesentliche praktische Folgen haben diese Versuchsfahrten zwar nicht gehabt, doch dringt die Elektrizität im Eisenbahnwesen immer mehr vor, und die Zahl der elektrisch betriebenen Bahnen wächst in Deutschland von Jahr zu Jahr. Großartige Pläne beschäftigen unausgesetzt ebensosehr die deutschen Staatsbahnverwaltungen, vor allem Preußen, Bayern und Baden, wie die großen Elektrizitätsunternehmungen. Näheres s. unter „Elektrische Bahnen“. Hand in Hand mit den Erfolgen der Elektrizität gingen die Fortschritte im Dampfbetriebe. Der Bau der Lokomotive wurde immer

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 3. Berlin, Wien, 1912, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen03_1912/315>, abgerufen am 26.09.2024.