Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 3. Berlin, Wien, 1912.

Bild:
<< vorherige Seite

1912 etwa 45 km notdürftig fertig waren. Um so verständlicher scheint es, wenn nunmehr die Pekinger Regierung einen entscheidenden Schritt getan hat, um mit Hilfe der Fremden, da es ohne sie nicht geht, das als notwendig erkannte Werk auszuführen. Lange hatte sie die Erteilung einer Konzession abgelehnt. Nunmehr ist als Frucht endloser diplomatischer Verhandlungen, die oft dem völligen Scheitern nahe schienen, zu verzeichnen, daß Deutschland die westlichste Strecke von Itschang nach Setschuan, Frankreich die Strecke Kuangschin-(nördlich Hankau)-Itschang finanzieren soll. Die Stellung der Fremden zur Bahn, die im übrigen als staatlich chinesische gebaut wird, wird ähnlich wie jene bei der Tientsin-Pukoubahn sein.

VI. Die Bahnen im Süden.

Die Kanton-Hankoubahn (Yüehanbahn).

Das Rückgrat des ganzen chinesischen Eisenbahnnetzes ist die Zentralbahn (s. III.) von der Reichshauptstadt Peking nach der südlichen Handelsmetropole Kanton. Nur der nördliche Teil, die Strecke Peking-Hankou mit 1214 km, ist ausgeführt worden. Die für die südliche Hälfte mit etwa derselben Länge erteilte Konzession hatte ein wechselvolles Schicksal.

Eine etwa 52 km lange Strecke - nicht eigentlich in der Trasse der Yüehanbahn - Kanton-Samschui wurde gebaut. Sie ist jetzt Staatseigentum geworden und rentiert sich durch lebhaften Personenverkehr befriedigend. Die Bahn verbindet doppelgleisig die Millionenstadt Kanton mit dem südwestlichen Fatschan, dem Birmingham Chinas. Die Strecke soll Zusammenschluß mit der englischen Bahn von Hongkong nach Kanton und der portugiesischen von Makao nach Kanton sowie der eigentlichen Kanton-Hankoubahn erhalten.

Die Amerikaner stießen bei den Vorarbeiten auf den unüberwindlichen Widerstand der örtlichen Bevölkerung, besonders in der fremdenfeindlichen Provinz Hunan. Eine Änderung der Linienführung wurde beschlossen. Dabei zeigte sich aber auch, daß der Kostenvoranschlag mit 80 Mill. M. nur etwa die Hälfte des wirklich nötigen Kapitals umfaßte. Gleichwohl gelang es den Amerikanern, einen neuen Konzessionsvertrag mit einer Erhöhung des Kapitals auf 160 Millionen durchzusetzen. Sie bildeten zur Finanzierung eine Gruppe mit englischen Kapitalisten. Diese zogen sich jedoch wegen des Ausbruchs des Burenkrieges wieder zurück. Ein noch größeres Mißgeschick kam durch den Tod des führenden energischen Amerikaners Brice hinzu. Neue Schwierigkeiten ergab die Tatsache, daß die Belgier durch Aufkauf möglichst vieler Aktien sich die Mehrheit in der Gesellschaft verschafft hatten, ein Umstand, der die Chinesen erbitterte, denn sie hatten gerade, um dem französisch-belgischen Einfluß ein Paroli zu bieten, nur von den Amerikanern als Unternehmern etwas wissen wollen. Viele Chinesen wollten aus dem Wechsel der Nationalität ein Recht Chinas zum Widerruf der Konzession herleiten. Bevor es hierzu kam, hatten die Amerikaner durch das Dazwischentreten Pierpont Morgans sich wieder die Mehrheit in der Gesellschaft zu sichern gewußt. Zum Weiterbau kam es aber doch nicht, vielmehr trug die Pekinger Regierung der erregten Volksstimmung dadurch Rechnung, daß sie unter schweren Opfern die von ihr umsonst verliehene Konzession zurückkaufte. Zu diesem Zwecke nahm sie von der Hongkonger Regierung ein Darlehen von 30 Mill. M. auf unter der besonderen Bedingung, daß im Falle einer künftigen Erbauung der Linie und der Notwendigkeit fremder Hilfe solche von England genommen werden müßte.

Nunmehr versuchten die Chinesen, den Bau selbst in die Hand zu nehmen. Es gelang ihnen, eine große Aktiengesellschaft ins Leben zu rufen. Über 8 Millionen Aktien sind verausgabt worden mit Beteiligungsquoten bis herab zu 10 M. Die Gesellschaft und mit ihr das Werk hatten unter langdauernden Intriguen und Eifersüchteleien der verschiedenen Interessentengruppen zu leiden, bis endlich zur Tat geschritten wurde. Im Juni 1907 wurde die konstituierende Generalversammlung abgehalten, im Mai 1908 wurde ein englischer Chefingenieur angestellt.

Nunmehr gründeten die Chinesen zur Durchführung des Werks provinzielle Eisenbahngesellschaften. Allein auch jetzt machte der Bau geringe Fortschritte. Die Bahn soll von Kanton nordwärts durch die drei Provinzen Kuangtung, Hunan und Hupei führen. Jede Provinz hat in ihrem Gebiet Anstalten zum Bau getroffen, die immer wieder wegen der fehlenden Geldmittel ins Stocken kamen. Die drei Abschnitte erstrecken sich von Kanton zur nördlichen Provinzgrenze, in Hunan von der Südgrenze über Tschutschau bis Yotschau, in Hupei von Yotschau nach Wutschang.

Die von den Chinesen für den Bau der etwa 374 km langen Südstrecke begründete Gesellschaft konnte sich infolge von Unzukömmlichkeiten bei der Geschäftgebarung nur schwer entwickeln. Große Unregelmäßigkeiten wurden aufgedeckt, die den Kurs der Aktien erschütterten. In langsamem Vordringen ist der Bau 1912 bis Yintak gebracht worden (etwa 140 km), während ein Drittel sich im Bau befindet und das letzte noch nicht neu vermessen ist. Auf dem fertigen Teil besteht bereits ein reger Verkehr: 1909/10 sollen nicht weniger als 1,456.466 Reisende befördert worden und es soll eine Reineinnahme von 294.391 $ erzielt worden sein (gegen 167.200 im Vorjahre).

In der mittleren Sektion, der Provinz Hunan, ist noch weniger geleistet worden, nämlich nur eine Strecke von 50 km, die Linie Tschutschau-Tschangscha. Die Bahn ist fast ganz von Chinesen erbaut worden. An Baugeldern wurden etwa 5 Mill. $ aufgebracht, zum großen Teil durch Steuerzuschläge. Seit Frühjahr 1911 ist die Strecke in vollem Betriebe, die Züge brauchen 21/2 Stunden für die Fahrt. Die Schienen stammten aus Hanyang, die Brücken aus den Maschinenfabriken

1912 etwa 45 km notdürftig fertig waren. Um so verständlicher scheint es, wenn nunmehr die Pekinger Regierung einen entscheidenden Schritt getan hat, um mit Hilfe der Fremden, da es ohne sie nicht geht, das als notwendig erkannte Werk auszuführen. Lange hatte sie die Erteilung einer Konzession abgelehnt. Nunmehr ist als Frucht endloser diplomatischer Verhandlungen, die oft dem völligen Scheitern nahe schienen, zu verzeichnen, daß Deutschland die westlichste Strecke von Itschang nach Setschuan, Frankreich die Strecke Kuangschin-(nördlich Hankau)-Itschang finanzieren soll. Die Stellung der Fremden zur Bahn, die im übrigen als staatlich chinesische gebaut wird, wird ähnlich wie jene bei der Tientsin-Pukoubahn sein.

VI. Die Bahnen im Süden.

Die Kanton-Hankoubahn (Yüehanbahn).

Das Rückgrat des ganzen chinesischen Eisenbahnnetzes ist die Zentralbahn (s. III.) von der Reichshauptstadt Peking nach der südlichen Handelsmetropole Kanton. Nur der nördliche Teil, die Strecke Peking-Hankou mit 1214 km, ist ausgeführt worden. Die für die südliche Hälfte mit etwa derselben Länge erteilte Konzession hatte ein wechselvolles Schicksal.

Eine etwa 52 km lange Strecke – nicht eigentlich in der Trasse der Yüehanbahn – Kanton-Samschui wurde gebaut. Sie ist jetzt Staatseigentum geworden und rentiert sich durch lebhaften Personenverkehr befriedigend. Die Bahn verbindet doppelgleisig die Millionenstadt Kanton mit dem südwestlichen Fatschan, dem Birmingham Chinas. Die Strecke soll Zusammenschluß mit der englischen Bahn von Hongkong nach Kanton und der portugiesischen von Makao nach Kanton sowie der eigentlichen Kanton-Hankoubahn erhalten.

Die Amerikaner stießen bei den Vorarbeiten auf den unüberwindlichen Widerstand der örtlichen Bevölkerung, besonders in der fremdenfeindlichen Provinz Hunan. Eine Änderung der Linienführung wurde beschlossen. Dabei zeigte sich aber auch, daß der Kostenvoranschlag mit 80 Mill. M. nur etwa die Hälfte des wirklich nötigen Kapitals umfaßte. Gleichwohl gelang es den Amerikanern, einen neuen Konzessionsvertrag mit einer Erhöhung des Kapitals auf 160 Millionen durchzusetzen. Sie bildeten zur Finanzierung eine Gruppe mit englischen Kapitalisten. Diese zogen sich jedoch wegen des Ausbruchs des Burenkrieges wieder zurück. Ein noch größeres Mißgeschick kam durch den Tod des führenden energischen Amerikaners Brice hinzu. Neue Schwierigkeiten ergab die Tatsache, daß die Belgier durch Aufkauf möglichst vieler Aktien sich die Mehrheit in der Gesellschaft verschafft hatten, ein Umstand, der die Chinesen erbitterte, denn sie hatten gerade, um dem französisch-belgischen Einfluß ein Paroli zu bieten, nur von den Amerikanern als Unternehmern etwas wissen wollen. Viele Chinesen wollten aus dem Wechsel der Nationalität ein Recht Chinas zum Widerruf der Konzession herleiten. Bevor es hierzu kam, hatten die Amerikaner durch das Dazwischentreten Pierpont Morgans sich wieder die Mehrheit in der Gesellschaft zu sichern gewußt. Zum Weiterbau kam es aber doch nicht, vielmehr trug die Pekinger Regierung der erregten Volksstimmung dadurch Rechnung, daß sie unter schweren Opfern die von ihr umsonst verliehene Konzession zurückkaufte. Zu diesem Zwecke nahm sie von der Hongkonger Regierung ein Darlehen von 30 Mill. M. auf unter der besonderen Bedingung, daß im Falle einer künftigen Erbauung der Linie und der Notwendigkeit fremder Hilfe solche von England genommen werden müßte.

Nunmehr versuchten die Chinesen, den Bau selbst in die Hand zu nehmen. Es gelang ihnen, eine große Aktiengesellschaft ins Leben zu rufen. Über 8 Millionen Aktien sind verausgabt worden mit Beteiligungsquoten bis herab zu 10 M. Die Gesellschaft und mit ihr das Werk hatten unter langdauernden Intriguen und Eifersüchteleien der verschiedenen Interessentengruppen zu leiden, bis endlich zur Tat geschritten wurde. Im Juni 1907 wurde die konstituierende Generalversammlung abgehalten, im Mai 1908 wurde ein englischer Chefingenieur angestellt.

Nunmehr gründeten die Chinesen zur Durchführung des Werks provinzielle Eisenbahngesellschaften. Allein auch jetzt machte der Bau geringe Fortschritte. Die Bahn soll von Kanton nordwärts durch die drei Provinzen Kuangtung, Hunan und Hupei führen. Jede Provinz hat in ihrem Gebiet Anstalten zum Bau getroffen, die immer wieder wegen der fehlenden Geldmittel ins Stocken kamen. Die drei Abschnitte erstrecken sich von Kanton zur nördlichen Provinzgrenze, in Hunan von der Südgrenze über Tschutschau bis Yotschau, in Hupei von Yotschau nach Wutschang.

Die von den Chinesen für den Bau der etwa 374 km langen Südstrecke begründete Gesellschaft konnte sich infolge von Unzukömmlichkeiten bei der Geschäftgebarung nur schwer entwickeln. Große Unregelmäßigkeiten wurden aufgedeckt, die den Kurs der Aktien erschütterten. In langsamem Vordringen ist der Bau 1912 bis Yintak gebracht worden (etwa 140 km), während ein Drittel sich im Bau befindet und das letzte noch nicht neu vermessen ist. Auf dem fertigen Teil besteht bereits ein reger Verkehr: 1909/10 sollen nicht weniger als 1,456.466 Reisende befördert worden und es soll eine Reineinnahme von 294.391 $ erzielt worden sein (gegen 167.200 im Vorjahre).

In der mittleren Sektion, der Provinz Hunan, ist noch weniger geleistet worden, nämlich nur eine Strecke von 50 km, die Linie Tschutschau-Tschangscha. Die Bahn ist fast ganz von Chinesen erbaut worden. An Baugeldern wurden etwa 5 Mill. $ aufgebracht, zum großen Teil durch Steuerzuschläge. Seit Frühjahr 1911 ist die Strecke in vollem Betriebe, die Züge brauchen 21/2 Stunden für die Fahrt. Die Schienen stammten aus Hanyang, die Brücken aus den Maschinenfabriken

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><pb facs="#f0212" n="200"/>
1912 etwa 45 <hi rendition="#i">km</hi> notdürftig fertig waren. Um so verständlicher scheint es, wenn nunmehr die Pekinger Regierung einen entscheidenden Schritt getan hat, um mit Hilfe der Fremden, da es ohne sie nicht geht, das als notwendig erkannte Werk auszuführen. Lange hatte sie die Erteilung einer Konzession abgelehnt. Nunmehr ist als Frucht endloser diplomatischer Verhandlungen, die oft dem völligen Scheitern nahe schienen, zu verzeichnen, daß Deutschland die westlichste Strecke von Itschang nach Setschuan, Frankreich die Strecke Kuangschin-(nördlich Hankau)-Itschang finanzieren soll. Die Stellung der Fremden zur Bahn, die im übrigen als staatlich chinesische gebaut wird, wird ähnlich wie jene bei der Tientsin-Pukoubahn sein.</p><lb/>
          <p rendition="#c"> <hi rendition="#g">VI. Die Bahnen im Süden.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#c"><hi rendition="#g">Die Kanton-Hankoubahn</hi> (Yüehanbahn).</p><lb/>
          <p>Das Rückgrat des ganzen chinesischen Eisenbahnnetzes ist die Zentralbahn (s. III.) von der Reichshauptstadt Peking nach der südlichen Handelsmetropole Kanton. Nur der nördliche Teil, die Strecke Peking-Hankou mit 1214 <hi rendition="#i">km,</hi> ist ausgeführt worden. Die für die südliche Hälfte mit etwa derselben Länge erteilte Konzession hatte ein wechselvolles Schicksal.</p><lb/>
          <p>Eine etwa 52 <hi rendition="#i">km</hi> lange Strecke &#x2013; nicht eigentlich in der Trasse der Yüehanbahn &#x2013; <hi rendition="#g">Kanton-Samschui</hi> wurde gebaut. Sie ist jetzt Staatseigentum geworden und rentiert sich durch lebhaften Personenverkehr befriedigend. Die Bahn verbindet doppelgleisig die Millionenstadt Kanton mit dem südwestlichen Fatschan, dem Birmingham Chinas. Die Strecke soll Zusammenschluß mit der englischen Bahn von Hongkong nach Kanton und der portugiesischen von Makao nach Kanton sowie der eigentlichen Kanton-Hankoubahn erhalten.</p><lb/>
          <p>Die Amerikaner stießen bei den Vorarbeiten auf den unüberwindlichen Widerstand der örtlichen Bevölkerung, besonders in der fremdenfeindlichen Provinz Hunan. Eine Änderung der Linienführung wurde beschlossen. Dabei zeigte sich aber auch, daß der Kostenvoranschlag mit 80 Mill. M. nur etwa die Hälfte des wirklich nötigen Kapitals umfaßte. Gleichwohl gelang es den Amerikanern, einen neuen Konzessionsvertrag mit einer Erhöhung des Kapitals auf 160 Millionen durchzusetzen. Sie bildeten zur Finanzierung eine Gruppe mit englischen Kapitalisten. Diese zogen sich jedoch wegen des Ausbruchs des Burenkrieges wieder zurück. Ein noch größeres Mißgeschick kam durch den Tod des führenden energischen Amerikaners Brice hinzu. Neue Schwierigkeiten ergab die Tatsache, daß die Belgier durch Aufkauf möglichst vieler Aktien sich die Mehrheit in der Gesellschaft verschafft hatten, ein Umstand, der die Chinesen erbitterte, denn sie hatten gerade, um dem französisch-belgischen Einfluß ein Paroli zu bieten, nur von den Amerikanern als Unternehmern etwas wissen wollen. Viele Chinesen wollten aus dem Wechsel der Nationalität ein Recht Chinas zum Widerruf der Konzession herleiten. Bevor es hierzu kam, hatten die Amerikaner durch das Dazwischentreten Pierpont Morgans sich wieder die Mehrheit in der Gesellschaft zu sichern gewußt. Zum Weiterbau kam es aber doch nicht, vielmehr trug die Pekinger Regierung der erregten Volksstimmung dadurch Rechnung, daß sie unter schweren Opfern die von ihr umsonst verliehene Konzession zurückkaufte. Zu diesem Zwecke nahm sie von der Hongkonger Regierung ein Darlehen von 30 Mill. M. auf unter der besonderen Bedingung, daß im Falle einer künftigen Erbauung der Linie und der Notwendigkeit fremder Hilfe solche von England genommen werden müßte.</p><lb/>
          <p>Nunmehr versuchten die Chinesen, den Bau selbst in die Hand zu nehmen. Es gelang ihnen, eine große Aktiengesellschaft ins Leben zu rufen. Über 8 Millionen Aktien sind verausgabt worden mit Beteiligungsquoten bis herab zu 10 M. Die Gesellschaft und mit ihr das Werk hatten unter langdauernden Intriguen und Eifersüchteleien der verschiedenen Interessentengruppen zu leiden, bis endlich zur Tat geschritten wurde. Im Juni 1907 wurde die konstituierende Generalversammlung abgehalten, im Mai 1908 wurde ein englischer Chefingenieur angestellt.</p><lb/>
          <p>Nunmehr gründeten die Chinesen zur Durchführung des Werks provinzielle Eisenbahngesellschaften. Allein auch jetzt machte der Bau geringe Fortschritte. Die Bahn soll von Kanton nordwärts durch die drei Provinzen Kuangtung, Hunan und Hupei führen. Jede Provinz hat in ihrem Gebiet Anstalten zum Bau getroffen, die immer wieder wegen der fehlenden Geldmittel ins Stocken kamen. Die drei Abschnitte erstrecken sich von Kanton zur nördlichen Provinzgrenze, in Hunan von der Südgrenze über Tschutschau bis Yotschau, in Hupei von Yotschau nach Wutschang.</p><lb/>
          <p>Die von den Chinesen für den Bau der etwa 374 <hi rendition="#i">km</hi> langen Südstrecke begründete Gesellschaft konnte sich infolge von Unzukömmlichkeiten bei der Geschäftgebarung nur schwer entwickeln. Große Unregelmäßigkeiten wurden aufgedeckt, die den Kurs der Aktien erschütterten. In langsamem Vordringen ist der Bau 1912 bis Yintak gebracht worden (etwa 140 <hi rendition="#i">km</hi>), während ein Drittel sich im Bau befindet und das letzte noch nicht neu vermessen ist. Auf dem fertigen Teil besteht bereits ein reger Verkehr: 1909/10 sollen nicht weniger als 1,456.466 Reisende befördert worden und es soll eine Reineinnahme von 294.391 <hi rendition="#i">$</hi> erzielt worden sein (gegen 167.200 im Vorjahre).</p><lb/>
          <p>In der mittleren Sektion, der Provinz Hunan, ist noch weniger geleistet worden, nämlich nur eine Strecke von 50 <hi rendition="#i">km,</hi> die Linie Tschutschau-Tschangscha. Die Bahn ist fast ganz von Chinesen erbaut worden. An Baugeldern wurden etwa 5 Mill. <hi rendition="#i">$</hi> aufgebracht, zum großen Teil durch Steuerzuschläge. Seit Frühjahr 1911 ist die Strecke in vollem Betriebe, die Züge brauchen 2<hi rendition="#sup">1</hi>/<hi rendition="#sub">2</hi> Stunden für die Fahrt. Die Schienen stammten aus Hanyang, die Brücken aus den Maschinenfabriken
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0212] 1912 etwa 45 km notdürftig fertig waren. Um so verständlicher scheint es, wenn nunmehr die Pekinger Regierung einen entscheidenden Schritt getan hat, um mit Hilfe der Fremden, da es ohne sie nicht geht, das als notwendig erkannte Werk auszuführen. Lange hatte sie die Erteilung einer Konzession abgelehnt. Nunmehr ist als Frucht endloser diplomatischer Verhandlungen, die oft dem völligen Scheitern nahe schienen, zu verzeichnen, daß Deutschland die westlichste Strecke von Itschang nach Setschuan, Frankreich die Strecke Kuangschin-(nördlich Hankau)-Itschang finanzieren soll. Die Stellung der Fremden zur Bahn, die im übrigen als staatlich chinesische gebaut wird, wird ähnlich wie jene bei der Tientsin-Pukoubahn sein. VI. Die Bahnen im Süden. Die Kanton-Hankoubahn (Yüehanbahn). Das Rückgrat des ganzen chinesischen Eisenbahnnetzes ist die Zentralbahn (s. III.) von der Reichshauptstadt Peking nach der südlichen Handelsmetropole Kanton. Nur der nördliche Teil, die Strecke Peking-Hankou mit 1214 km, ist ausgeführt worden. Die für die südliche Hälfte mit etwa derselben Länge erteilte Konzession hatte ein wechselvolles Schicksal. Eine etwa 52 km lange Strecke – nicht eigentlich in der Trasse der Yüehanbahn – Kanton-Samschui wurde gebaut. Sie ist jetzt Staatseigentum geworden und rentiert sich durch lebhaften Personenverkehr befriedigend. Die Bahn verbindet doppelgleisig die Millionenstadt Kanton mit dem südwestlichen Fatschan, dem Birmingham Chinas. Die Strecke soll Zusammenschluß mit der englischen Bahn von Hongkong nach Kanton und der portugiesischen von Makao nach Kanton sowie der eigentlichen Kanton-Hankoubahn erhalten. Die Amerikaner stießen bei den Vorarbeiten auf den unüberwindlichen Widerstand der örtlichen Bevölkerung, besonders in der fremdenfeindlichen Provinz Hunan. Eine Änderung der Linienführung wurde beschlossen. Dabei zeigte sich aber auch, daß der Kostenvoranschlag mit 80 Mill. M. nur etwa die Hälfte des wirklich nötigen Kapitals umfaßte. Gleichwohl gelang es den Amerikanern, einen neuen Konzessionsvertrag mit einer Erhöhung des Kapitals auf 160 Millionen durchzusetzen. Sie bildeten zur Finanzierung eine Gruppe mit englischen Kapitalisten. Diese zogen sich jedoch wegen des Ausbruchs des Burenkrieges wieder zurück. Ein noch größeres Mißgeschick kam durch den Tod des führenden energischen Amerikaners Brice hinzu. Neue Schwierigkeiten ergab die Tatsache, daß die Belgier durch Aufkauf möglichst vieler Aktien sich die Mehrheit in der Gesellschaft verschafft hatten, ein Umstand, der die Chinesen erbitterte, denn sie hatten gerade, um dem französisch-belgischen Einfluß ein Paroli zu bieten, nur von den Amerikanern als Unternehmern etwas wissen wollen. Viele Chinesen wollten aus dem Wechsel der Nationalität ein Recht Chinas zum Widerruf der Konzession herleiten. Bevor es hierzu kam, hatten die Amerikaner durch das Dazwischentreten Pierpont Morgans sich wieder die Mehrheit in der Gesellschaft zu sichern gewußt. Zum Weiterbau kam es aber doch nicht, vielmehr trug die Pekinger Regierung der erregten Volksstimmung dadurch Rechnung, daß sie unter schweren Opfern die von ihr umsonst verliehene Konzession zurückkaufte. Zu diesem Zwecke nahm sie von der Hongkonger Regierung ein Darlehen von 30 Mill. M. auf unter der besonderen Bedingung, daß im Falle einer künftigen Erbauung der Linie und der Notwendigkeit fremder Hilfe solche von England genommen werden müßte. Nunmehr versuchten die Chinesen, den Bau selbst in die Hand zu nehmen. Es gelang ihnen, eine große Aktiengesellschaft ins Leben zu rufen. Über 8 Millionen Aktien sind verausgabt worden mit Beteiligungsquoten bis herab zu 10 M. Die Gesellschaft und mit ihr das Werk hatten unter langdauernden Intriguen und Eifersüchteleien der verschiedenen Interessentengruppen zu leiden, bis endlich zur Tat geschritten wurde. Im Juni 1907 wurde die konstituierende Generalversammlung abgehalten, im Mai 1908 wurde ein englischer Chefingenieur angestellt. Nunmehr gründeten die Chinesen zur Durchführung des Werks provinzielle Eisenbahngesellschaften. Allein auch jetzt machte der Bau geringe Fortschritte. Die Bahn soll von Kanton nordwärts durch die drei Provinzen Kuangtung, Hunan und Hupei führen. Jede Provinz hat in ihrem Gebiet Anstalten zum Bau getroffen, die immer wieder wegen der fehlenden Geldmittel ins Stocken kamen. Die drei Abschnitte erstrecken sich von Kanton zur nördlichen Provinzgrenze, in Hunan von der Südgrenze über Tschutschau bis Yotschau, in Hupei von Yotschau nach Wutschang. Die von den Chinesen für den Bau der etwa 374 km langen Südstrecke begründete Gesellschaft konnte sich infolge von Unzukömmlichkeiten bei der Geschäftgebarung nur schwer entwickeln. Große Unregelmäßigkeiten wurden aufgedeckt, die den Kurs der Aktien erschütterten. In langsamem Vordringen ist der Bau 1912 bis Yintak gebracht worden (etwa 140 km), während ein Drittel sich im Bau befindet und das letzte noch nicht neu vermessen ist. Auf dem fertigen Teil besteht bereits ein reger Verkehr: 1909/10 sollen nicht weniger als 1,456.466 Reisende befördert worden und es soll eine Reineinnahme von 294.391 $ erzielt worden sein (gegen 167.200 im Vorjahre). In der mittleren Sektion, der Provinz Hunan, ist noch weniger geleistet worden, nämlich nur eine Strecke von 50 km, die Linie Tschutschau-Tschangscha. Die Bahn ist fast ganz von Chinesen erbaut worden. An Baugeldern wurden etwa 5 Mill. $ aufgebracht, zum großen Teil durch Steuerzuschläge. Seit Frühjahr 1911 ist die Strecke in vollem Betriebe, die Züge brauchen 21/2 Stunden für die Fahrt. Die Schienen stammten aus Hanyang, die Brücken aus den Maschinenfabriken

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-06-17T17:32:54Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andreas Nolda: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-06-17T17:32:54Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; Hervorhebungen I/J in Fraktur: keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein

Spaltenumbrüche sind nicht markiert. Wiederholungszeichen (") wurden aufgelöst. Komplexe Formeln und Tabellen sind als Grafiken wiedergegeben.

Die Abbildungen im Text stammen von zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen03_1912
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen03_1912/212
Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 3. Berlin, Wien, 1912, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen03_1912/212>, abgerufen am 19.06.2024.