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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, Wien, 1912.

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und Finanzen; VI. Statistische Angaben; VII. Nebenbetriebe der Staatseisenbahnverwaltung. - D. Die bayerischen Privatbahnen. - E. Literatur. - F. Karte der bayerischen Eisenbahnen.

A. Geschichtliche Entwicklung des Eisenbahnnetzes.

I. Rechtsrheinische Eisenbahnen.

1. Die ersten Anfänge des Eisenbahnbaues. Privatunternehmungen bis 1840.

Früheste Erörterungen über den Bau staatlicher Eisenbahnen. In Bayern gab der von König Ludwig I. verfolgte Plan einer Kanalverbindung zwischen Donau und Main die erste Veranlassung dazu, daß die Frage der Erbauung eines staatlichen Eisenbahnnetzes eingehend erörtert wurde. Damals - seit 1825 - haben Männer wie Baader, List, Klenze und Utzschneider die Erbauung von Staatseisenbahnen an Stelle des Schiffahrtsweges warm befürwortet. Allein König Ludwig ließ sich von seinem Lieblingsgedanken nicht abbringen und so wurde die Frage des Staatseisenbahnbaues vorerst nicht weiter verfolgt.

Ludwigs-Eisenbahn (Nürnberg-Fürth). Dennoch war Bayern unter den deutschen Staaten der erste, der zu einer Eisenbahn mit Dampfbetrieb gelangte. Nachdem nämlich 1830 die Bahn von Liverpool nach Manchester eröffnet worden war, war es Nürnbergs verdienstvoller zweiter Bürgermeister Johannes Scharrer, der mit Tatkraft für die Erbauung einer Lokomotiveisenbahn von Nürnberg nach Fürth eintrat. Er dachte diese Bahn als ersten Teil einer von Ost nach West ziehenden Festlandlinie. Seinen eifrigen Bemühungen gelang es, alle noch bestehenden Vorurteile zu überwinden und 1833 die Gründung einer Aktiengesellschaft für den Bau und Betrieb einer Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth herbeizuführen.

Am 19. Februar 1834 erhielt die Aktiengesellschaft das ausschließliche Privilegium des Königs auf 30 Jahre verliehen. Nachdem die mit Stephenson gepflogenen Unterhandlungen wegen Überlassung eines englischen Ingenieurs für die Ausarbeitung der Pläne und den Bau der Bahn nicht zum gewünschten Ziele geführt hatten, wurde der kgl. bayerische Bezirksingenieur Paul Denis, der eben erst von einer Studienreise aus Amerika und England zurückgekehrt war, für das Unternehmen gewonnen und mit dem Bau der Bahn betraut. Trotz der zu überwindenden außerordentlichen Grunderwerbungsschwierigkeiten gelang es, die 6·04 km lange Strecke als erste deutsche Lokomotiveisenbahn am 7. Dezember 1835 für den allgemeinen Verkehr zu eröffnen.

Die Gesamtkosten der Bahn mit Fahrmaterial und allen Zugehörungen waren auf 240.000 M. oder 40.000 M. für das km veranschlagt, beliefen sich aber schließlich auf 364.200 M. oder 60.700 M. für das km. Diese Mehrkosten wurden vor allem dadurch hervorgerufen, daß für die Grunderwerbung, insbesondere in Nürnberg, mangels eines Zwangsenteignungsgesetzes wesentlich höhere Preise bezahlt werden mußten, als ursprünglich angenommen worden war.

Der Fahrpreis betrug 6 kr. = 17 Pf. für die Person und 4 kr. = 11 Pf. für den Warenzentner, die Fahrzeit 10-12 Minuten.

Die sämtlichen Oberbaumaterialien und der Wagenpark wurden von deutschen Werken geliefert, während die zwei Dampflokomotiven von Stephenson aus England bezogen wurden. Die Lokomotive "Adler" (mit 6 t Gewicht bei 10 P. S.) kostete 24.000 M.

Der Betrieb wurde nach dem Vorbilde der Eisenbahnen Stockton-Darlington und St. Etienne-Lyon mit Dampf- und Pferdekraft durchgeführt, bis 1862 die Pferdefahrten gänzlich aufgegeben wurden.

Der Erfolg des Unternehmens war schon im ersten Betriebsjahr ein vollständiger. Statt der berechneten Dividende von 121/2% ergab sich eine solche von 19%.

Weitere Privatbahnentwürfe und staatliche Einflußnahme auf sie. Die gelungene Ausführung und der glänzende finanzielle Erfolg der Ludwigsbahn spornte zu weiteren Bahnbauplänen mächtig an.

So bildete sich schon im Sommer 1835 zu München und Augsburg je ein Verein von Handelshäusern, deren Zweck die Schaffung von Eisenbahnanlagen in Bayern, u. zw. zunächst einer Verbindung von München nach Augsburg war.

Außer diesem tauchten weitere Pläne, so für die Erbauung einer Bahn von München nach Salzburg, dann einer großen Südnordbahn vom Bodensee bis nach Sachsen auf. Es sah sich daher die bayerische Regierung zur Anbahnung der wünschenswerten Einheitlichkeit in der Ausgestaltung des Eisenbahnwesens veranlaßt, eine Versammlung von Vertretern aller vorhandenen Eisenbahngesellschaften nach München zu berufen. Die im August 1836 unter dem Vorsitze des Staatsministers Fürsten von Öttingen-Wallerstein und unter Beteiligung von mehreren Regierungsvertretern abgehaltenen Beratungen führten zu dem Erlaß der "Fundamentalbestimmungen für sämtliche Eisenbahnstatuten in Bayern", die am 28. September 1836 in Kraft traten und allen genehmigten

und Finanzen; VI. Statistische Angaben; VII. Nebenbetriebe der Staatseisenbahnverwaltung. – D. Die bayerischen Privatbahnen. – E. Literatur. – F. Karte der bayerischen Eisenbahnen.

A. Geschichtliche Entwicklung des Eisenbahnnetzes.

I. Rechtsrheinische Eisenbahnen.

1. Die ersten Anfänge des Eisenbahnbaues. Privatunternehmungen bis 1840.

Früheste Erörterungen über den Bau staatlicher Eisenbahnen. In Bayern gab der von König Ludwig I. verfolgte Plan einer Kanalverbindung zwischen Donau und Main die erste Veranlassung dazu, daß die Frage der Erbauung eines staatlichen Eisenbahnnetzes eingehend erörtert wurde. Damals – seit 1825 – haben Männer wie Baader, List, Klenze und Utzschneider die Erbauung von Staatseisenbahnen an Stelle des Schiffahrtsweges warm befürwortet. Allein König Ludwig ließ sich von seinem Lieblingsgedanken nicht abbringen und so wurde die Frage des Staatseisenbahnbaues vorerst nicht weiter verfolgt.

Ludwigs-Eisenbahn (Nürnberg-Fürth). Dennoch war Bayern unter den deutschen Staaten der erste, der zu einer Eisenbahn mit Dampfbetrieb gelangte. Nachdem nämlich 1830 die Bahn von Liverpool nach Manchester eröffnet worden war, war es Nürnbergs verdienstvoller zweiter Bürgermeister Johannes Scharrer, der mit Tatkraft für die Erbauung einer Lokomotiveisenbahn von Nürnberg nach Fürth eintrat. Er dachte diese Bahn als ersten Teil einer von Ost nach West ziehenden Festlandlinie. Seinen eifrigen Bemühungen gelang es, alle noch bestehenden Vorurteile zu überwinden und 1833 die Gründung einer Aktiengesellschaft für den Bau und Betrieb einer Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth herbeizuführen.

Am 19. Februar 1834 erhielt die Aktiengesellschaft das ausschließliche Privilegium des Königs auf 30 Jahre verliehen. Nachdem die mit Stephenson gepflogenen Unterhandlungen wegen Überlassung eines englischen Ingenieurs für die Ausarbeitung der Pläne und den Bau der Bahn nicht zum gewünschten Ziele geführt hatten, wurde der kgl. bayerische Bezirksingenieur Paul Denis, der eben erst von einer Studienreise aus Amerika und England zurückgekehrt war, für das Unternehmen gewonnen und mit dem Bau der Bahn betraut. Trotz der zu überwindenden außerordentlichen Grunderwerbungsschwierigkeiten gelang es, die 6·04 km lange Strecke als erste deutsche Lokomotiveisenbahn am 7. Dezember 1835 für den allgemeinen Verkehr zu eröffnen.

Die Gesamtkosten der Bahn mit Fahrmaterial und allen Zugehörungen waren auf 240.000 M. oder 40.000 M. für das km veranschlagt, beliefen sich aber schließlich auf 364.200 M. oder 60.700 M. für das km. Diese Mehrkosten wurden vor allem dadurch hervorgerufen, daß für die Grunderwerbung, insbesondere in Nürnberg, mangels eines Zwangsenteignungsgesetzes wesentlich höhere Preise bezahlt werden mußten, als ursprünglich angenommen worden war.

Der Fahrpreis betrug 6 kr. = 17 Pf. für die Person und 4 kr. = 11 Pf. für den Warenzentner, die Fahrzeit 10–12 Minuten.

Die sämtlichen Oberbaumaterialien und der Wagenpark wurden von deutschen Werken geliefert, während die zwei Dampflokomotiven von Stephenson aus England bezogen wurden. Die Lokomotive „Adler“ (mit 6 t Gewicht bei 10 P. S.) kostete 24.000 M.

Der Betrieb wurde nach dem Vorbilde der Eisenbahnen Stockton-Darlington und St. Etienne-Lyon mit Dampf- und Pferdekraft durchgeführt, bis 1862 die Pferdefahrten gänzlich aufgegeben wurden.

Der Erfolg des Unternehmens war schon im ersten Betriebsjahr ein vollständiger. Statt der berechneten Dividende von 121/2% ergab sich eine solche von 19%.

Weitere Privatbahnentwürfe und staatliche Einflußnahme auf sie. Die gelungene Ausführung und der glänzende finanzielle Erfolg der Ludwigsbahn spornte zu weiteren Bahnbauplänen mächtig an.

So bildete sich schon im Sommer 1835 zu München und Augsburg je ein Verein von Handelshäusern, deren Zweck die Schaffung von Eisenbahnanlagen in Bayern, u. zw. zunächst einer Verbindung von München nach Augsburg war.

Außer diesem tauchten weitere Pläne, so für die Erbauung einer Bahn von München nach Salzburg, dann einer großen Südnordbahn vom Bodensee bis nach Sachsen auf. Es sah sich daher die bayerische Regierung zur Anbahnung der wünschenswerten Einheitlichkeit in der Ausgestaltung des Eisenbahnwesens veranlaßt, eine Versammlung von Vertretern aller vorhandenen Eisenbahngesellschaften nach München zu berufen. Die im August 1836 unter dem Vorsitze des Staatsministers Fürsten von Öttingen-Wallerstein und unter Beteiligung von mehreren Regierungsvertretern abgehaltenen Beratungen führten zu dem Erlaß der „Fundamentalbestimmungen für sämtliche Eisenbahnstatuten in Bayern“, die am 28. September 1836 in Kraft traten und allen genehmigten

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[44/0052] und Finanzen; VI. Statistische Angaben; VII. Nebenbetriebe der Staatseisenbahnverwaltung. – D. Die bayerischen Privatbahnen. – E. Literatur. – F. Karte der bayerischen Eisenbahnen. A. Geschichtliche Entwicklung des Eisenbahnnetzes. I. Rechtsrheinische Eisenbahnen. 1. Die ersten Anfänge des Eisenbahnbaues. Privatunternehmungen bis 1840. Früheste Erörterungen über den Bau staatlicher Eisenbahnen. In Bayern gab der von König Ludwig I. verfolgte Plan einer Kanalverbindung zwischen Donau und Main die erste Veranlassung dazu, daß die Frage der Erbauung eines staatlichen Eisenbahnnetzes eingehend erörtert wurde. Damals – seit 1825 – haben Männer wie Baader, List, Klenze und Utzschneider die Erbauung von Staatseisenbahnen an Stelle des Schiffahrtsweges warm befürwortet. Allein König Ludwig ließ sich von seinem Lieblingsgedanken nicht abbringen und so wurde die Frage des Staatseisenbahnbaues vorerst nicht weiter verfolgt. Ludwigs-Eisenbahn (Nürnberg-Fürth). Dennoch war Bayern unter den deutschen Staaten der erste, der zu einer Eisenbahn mit Dampfbetrieb gelangte. Nachdem nämlich 1830 die Bahn von Liverpool nach Manchester eröffnet worden war, war es Nürnbergs verdienstvoller zweiter Bürgermeister Johannes Scharrer, der mit Tatkraft für die Erbauung einer Lokomotiveisenbahn von Nürnberg nach Fürth eintrat. Er dachte diese Bahn als ersten Teil einer von Ost nach West ziehenden Festlandlinie. Seinen eifrigen Bemühungen gelang es, alle noch bestehenden Vorurteile zu überwinden und 1833 die Gründung einer Aktiengesellschaft für den Bau und Betrieb einer Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth herbeizuführen. Am 19. Februar 1834 erhielt die Aktiengesellschaft das ausschließliche Privilegium des Königs auf 30 Jahre verliehen. Nachdem die mit Stephenson gepflogenen Unterhandlungen wegen Überlassung eines englischen Ingenieurs für die Ausarbeitung der Pläne und den Bau der Bahn nicht zum gewünschten Ziele geführt hatten, wurde der kgl. bayerische Bezirksingenieur Paul Denis, der eben erst von einer Studienreise aus Amerika und England zurückgekehrt war, für das Unternehmen gewonnen und mit dem Bau der Bahn betraut. Trotz der zu überwindenden außerordentlichen Grunderwerbungsschwierigkeiten gelang es, die 6·04 km lange Strecke als erste deutsche Lokomotiveisenbahn am 7. Dezember 1835 für den allgemeinen Verkehr zu eröffnen. Die Gesamtkosten der Bahn mit Fahrmaterial und allen Zugehörungen waren auf 240.000 M. oder 40.000 M. für das km veranschlagt, beliefen sich aber schließlich auf 364.200 M. oder 60.700 M. für das km. Diese Mehrkosten wurden vor allem dadurch hervorgerufen, daß für die Grunderwerbung, insbesondere in Nürnberg, mangels eines Zwangsenteignungsgesetzes wesentlich höhere Preise bezahlt werden mußten, als ursprünglich angenommen worden war. Der Fahrpreis betrug 6 kr. = 17 Pf. für die Person und 4 kr. = 11 Pf. für den Warenzentner, die Fahrzeit 10–12 Minuten. Die sämtlichen Oberbaumaterialien und der Wagenpark wurden von deutschen Werken geliefert, während die zwei Dampflokomotiven von Stephenson aus England bezogen wurden. Die Lokomotive „Adler“ (mit 6 t Gewicht bei 10 P. S.) kostete 24.000 M. Der Betrieb wurde nach dem Vorbilde der Eisenbahnen Stockton-Darlington und St. Etienne-Lyon mit Dampf- und Pferdekraft durchgeführt, bis 1862 die Pferdefahrten gänzlich aufgegeben wurden. Der Erfolg des Unternehmens war schon im ersten Betriebsjahr ein vollständiger. Statt der berechneten Dividende von 121/2% ergab sich eine solche von 19%. Weitere Privatbahnentwürfe und staatliche Einflußnahme auf sie. Die gelungene Ausführung und der glänzende finanzielle Erfolg der Ludwigsbahn spornte zu weiteren Bahnbauplänen mächtig an. So bildete sich schon im Sommer 1835 zu München und Augsburg je ein Verein von Handelshäusern, deren Zweck die Schaffung von Eisenbahnanlagen in Bayern, u. zw. zunächst einer Verbindung von München nach Augsburg war. Außer diesem tauchten weitere Pläne, so für die Erbauung einer Bahn von München nach Salzburg, dann einer großen Südnordbahn vom Bodensee bis nach Sachsen auf. Es sah sich daher die bayerische Regierung zur Anbahnung der wünschenswerten Einheitlichkeit in der Ausgestaltung des Eisenbahnwesens veranlaßt, eine Versammlung von Vertretern aller vorhandenen Eisenbahngesellschaften nach München zu berufen. Die im August 1836 unter dem Vorsitze des Staatsministers Fürsten von Öttingen-Wallerstein und unter Beteiligung von mehreren Regierungsvertretern abgehaltenen Beratungen führten zu dem Erlaß der „Fundamentalbestimmungen für sämtliche Eisenbahnstatuten in Bayern“, die am 28. September 1836 in Kraft traten und allen genehmigten

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, Wien, 1912, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen02_1912/52>, abgerufen am 11.12.2024.