Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, Wien, 1912.zur Durchführung gelangt; späterhin dürften selbsttätige Einrichtungen zur Verwendung kommen; die eine dichtere Aufeinanderfolge der Züge - bis 11/2 Minuten - ermöglichen. 3. Bahnpolitik und Erträgnis. Das sog. Groß-Berlin zerfällt in eine große Zahl selbständiger, in den verschiedensten Interessengegensätzen zueinander stehender Gemeinden, mit denen über die Bahngestaltung zu verhandeln war, ehe die Staatsverwaltung, die die Schnellbahnunternehmungen auf jede Art zu fördern suchte, die kleinbahngesetzliche Genehmigung zur Ausführung der Schnellbahnen erteilen konnte. Die Ausgestaltung der Hoch- und Untergrundbahnen ist das Ergebnis langwieriger Kämpfe mit den beteiligten Gemeinden einerseits, sorgfältigster Erwägung der finanziellen Möglichkeiten anderseits. Die Einflüsse der Gemeinden kommen in erschwerenden Belastungen der Unternehmung, die Finanzpolitik der Gesellschaft in direkten oder indirekten Subventionierungen zum Ausdruck, auf die die Gesellschaft aus wirtschaftlichen Gründen für die ertragsärmeren Außenstrecken angewiesen war. So ist bereits die Westendlinie, die unbebaute Gelände erschließen sollte, in der Weise unterstützt worden, daß die Terraingesellschaft Neuwestend, die Stadt Charlottenburg und der Forstfiskus die erforderlichen Zuschüsse bereitstellten. Für die Strecke Wittenbergplatz-Uhlandstraße hat die Gemeinde Charlottenburg einen beträchtlichen Zuschuß gezahlt. Die Außenstrecken von der Uhlandstraße und der Nürnberger Straße südwestwärts werden von den beteiligten Gemeinden gebaut und der Hochbahngesellschaft zum Betriebe überlassen; in ähnlicher Weise dürften spätere Erweiterungen nach Osten und Norden hin zu stande kommen. Durch derartige Erleichterungen ist es dem Hochbahnunternehmen, dessen Herstellung im Innern außerordentlich hohe Kosten erfordert, möglich geworden, auch die Außengebiete zu erschließen und sich dennoch eine gesunde wirtschaftliche Grundlage zu verschaffen, wobei allerdings neben sparsamer Wirtschaftsführung auch der Fahrpreisgestaltung die ernsteste Fürsorge zugewendet ist. In letzterer Hinsicht hat die Gesellschaft den Boden der Schleudertarifpolitik grundsätzlich vermieden, indem sie von der Ausgabe von Zeitkarten abgesehen und sich auf die Ausgabe von Einzelfahrkarten beschränkt hat; die eine angemessene Einnahme ermöglichen, dabei gleichzeitig den Anforderungen des öffentlichen Interesses in vollem Umfange Rechnung tragen. Die Fahrpreise betragen in der unteren Wagenklasse für 4 Stationsabschnitte (durchschnittlich 3·4 km) 10 Pf., für je 3 weitere Abschnitte 5 Pf. mehr; in der II. Wagenklasse sind die Fahrpreise in den einzelnen Abschnittsgruppen im allgemeinen um die Hälfte höher als in der III. Klasse. Der Verkehr des Jahres 1910 belief sich auf rund 56·9 Mill. Fahrgäste gegen 54·1 Mill. des Vorjahres. Das Eröffnungsjahr 1902 der Grundstrecke - Teilbetrieb - wies einen Verkehr von 20 Mill. Fahrgästen auf. Die Verteilungskurve des Jahresverkehrs zeigt regelmäßig zwei Jahresmaxima in den Monaten März und Dezember, ein Minimum im Monat Juli. Im Jahre 1910 betrug die monatliche Höchstziffer des Verkehrs im Dezember 6·1 Mill., der Mindestverkehr im Juli 3·7 Mill. Fahrgäste. Der größte Tagesverkehr fiel, abgesehen vom Sylvestertage des Jahres 1910, an dem 233.708 Personen bei 31.830 M. Einnahme befördert wurden, auf den 27. Dezember mit 199.626 Fahrgästen und 26.902 M. Einnahme, der geringste Verkehr auf den 21. Juli mit 107.904 Fahrgästen und 13.797 M. Einnahme. Die Durchschnittseinnahme auf den Fahrgast betrug 1910 13·23 Pf. gegen 13·18 Pf. im Vorjahre. Im Jahre 1910 wurden im ganzen 3·14 Mill. Zugkilometer, meist in Zügen von 3 und 4 Wagen gefahren, im Dezember wurden, um dem gesteigerten Verkehrsbedürfnis zu genügen, zeitweise Sechswagenzüge in Betrieb genommen. Der Wagenpark umfaßte im Jahre 1910 133 Motorwagen und 101 Beiwagen. Die Betriebseinnahme der Hoch- und Untergrundbahn betrug 1910 7,525.935·46 M. (gegen 7,136.541 M. des Vorjahres); hierzu kommt noch die Einnahme aus der 2·8 km langen Flachbahnbetriebsstrecke Warschauer Brücke-Lichtenberg mit 95.310 M. Nach dem Geschäftsbericht standen Ende 1910 auf der Passivseite das Aktienkapital mit 50 Mill. M. - wovon noch 7·5 Mill. M. einzuzahlen sind -, die Schuldverschreibungen mit rund 50 Mill. M., während in den Aktiven der Substanzwert der Bahnanlagen (einschließlich der Grunderwerbskosten) auf rund 60 Mill. M., des Kraftwerks und der Betriebsstätten auf 9·1 Mill., des Betriebsmittelparks mit rund 7 Mill. M. standen. Diesem Substanzwert der werbenden Anlagen von 76 Mill. M. stellten sich die im Besitz der Gesellschaft befindlichen Grundstücke und Gebäude mit 4·3 Mill. M. an die Seite. Das Bau- und Grunderwerbskonto der Erweiterungslinien stand Ende 1910 mit 15·9 Mill. M. zu Buch. Die Gewinn- und Verlustrechnung zur Durchführung gelangt; späterhin dürften selbsttätige Einrichtungen zur Verwendung kommen; die eine dichtere Aufeinanderfolge der Züge – bis 11/2 Minuten – ermöglichen. 3. Bahnpolitik und Erträgnis. Das sog. Groß-Berlin zerfällt in eine große Zahl selbständiger, in den verschiedensten Interessengegensätzen zueinander stehender Gemeinden, mit denen über die Bahngestaltung zu verhandeln war, ehe die Staatsverwaltung, die die Schnellbahnunternehmungen auf jede Art zu fördern suchte, die kleinbahngesetzliche Genehmigung zur Ausführung der Schnellbahnen erteilen konnte. Die Ausgestaltung der Hoch- und Untergrundbahnen ist das Ergebnis langwieriger Kämpfe mit den beteiligten Gemeinden einerseits, sorgfältigster Erwägung der finanziellen Möglichkeiten anderseits. Die Einflüsse der Gemeinden kommen in erschwerenden Belastungen der Unternehmung, die Finanzpolitik der Gesellschaft in direkten oder indirekten Subventionierungen zum Ausdruck, auf die die Gesellschaft aus wirtschaftlichen Gründen für die ertragsärmeren Außenstrecken angewiesen war. So ist bereits die Westendlinie, die unbebaute Gelände erschließen sollte, in der Weise unterstützt worden, daß die Terraingesellschaft Neuwestend, die Stadt Charlottenburg und der Forstfiskus die erforderlichen Zuschüsse bereitstellten. Für die Strecke Wittenbergplatz-Uhlandstraße hat die Gemeinde Charlottenburg einen beträchtlichen Zuschuß gezahlt. Die Außenstrecken von der Uhlandstraße und der Nürnberger Straße südwestwärts werden von den beteiligten Gemeinden gebaut und der Hochbahngesellschaft zum Betriebe überlassen; in ähnlicher Weise dürften spätere Erweiterungen nach Osten und Norden hin zu stande kommen. Durch derartige Erleichterungen ist es dem Hochbahnunternehmen, dessen Herstellung im Innern außerordentlich hohe Kosten erfordert, möglich geworden, auch die Außengebiete zu erschließen und sich dennoch eine gesunde wirtschaftliche Grundlage zu verschaffen, wobei allerdings neben sparsamer Wirtschaftsführung auch der Fahrpreisgestaltung die ernsteste Fürsorge zugewendet ist. In letzterer Hinsicht hat die Gesellschaft den Boden der Schleudertarifpolitik grundsätzlich vermieden, indem sie von der Ausgabe von Zeitkarten abgesehen und sich auf die Ausgabe von Einzelfahrkarten beschränkt hat; die eine angemessene Einnahme ermöglichen, dabei gleichzeitig den Anforderungen des öffentlichen Interesses in vollem Umfange Rechnung tragen. Die Fahrpreise betragen in der unteren Wagenklasse für 4 Stationsabschnitte (durchschnittlich 3·4 km) 10 Pf., für je 3 weitere Abschnitte 5 Pf. mehr; in der II. Wagenklasse sind die Fahrpreise in den einzelnen Abschnittsgruppen im allgemeinen um die Hälfte höher als in der III. Klasse. Der Verkehr des Jahres 1910 belief sich auf rund 56·9 Mill. Fahrgäste gegen 54·1 Mill. des Vorjahres. Das Eröffnungsjahr 1902 der Grundstrecke – Teilbetrieb – wies einen Verkehr von 20 Mill. Fahrgästen auf. Die Verteilungskurve des Jahresverkehrs zeigt regelmäßig zwei Jahresmaxima in den Monaten März und Dezember, ein Minimum im Monat Juli. Im Jahre 1910 betrug die monatliche Höchstziffer des Verkehrs im Dezember 6·1 Mill., der Mindestverkehr im Juli 3·7 Mill. Fahrgäste. Der größte Tagesverkehr fiel, abgesehen vom Sylvestertage des Jahres 1910, an dem 233.708 Personen bei 31.830 M. Einnahme befördert wurden, auf den 27. Dezember mit 199.626 Fahrgästen und 26.902 M. Einnahme, der geringste Verkehr auf den 21. Juli mit 107.904 Fahrgästen und 13.797 M. Einnahme. Die Durchschnittseinnahme auf den Fahrgast betrug 1910 13·23 Pf. gegen 13·18 Pf. im Vorjahre. Im Jahre 1910 wurden im ganzen 3·14 Mill. Zugkilometer, meist in Zügen von 3 und 4 Wagen gefahren, im Dezember wurden, um dem gesteigerten Verkehrsbedürfnis zu genügen, zeitweise Sechswagenzüge in Betrieb genommen. Der Wagenpark umfaßte im Jahre 1910 133 Motorwagen und 101 Beiwagen. Die Betriebseinnahme der Hoch- und Untergrundbahn betrug 1910 7,525.935·46 M. (gegen 7,136.541 M. des Vorjahres); hierzu kommt noch die Einnahme aus der 2·8 km langen Flachbahnbetriebsstrecke Warschauer Brücke-Lichtenberg mit 95.310 M. Nach dem Geschäftsbericht standen Ende 1910 auf der Passivseite das Aktienkapital mit 50 Mill. M. – wovon noch 7·5 Mill. M. einzuzahlen sind –, die Schuldverschreibungen mit rund 50 Mill. M., während in den Aktiven der Substanzwert der Bahnanlagen (einschließlich der Grunderwerbskosten) auf rund 60 Mill. M., des Kraftwerks und der Betriebsstätten auf 9·1 Mill., des Betriebsmittelparks mit rund 7 Mill. M. standen. Diesem Substanzwert der werbenden Anlagen von 76 Mill. M. stellten sich die im Besitz der Gesellschaft befindlichen Grundstücke und Gebäude mit 4·3 Mill. M. an die Seite. Das Bau- und Grunderwerbskonto der Erweiterungslinien stand Ende 1910 mit 15·9 Mill. M. zu Buch. 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Die Ausgestaltung der Hoch- und Untergrundbahnen ist das Ergebnis langwieriger Kämpfe mit den beteiligten Gemeinden einerseits, sorgfältigster Erwägung der finanziellen Möglichkeiten anderseits. Die Einflüsse der Gemeinden kommen in erschwerenden Belastungen der Unternehmung, die Finanzpolitik der Gesellschaft in direkten oder indirekten Subventionierungen zum Ausdruck, auf die die Gesellschaft aus wirtschaftlichen Gründen für die ertragsärmeren Außenstrecken angewiesen war.</p><lb/> <p>So ist bereits die Westendlinie, die unbebaute Gelände erschließen sollte, in der Weise unterstützt worden, daß die Terraingesellschaft Neuwestend, die Stadt Charlottenburg und der Forstfiskus die erforderlichen Zuschüsse bereitstellten. Für die Strecke Wittenbergplatz-Uhlandstraße hat die Gemeinde Charlottenburg einen beträchtlichen Zuschuß gezahlt. Die Außenstrecken von der Uhlandstraße und der Nürnberger Straße südwestwärts werden von den beteiligten Gemeinden gebaut und der Hochbahngesellschaft zum Betriebe überlassen; in ähnlicher Weise dürften spätere Erweiterungen nach Osten und Norden hin zu stande kommen.</p><lb/> <p>Durch derartige Erleichterungen ist es dem Hochbahnunternehmen, dessen Herstellung im Innern außerordentlich hohe Kosten erfordert, möglich geworden, auch die Außengebiete zu erschließen und sich dennoch eine gesunde wirtschaftliche Grundlage zu verschaffen, wobei allerdings neben sparsamer Wirtschaftsführung auch der Fahrpreisgestaltung die ernsteste Fürsorge zugewendet ist. 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Die Verteilungskurve des Jahresverkehrs zeigt regelmäßig zwei Jahresmaxima in den Monaten März und Dezember, ein Minimum im Monat Juli. Im Jahre 1910 betrug die monatliche Höchstziffer des Verkehrs im Dezember 6·1 Mill., der Mindestverkehr im Juli 3·7 Mill. Fahrgäste. Der größte Tagesverkehr fiel, abgesehen vom Sylvestertage des Jahres 1910, an dem 233.708 Personen bei 31.830 M. Einnahme befördert wurden, auf den 27. Dezember mit 199.626 Fahrgästen und 26.902 M. Einnahme, der geringste Verkehr auf den 21. Juli mit 107.904 Fahrgästen und 13.797 M. Einnahme. Die Durchschnittseinnahme auf den Fahrgast betrug 1910 13·23 Pf. gegen 13·18 Pf. im Vorjahre.</p><lb/> <p>Im Jahre 1910 wurden im ganzen 3·14 Mill. Zugkilometer, meist in Zügen von 3 und 4 Wagen gefahren, im Dezember wurden, um dem gesteigerten Verkehrsbedürfnis zu genügen, zeitweise Sechswagenzüge in Betrieb genommen. 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zur Durchführung gelangt; späterhin dürften selbsttätige Einrichtungen zur Verwendung kommen; die eine dichtere Aufeinanderfolge der Züge – bis 11/2 Minuten – ermöglichen.
3. Bahnpolitik und Erträgnis. Das sog. Groß-Berlin zerfällt in eine große Zahl selbständiger, in den verschiedensten Interessengegensätzen zueinander stehender Gemeinden, mit denen über die Bahngestaltung zu verhandeln war, ehe die Staatsverwaltung, die die Schnellbahnunternehmungen auf jede Art zu fördern suchte, die kleinbahngesetzliche Genehmigung zur Ausführung der Schnellbahnen erteilen konnte. Die Ausgestaltung der Hoch- und Untergrundbahnen ist das Ergebnis langwieriger Kämpfe mit den beteiligten Gemeinden einerseits, sorgfältigster Erwägung der finanziellen Möglichkeiten anderseits. Die Einflüsse der Gemeinden kommen in erschwerenden Belastungen der Unternehmung, die Finanzpolitik der Gesellschaft in direkten oder indirekten Subventionierungen zum Ausdruck, auf die die Gesellschaft aus wirtschaftlichen Gründen für die ertragsärmeren Außenstrecken angewiesen war.
So ist bereits die Westendlinie, die unbebaute Gelände erschließen sollte, in der Weise unterstützt worden, daß die Terraingesellschaft Neuwestend, die Stadt Charlottenburg und der Forstfiskus die erforderlichen Zuschüsse bereitstellten. Für die Strecke Wittenbergplatz-Uhlandstraße hat die Gemeinde Charlottenburg einen beträchtlichen Zuschuß gezahlt. Die Außenstrecken von der Uhlandstraße und der Nürnberger Straße südwestwärts werden von den beteiligten Gemeinden gebaut und der Hochbahngesellschaft zum Betriebe überlassen; in ähnlicher Weise dürften spätere Erweiterungen nach Osten und Norden hin zu stande kommen.
Durch derartige Erleichterungen ist es dem Hochbahnunternehmen, dessen Herstellung im Innern außerordentlich hohe Kosten erfordert, möglich geworden, auch die Außengebiete zu erschließen und sich dennoch eine gesunde wirtschaftliche Grundlage zu verschaffen, wobei allerdings neben sparsamer Wirtschaftsführung auch der Fahrpreisgestaltung die ernsteste Fürsorge zugewendet ist. In letzterer Hinsicht hat die Gesellschaft den Boden der Schleudertarifpolitik grundsätzlich vermieden, indem sie von der Ausgabe von Zeitkarten abgesehen und sich auf die Ausgabe von Einzelfahrkarten beschränkt hat; die eine angemessene Einnahme ermöglichen, dabei gleichzeitig den Anforderungen des öffentlichen Interesses in vollem Umfange Rechnung tragen. Die Fahrpreise betragen in der unteren Wagenklasse für 4 Stationsabschnitte (durchschnittlich 3·4 km) 10 Pf., für je 3 weitere Abschnitte 5 Pf. mehr; in der II. Wagenklasse sind die Fahrpreise in den einzelnen Abschnittsgruppen im allgemeinen um die Hälfte höher als in der III. Klasse.
Der Verkehr des Jahres 1910 belief sich auf rund 56·9 Mill. Fahrgäste gegen 54·1 Mill. des Vorjahres. Das Eröffnungsjahr 1902 der Grundstrecke – Teilbetrieb – wies einen Verkehr von 20 Mill. Fahrgästen auf. Die Verteilungskurve des Jahresverkehrs zeigt regelmäßig zwei Jahresmaxima in den Monaten März und Dezember, ein Minimum im Monat Juli. Im Jahre 1910 betrug die monatliche Höchstziffer des Verkehrs im Dezember 6·1 Mill., der Mindestverkehr im Juli 3·7 Mill. Fahrgäste. Der größte Tagesverkehr fiel, abgesehen vom Sylvestertage des Jahres 1910, an dem 233.708 Personen bei 31.830 M. Einnahme befördert wurden, auf den 27. Dezember mit 199.626 Fahrgästen und 26.902 M. Einnahme, der geringste Verkehr auf den 21. Juli mit 107.904 Fahrgästen und 13.797 M. Einnahme. Die Durchschnittseinnahme auf den Fahrgast betrug 1910 13·23 Pf. gegen 13·18 Pf. im Vorjahre.
Im Jahre 1910 wurden im ganzen 3·14 Mill. Zugkilometer, meist in Zügen von 3 und 4 Wagen gefahren, im Dezember wurden, um dem gesteigerten Verkehrsbedürfnis zu genügen, zeitweise Sechswagenzüge in Betrieb genommen. Der Wagenpark umfaßte im Jahre 1910 133 Motorwagen und 101 Beiwagen.
Die Betriebseinnahme der Hoch- und Untergrundbahn betrug 1910 7,525.935·46 M. (gegen 7,136.541 M. des Vorjahres); hierzu kommt noch die Einnahme aus der 2·8 km langen Flachbahnbetriebsstrecke Warschauer Brücke-Lichtenberg mit 95.310 M.
Nach dem Geschäftsbericht standen Ende 1910 auf der Passivseite das Aktienkapital mit 50 Mill. M. – wovon noch 7·5 Mill. M. einzuzahlen sind –, die Schuldverschreibungen mit rund 50 Mill. M., während in den Aktiven der Substanzwert der Bahnanlagen (einschließlich der Grunderwerbskosten) auf rund 60 Mill. M., des Kraftwerks und der Betriebsstätten auf 9·1 Mill., des Betriebsmittelparks mit rund 7 Mill. M. standen. Diesem Substanzwert der werbenden Anlagen von 76 Mill. M. stellten sich die im Besitz der Gesellschaft befindlichen Grundstücke und Gebäude mit 4·3 Mill. M. an die Seite.
Das Bau- und Grunderwerbskonto der Erweiterungslinien stand Ende 1910 mit 15·9 Mill. M. zu Buch. Die Gewinn- und Verlustrechnung
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