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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, Wien, 1912.

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es bedurfte 17 Sitzungen, bis der Gesetzentwurf am 28. März mit 56 gegen 28 Stimmen angenommen wurde. Minister Rogier verteidigte in glänzender Weise den Standpunkt der Regierung. Er machte insbesondere geltend, daß durch die Ausführung der geplanten Eisenbahnen Belgien außer der politischen auch die kommerzielle Unabhängigkeit erlangen werde. Im Senate erfolgte die Annahme des Gesetzes am 30. April 1834 mit 32 gegen 8 Stimmen. Das Gesetz über die belgischen Eisenbahnen erhielt die königliche Sanktion am 1. Mai 1834. Die Veröffentlichung erfolgte am 4. Mai 1834 im "Moniteur belge" (vgl. Charles Rogier, Brüssel 1880).

Ein Jahr später, am 5. Mai 1835, wurde zunächst die 21 km lange Linie von Brüssel nach Malines dem Verkehr übergeben.

Durch das Gesetz vom 26. Mai 1837 wurde der Bau weiterer Linien angeordnet. Es waren dies die Linien von Gent über Courtrai und Mouscron zur französischen Grenze in der Richtung auf Lille, mit einem Flügel von Mouscron nach Tournai, von Braine-le-Comte über Charleroi nach Namur, von Landen nach St. Trond; zusammen 563 km.

1840 schlug die Regierung der gesetzgebenden Kammer vor, eine neue Anleihe für den Bau von Eisenbahnen auf Staatskosten aufzunehmen; die Anleihe wurde zwar nach lebhaften Debatten bewilligt, es wurde jedoch in deren Verlauf insbesondere geltend gemacht, daß in den ersten Jahren des Betriebs die Ergebnisse keineswegs den Erwartungen entsprachen, die man auf die Eisenbahnen gesetzt hatte. Gleichzeitig entschied die Kammer, künftighin nicht mehr ausschließlich Staatsmittel für den Bau der Eisenbahnen zu verwenden. Man erkannte, daß es der Regierung obliege, die Hauptlinien zu bauen, hielt es aber für angezeigt, zur privaten Bautätigkeit überzugehen, um das Eisenbahnnetz durch Anlage von Nebenlinien zu vervollständigen.

Die erste Konzession betraf die Eisenbahn von Antwerpen nach Gent; sie wurde am 16. November 1842 erteilt u. zw. durch gerichtlichen Zuspruch, wie es das Gesetz vom 19. Juli 1832 vorschrieb.

Im Jahre 1850 waren 14 Konzessionen erteilt, 1859, 25 Jahre nach Inangriffnahme der ersten Eisenbahn, bereits 23.

Diese 23 Konzessionen verteilen sich, wie folgt:

1. sieben Bahnen ohne Garantie, betrieben von den Gesellschaften, die sie erbaut haben;

2. sechs Bahnen mit teilweiser oder vollständiger Garantie des Staates, betrieben von den konzessionierten Gesellschaften;

3. fünf Bahnen ohne Garantie des Staates, betrieben von anderen als den konzessionierten Gesellschaften;

4. eine Bahn im Genuß der Staatsgarantie und betrieben von einer anderen als der konzessionierten Gesellschaft;

5. vier Bahnen im Betrieb des Staates gegen feste Rente oder gegen Anteil an den Einnahmen.

Die Regierung mußte mehr als einmal den konzessionierten Gesellschaften beistehen, indem sie ihnen teils Fristverlängerungen, teils Vorschüsse oder die Zusicherung einer bestimmten Verzinsung gewährte.

Die Bahnen Belgiens hatten 1860, nach 25jährigem Bestand, eine Betriebslänge von 1729 km, wovon 747 km auf Staats- und 982 km auf Privatbetrieb entfielen.

Was das staatliche Eisenbahnnetz anbelangt, so erfuhr dieses infolge des Systemwechsels lange Zeit keine weitere Entwicklung. Dagegen wurden auch in der Periode 1860 bis 1870 zahlreiche weitere Konzessionen verliehen.

Ende 1870 erreichte das Bahnnetz eine Betriebslänge von 2897 km, wovon 869 km im Betrieb des Staates und 2028 km im Betrieb von Gesellschaften standen.

Der folgende Zeitabschnitt bis 1880 ist gekennzeichnet durch Rückkauf und Betriebsübernahme wichtiger Bahnlinien durch den Staat.

Ende 1880 waren von den 4112 km Bahnen Belgiens 2792 km im Staatsbetrieb und 1320 km im Privatbetrieb.

Ende 1890 waren 3249 km Staatsbahnen und 1478 km Privatbahnen, zusammen 4727 km in Betrieb.

Auch in der folgenden Zeit zeigte sich immer mehr das Bestreben, die privaten Konzessionen zurückzukaufen und bereitete deshalb im Jahre 1891 der Bericht des Zentralausschusses der Kammer, der mit großer Spannung erwartet worden war, einige Enttäuschung, weil man eine ausdrückliche Erklärung zu gunsten der Verstaatlichung erwartet hatte, während der Ausschuß sich darauf beschränkte, die Frage der Regierung zur Erwägung zu empfehlen.

Ende 1900 betrug die Betriebslänge der B. 4647 km, wovon auf Staatsbahnen 4060 km und auf Privatbahnen 587 km entfallen.

Ende 1909 hatte das belgische Eisenbahnnetz eine Ausdehnung von 4709·5 km (ausgenommen Nebenbahnen und Tramways); hierunter befanden sich 4322 km Staatsbahnen.

Ende 1910 erreichte das Netz der belgischen Hauptbahnen 4721·7 km (hiervon Staatsbahnen 4330·3 km und Privatbahnen 391·4 km).

es bedurfte 17 Sitzungen, bis der Gesetzentwurf am 28. März mit 56 gegen 28 Stimmen angenommen wurde. Minister Rogier verteidigte in glänzender Weise den Standpunkt der Regierung. Er machte insbesondere geltend, daß durch die Ausführung der geplanten Eisenbahnen Belgien außer der politischen auch die kommerzielle Unabhängigkeit erlangen werde. Im Senate erfolgte die Annahme des Gesetzes am 30. April 1834 mit 32 gegen 8 Stimmen. Das Gesetz über die belgischen Eisenbahnen erhielt die königliche Sanktion am 1. Mai 1834. Die Veröffentlichung erfolgte am 4. Mai 1834 im „Moniteur belge“ (vgl. Charles Rogier, Brüssel 1880).

Ein Jahr später, am 5. Mai 1835, wurde zunächst die 21 km lange Linie von Brüssel nach Malines dem Verkehr übergeben.

Durch das Gesetz vom 26. Mai 1837 wurde der Bau weiterer Linien angeordnet. Es waren dies die Linien von Gent über Courtrai und Mouscron zur französischen Grenze in der Richtung auf Lille, mit einem Flügel von Mouscron nach Tournai, von Braine-le-Comte über Charleroi nach Namur, von Landen nach St. Trond; zusammen 563 km.

1840 schlug die Regierung der gesetzgebenden Kammer vor, eine neue Anleihe für den Bau von Eisenbahnen auf Staatskosten aufzunehmen; die Anleihe wurde zwar nach lebhaften Debatten bewilligt, es wurde jedoch in deren Verlauf insbesondere geltend gemacht, daß in den ersten Jahren des Betriebs die Ergebnisse keineswegs den Erwartungen entsprachen, die man auf die Eisenbahnen gesetzt hatte. Gleichzeitig entschied die Kammer, künftighin nicht mehr ausschließlich Staatsmittel für den Bau der Eisenbahnen zu verwenden. Man erkannte, daß es der Regierung obliege, die Hauptlinien zu bauen, hielt es aber für angezeigt, zur privaten Bautätigkeit überzugehen, um das Eisenbahnnetz durch Anlage von Nebenlinien zu vervollständigen.

Die erste Konzession betraf die Eisenbahn von Antwerpen nach Gent; sie wurde am 16. November 1842 erteilt u. zw. durch gerichtlichen Zuspruch, wie es das Gesetz vom 19. Juli 1832 vorschrieb.

Im Jahre 1850 waren 14 Konzessionen erteilt, 1859, 25 Jahre nach Inangriffnahme der ersten Eisenbahn, bereits 23.

Diese 23 Konzessionen verteilen sich, wie folgt:

1. sieben Bahnen ohne Garantie, betrieben von den Gesellschaften, die sie erbaut haben;

2. sechs Bahnen mit teilweiser oder vollständiger Garantie des Staates, betrieben von den konzessionierten Gesellschaften;

3. fünf Bahnen ohne Garantie des Staates, betrieben von anderen als den konzessionierten Gesellschaften;

4. eine Bahn im Genuß der Staatsgarantie und betrieben von einer anderen als der konzessionierten Gesellschaft;

5. vier Bahnen im Betrieb des Staates gegen feste Rente oder gegen Anteil an den Einnahmen.

Die Regierung mußte mehr als einmal den konzessionierten Gesellschaften beistehen, indem sie ihnen teils Fristverlängerungen, teils Vorschüsse oder die Zusicherung einer bestimmten Verzinsung gewährte.

Die Bahnen Belgiens hatten 1860, nach 25jährigem Bestand, eine Betriebslänge von 1729 km, wovon 747 km auf Staats- und 982 km auf Privatbetrieb entfielen.

Was das staatliche Eisenbahnnetz anbelangt, so erfuhr dieses infolge des Systemwechsels lange Zeit keine weitere Entwicklung. Dagegen wurden auch in der Periode 1860 bis 1870 zahlreiche weitere Konzessionen verliehen.

Ende 1870 erreichte das Bahnnetz eine Betriebslänge von 2897 km, wovon 869 km im Betrieb des Staates und 2028 km im Betrieb von Gesellschaften standen.

Der folgende Zeitabschnitt bis 1880 ist gekennzeichnet durch Rückkauf und Betriebsübernahme wichtiger Bahnlinien durch den Staat.

Ende 1880 waren von den 4112 km Bahnen Belgiens 2792 km im Staatsbetrieb und 1320 km im Privatbetrieb.

Ende 1890 waren 3249 km Staatsbahnen und 1478 km Privatbahnen, zusammen 4727 km in Betrieb.

Auch in der folgenden Zeit zeigte sich immer mehr das Bestreben, die privaten Konzessionen zurückzukaufen und bereitete deshalb im Jahre 1891 der Bericht des Zentralausschusses der Kammer, der mit großer Spannung erwartet worden war, einige Enttäuschung, weil man eine ausdrückliche Erklärung zu gunsten der Verstaatlichung erwartet hatte, während der Ausschuß sich darauf beschränkte, die Frage der Regierung zur Erwägung zu empfehlen.

Ende 1900 betrug die Betriebslänge der B. 4647 km, wovon auf Staatsbahnen 4060 km und auf Privatbahnen 587 km entfallen.

Ende 1909 hatte das belgische Eisenbahnnetz eine Ausdehnung von 4709·5 km (ausgenommen Nebenbahnen und Tramways); hierunter befanden sich 4322 km Staatsbahnen.

Ende 1910 erreichte das Netz der belgischen Hauptbahnen 4721·7 km (hiervon Staatsbahnen 4330·3 km und Privatbahnen 391·4 km).

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[177/0186] es bedurfte 17 Sitzungen, bis der Gesetzentwurf am 28. März mit 56 gegen 28 Stimmen angenommen wurde. Minister Rogier verteidigte in glänzender Weise den Standpunkt der Regierung. Er machte insbesondere geltend, daß durch die Ausführung der geplanten Eisenbahnen Belgien außer der politischen auch die kommerzielle Unabhängigkeit erlangen werde. Im Senate erfolgte die Annahme des Gesetzes am 30. April 1834 mit 32 gegen 8 Stimmen. Das Gesetz über die belgischen Eisenbahnen erhielt die königliche Sanktion am 1. Mai 1834. Die Veröffentlichung erfolgte am 4. Mai 1834 im „Moniteur belge“ (vgl. Charles Rogier, Brüssel 1880). Ein Jahr später, am 5. Mai 1835, wurde zunächst die 21 km lange Linie von Brüssel nach Malines dem Verkehr übergeben. Durch das Gesetz vom 26. Mai 1837 wurde der Bau weiterer Linien angeordnet. Es waren dies die Linien von Gent über Courtrai und Mouscron zur französischen Grenze in der Richtung auf Lille, mit einem Flügel von Mouscron nach Tournai, von Braine-le-Comte über Charleroi nach Namur, von Landen nach St. Trond; zusammen 563 km. 1840 schlug die Regierung der gesetzgebenden Kammer vor, eine neue Anleihe für den Bau von Eisenbahnen auf Staatskosten aufzunehmen; die Anleihe wurde zwar nach lebhaften Debatten bewilligt, es wurde jedoch in deren Verlauf insbesondere geltend gemacht, daß in den ersten Jahren des Betriebs die Ergebnisse keineswegs den Erwartungen entsprachen, die man auf die Eisenbahnen gesetzt hatte. Gleichzeitig entschied die Kammer, künftighin nicht mehr ausschließlich Staatsmittel für den Bau der Eisenbahnen zu verwenden. Man erkannte, daß es der Regierung obliege, die Hauptlinien zu bauen, hielt es aber für angezeigt, zur privaten Bautätigkeit überzugehen, um das Eisenbahnnetz durch Anlage von Nebenlinien zu vervollständigen. Die erste Konzession betraf die Eisenbahn von Antwerpen nach Gent; sie wurde am 16. November 1842 erteilt u. zw. durch gerichtlichen Zuspruch, wie es das Gesetz vom 19. Juli 1832 vorschrieb. Im Jahre 1850 waren 14 Konzessionen erteilt, 1859, 25 Jahre nach Inangriffnahme der ersten Eisenbahn, bereits 23. Diese 23 Konzessionen verteilen sich, wie folgt: 1. sieben Bahnen ohne Garantie, betrieben von den Gesellschaften, die sie erbaut haben; 2. sechs Bahnen mit teilweiser oder vollständiger Garantie des Staates, betrieben von den konzessionierten Gesellschaften; 3. fünf Bahnen ohne Garantie des Staates, betrieben von anderen als den konzessionierten Gesellschaften; 4. eine Bahn im Genuß der Staatsgarantie und betrieben von einer anderen als der konzessionierten Gesellschaft; 5. vier Bahnen im Betrieb des Staates gegen feste Rente oder gegen Anteil an den Einnahmen. Die Regierung mußte mehr als einmal den konzessionierten Gesellschaften beistehen, indem sie ihnen teils Fristverlängerungen, teils Vorschüsse oder die Zusicherung einer bestimmten Verzinsung gewährte. Die Bahnen Belgiens hatten 1860, nach 25jährigem Bestand, eine Betriebslänge von 1729 km, wovon 747 km auf Staats- und 982 km auf Privatbetrieb entfielen. Was das staatliche Eisenbahnnetz anbelangt, so erfuhr dieses infolge des Systemwechsels lange Zeit keine weitere Entwicklung. Dagegen wurden auch in der Periode 1860 bis 1870 zahlreiche weitere Konzessionen verliehen. Ende 1870 erreichte das Bahnnetz eine Betriebslänge von 2897 km, wovon 869 km im Betrieb des Staates und 2028 km im Betrieb von Gesellschaften standen. Der folgende Zeitabschnitt bis 1880 ist gekennzeichnet durch Rückkauf und Betriebsübernahme wichtiger Bahnlinien durch den Staat. Ende 1880 waren von den 4112 km Bahnen Belgiens 2792 km im Staatsbetrieb und 1320 km im Privatbetrieb. Ende 1890 waren 3249 km Staatsbahnen und 1478 km Privatbahnen, zusammen 4727 km in Betrieb. Auch in der folgenden Zeit zeigte sich immer mehr das Bestreben, die privaten Konzessionen zurückzukaufen und bereitete deshalb im Jahre 1891 der Bericht des Zentralausschusses der Kammer, der mit großer Spannung erwartet worden war, einige Enttäuschung, weil man eine ausdrückliche Erklärung zu gunsten der Verstaatlichung erwartet hatte, während der Ausschuß sich darauf beschränkte, die Frage der Regierung zur Erwägung zu empfehlen. Ende 1900 betrug die Betriebslänge der B. 4647 km, wovon auf Staatsbahnen 4060 km und auf Privatbahnen 587 km entfallen. Ende 1909 hatte das belgische Eisenbahnnetz eine Ausdehnung von 4709·5 km (ausgenommen Nebenbahnen und Tramways); hierunter befanden sich 4322 km Staatsbahnen. Ende 1910 erreichte das Netz der belgischen Hauptbahnen 4721·7 km (hiervon Staatsbahnen 4330·3 km und Privatbahnen 391·4 km).

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, Wien, 1912, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen02_1912/186>, abgerufen am 16.07.2024.