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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, Wien, 1912.

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die bescheidene Zahl von nur 479 km Bahnen zur Betriebseröffnung gelangt war. Erst der Aufstand von Südwestafrika mit seinen schweren Opfern an Hab und Gut und Menschenleben hat dem deutschen Volke die Augen geöffnet und einen heilsamen Umschwung in der öffentlichen Meinung herbeigeführt. Das deutsche Volk lernte wieder an seine in früheren Jahrhunderten bewährte kolonisatorische Kraft und Befähigung glauben, faßte wieder Vertrauen in die Zukunft seines bisher häufig zu Unrecht geschmähten überseeischen Kolonialbesitzes und wuchs in die neuen kolonialen Aufgaben allmählich hinein. Der nach der Auflösung vom Dezember 1906 neugewählte Reichstag bewilligte die Mittel für die Niederwerfung des Aufstandes in Deutsch-Südwestafrika, für die Weiterführung der Eisenbahn Lüderitzbucht-Aus nach Keetmanshoop und für die Errichtung des neuen Kolonialamtes als einer obersten Reichsbehörde. Der Chef der neuen Reichsbehörde (ein Kaufmann von ungewöhnlicher Tatkraft) reiste im Sommer 1907 selbst in das ostafrikanische Schutzgebiet, um sich aus eigener Anschauung ein Urteil zu bilden über die Möglichkeiten und Vorteile des Eisenbahnbaues zur Erschließung der Schätze des Landes. Die Frucht dieser Reise war eine Kolonialbahnvorlage für 5 neue Schutzgebietsbahnen - im ganzen rund 1460 km - deren Mittel im Betrage von rund 157 Mill. M. Anfang Mai 1908 in Form einer Kolonialanleihe vom Reichstag bewilligt wurden. Der Bahnbau hat seitdem raschere Fortschritte gemacht: Die ersten 1000 km Betriebslänge fertiger Bahnen wurden im Jahre 1906, das zweite Tausend bereits im Jahre 1909 erreicht und überschritten. Nach den bisherigen Bewilligungen kann man damit rechnen, daß bis zum Jahre 1914 etwa 4000 km Bahnen in den Deutschen Schutzgebieten im Betrieb stehen werden. Insbesondere wird Tabora in Ostafrika vom Bahnbau voraussichtlich im Jahre 1912 erreicht werden.

Portugal kommt an der Westküste, in Angola, mit seinen Bahnbauten nicht recht vorwärts; insbesondere scheint die geplante Lobito- oder Benguellabahn, die zur Erschließung des Katangabezirks östlich bis in das belgische Kongogebiet vordringen sollte, einstweilen weit vom Ziel zum Stillstande gelangt zu sein, da die Baumittel erschöpft waren. Neuerdings hat sich die Londoner Firma Pauling & Co. um die Fortführung der Benguellabahn beworben und scheint den Bau nachdrücklich zu betreiben. Bis die Bahn indes den Katangabezirk erreicht, dürfte noch geraume Zeit vergehen. Dagegen haben die Bahnen in Portugiesisch-Ostafrika, die Beira- und die Delagoabahn durch ihren Anschluß an das südafrikanische Eisenbahnnetz der britischen Kolonien erheblich an Bedeutung gewonnen; sie stellen die natürliche, kürzeste Verbindung dar, erstere von Rhodesia, letztere von Transvaal mit der Küste des Indischen Ozeans. Durch das neue Transvaal-Mozambique-Abkommen sind die lange Zeit schwebenden Tarifstreitigkeiten zwischen Portugal und Transvaal endgültig beigelegt, wobei es der Delagoabahn gelang, sich einen Anteil an dem gesamten Transvaal-Ein- und Ausfuhrverkehr von mindestens 50 bis zu höchstens 55% zu sichern. Die Gesamtlänge der portugiesischen Bahnen in Afrika belief sich im Jahre 1908 auf 1386 km.

Von Italiens Eisenbahnfortschritten in Afrika ist zu melden, daß die 115 km lange Militärbahn Massaua-Asmara an der Somaliküste mit Ende des Jahres 1906 vollendet und in Betrieb genommen ist. Über die geplante Fortführung dieser Bahn ins Innere in westlicher Richtung ist Genaueres noch nicht bekannt geworden.

Spaniens koloniale Bestrebungen in Marokko und die jüngsten kriegerischen Ereignisse haben dazu geführt, daß bei Melilla der Anfang mit einem Bahnbau in Richtung auf Fez gemacht worden ist; seine Fortschritte dürften durch die noch fortdauernden kriegerischen Verwicklungen wesentlich gehemmt, wenn nicht ganz vereitelt werden.

Die Entwicklung und der gegenwärtige Stand des Eisenbahnwesens in den einzelnen Ländern und Kolonien Afrikas wird unter den Stichworten der einzelnen Landgebiete ausführlicher behandelt. (Vgl. die Artikel: Ägypten, Algier, Belgisch-Kongo, Britisch-Ostafrika, Britisch-Südafrika, Britisch-Westafrika, Britisch-Zentralafrika, Deutsch-Ostafrika, Deutsche Schutzgebiete, Deutsch-Südwestafrika, Erithrea, Französisch-Kongo, Französisch-Somali, Französisch-Westafrika, Kamerun, Kap-Kairo-Bahn, Katangabezirk, Liberia, Madagaskar, Marokko, Mauritius, Portugiesisch-Ostafrika, Portugiesisch-Westafrika, Reunion, Saharaquerbahn, Sao-Thome, Togo, Tripolis, Tunis.) Nachstehend lassen wir eine Zusammenstellung der im Betrieb befindlichen Eisenbahnen nach den einzelnen Ländern und Schutzgebieten Afrikas folgen, die sich zum Teil auf die Veröffentlichung im Archiv für Eisenbahnwesen: Die Eisenbahnen der Erde, 1911, S. 614, stützt. Da die Betriebslängen infolge der fortschreitenden Bautätigkeit bei vielen Bahnen ständig zunehmen, so können die angegebenen Zahlen auf unbedingte Genauigkeit keinen Anspruch machen.

die bescheidene Zahl von nur 479 km Bahnen zur Betriebseröffnung gelangt war. Erst der Aufstand von Südwestafrika mit seinen schweren Opfern an Hab und Gut und Menschenleben hat dem deutschen Volke die Augen geöffnet und einen heilsamen Umschwung in der öffentlichen Meinung herbeigeführt. Das deutsche Volk lernte wieder an seine in früheren Jahrhunderten bewährte kolonisatorische Kraft und Befähigung glauben, faßte wieder Vertrauen in die Zukunft seines bisher häufig zu Unrecht geschmähten überseeischen Kolonialbesitzes und wuchs in die neuen kolonialen Aufgaben allmählich hinein. Der nach der Auflösung vom Dezember 1906 neugewählte Reichstag bewilligte die Mittel für die Niederwerfung des Aufstandes in Deutsch-Südwestafrika, für die Weiterführung der Eisenbahn Lüderitzbucht-Aus nach Keetmanshoop und für die Errichtung des neuen Kolonialamtes als einer obersten Reichsbehörde. Der Chef der neuen Reichsbehörde (ein Kaufmann von ungewöhnlicher Tatkraft) reiste im Sommer 1907 selbst in das ostafrikanische Schutzgebiet, um sich aus eigener Anschauung ein Urteil zu bilden über die Möglichkeiten und Vorteile des Eisenbahnbaues zur Erschließung der Schätze des Landes. Die Frucht dieser Reise war eine Kolonialbahnvorlage für 5 neue Schutzgebietsbahnen – im ganzen rund 1460 km – deren Mittel im Betrage von rund 157 Mill. M. Anfang Mai 1908 in Form einer Kolonialanleihe vom Reichstag bewilligt wurden. Der Bahnbau hat seitdem raschere Fortschritte gemacht: Die ersten 1000 km Betriebslänge fertiger Bahnen wurden im Jahre 1906, das zweite Tausend bereits im Jahre 1909 erreicht und überschritten. Nach den bisherigen Bewilligungen kann man damit rechnen, daß bis zum Jahre 1914 etwa 4000 km Bahnen in den Deutschen Schutzgebieten im Betrieb stehen werden. Insbesondere wird Tabora in Ostafrika vom Bahnbau voraussichtlich im Jahre 1912 erreicht werden.

Portugal kommt an der Westküste, in Angola, mit seinen Bahnbauten nicht recht vorwärts; insbesondere scheint die geplante Lobito- oder Benguellabahn, die zur Erschließung des Katangabezirks östlich bis in das belgische Kongogebiet vordringen sollte, einstweilen weit vom Ziel zum Stillstande gelangt zu sein, da die Baumittel erschöpft waren. Neuerdings hat sich die Londoner Firma Pauling & Co. um die Fortführung der Benguellabahn beworben und scheint den Bau nachdrücklich zu betreiben. Bis die Bahn indes den Katangabezirk erreicht, dürfte noch geraume Zeit vergehen. Dagegen haben die Bahnen in Portugiesisch-Ostafrika, die Beira- und die Delagoabahn durch ihren Anschluß an das südafrikanische Eisenbahnnetz der britischen Kolonien erheblich an Bedeutung gewonnen; sie stellen die natürliche, kürzeste Verbindung dar, erstere von Rhodesia, letztere von Transvaal mit der Küste des Indischen Ozeans. Durch das neue Transvaal-Mozambique-Abkommen sind die lange Zeit schwebenden Tarifstreitigkeiten zwischen Portugal und Transvaal endgültig beigelegt, wobei es der Delagoabahn gelang, sich einen Anteil an dem gesamten Transvaal-Ein- und Ausfuhrverkehr von mindestens 50 bis zu höchstens 55% zu sichern. Die Gesamtlänge der portugiesischen Bahnen in Afrika belief sich im Jahre 1908 auf 1386 km.

Von Italiens Eisenbahnfortschritten in Afrika ist zu melden, daß die 115 km lange Militärbahn Massaua-Asmara an der Somaliküste mit Ende des Jahres 1906 vollendet und in Betrieb genommen ist. Über die geplante Fortführung dieser Bahn ins Innere in westlicher Richtung ist Genaueres noch nicht bekannt geworden.

Spaniens koloniale Bestrebungen in Marokko und die jüngsten kriegerischen Ereignisse haben dazu geführt, daß bei Melilla der Anfang mit einem Bahnbau in Richtung auf Fez gemacht worden ist; seine Fortschritte dürften durch die noch fortdauernden kriegerischen Verwicklungen wesentlich gehemmt, wenn nicht ganz vereitelt werden.

Die Entwicklung und der gegenwärtige Stand des Eisenbahnwesens in den einzelnen Ländern und Kolonien Afrikas wird unter den Stichworten der einzelnen Landgebiete ausführlicher behandelt. (Vgl. die Artikel: Ägypten, Algier, Belgisch-Kongo, Britisch-Ostafrika, Britisch-Südafrika, Britisch-Westafrika, Britisch-Zentralafrika, Deutsch-Ostafrika, Deutsche Schutzgebiete, Deutsch-Südwestafrika, Erithrea, Französisch-Kongo, Französisch-Somali, Französisch-Westafrika, Kamerun, Kap-Kairo-Bahn, Katangabezirk, Liberia, Madagaskar, Marokko, Mauritius, Portugiesisch-Ostafrika, Portugiesisch-Westafrika, Reunion, Saharaquerbahn, Sao-Thomé, Togo, Tripolis, Tunis.) Nachstehend lassen wir eine Zusammenstellung der im Betrieb befindlichen Eisenbahnen nach den einzelnen Ländern und Schutzgebieten Afrikas folgen, die sich zum Teil auf die Veröffentlichung im Archiv für Eisenbahnwesen: Die Eisenbahnen der Erde, 1911, S. 614, stützt. Da die Betriebslängen infolge der fortschreitenden Bautätigkeit bei vielen Bahnen ständig zunehmen, so können die angegebenen Zahlen auf unbedingte Genauigkeit keinen Anspruch machen.

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[109/0117] die bescheidene Zahl von nur 479 km Bahnen zur Betriebseröffnung gelangt war. Erst der Aufstand von Südwestafrika mit seinen schweren Opfern an Hab und Gut und Menschenleben hat dem deutschen Volke die Augen geöffnet und einen heilsamen Umschwung in der öffentlichen Meinung herbeigeführt. Das deutsche Volk lernte wieder an seine in früheren Jahrhunderten bewährte kolonisatorische Kraft und Befähigung glauben, faßte wieder Vertrauen in die Zukunft seines bisher häufig zu Unrecht geschmähten überseeischen Kolonialbesitzes und wuchs in die neuen kolonialen Aufgaben allmählich hinein. Der nach der Auflösung vom Dezember 1906 neugewählte Reichstag bewilligte die Mittel für die Niederwerfung des Aufstandes in Deutsch-Südwestafrika, für die Weiterführung der Eisenbahn Lüderitzbucht-Aus nach Keetmanshoop und für die Errichtung des neuen Kolonialamtes als einer obersten Reichsbehörde. Der Chef der neuen Reichsbehörde (ein Kaufmann von ungewöhnlicher Tatkraft) reiste im Sommer 1907 selbst in das ostafrikanische Schutzgebiet, um sich aus eigener Anschauung ein Urteil zu bilden über die Möglichkeiten und Vorteile des Eisenbahnbaues zur Erschließung der Schätze des Landes. Die Frucht dieser Reise war eine Kolonialbahnvorlage für 5 neue Schutzgebietsbahnen – im ganzen rund 1460 km – deren Mittel im Betrage von rund 157 Mill. M. Anfang Mai 1908 in Form einer Kolonialanleihe vom Reichstag bewilligt wurden. Der Bahnbau hat seitdem raschere Fortschritte gemacht: Die ersten 1000 km Betriebslänge fertiger Bahnen wurden im Jahre 1906, das zweite Tausend bereits im Jahre 1909 erreicht und überschritten. Nach den bisherigen Bewilligungen kann man damit rechnen, daß bis zum Jahre 1914 etwa 4000 km Bahnen in den Deutschen Schutzgebieten im Betrieb stehen werden. Insbesondere wird Tabora in Ostafrika vom Bahnbau voraussichtlich im Jahre 1912 erreicht werden. Portugal kommt an der Westküste, in Angola, mit seinen Bahnbauten nicht recht vorwärts; insbesondere scheint die geplante Lobito- oder Benguellabahn, die zur Erschließung des Katangabezirks östlich bis in das belgische Kongogebiet vordringen sollte, einstweilen weit vom Ziel zum Stillstande gelangt zu sein, da die Baumittel erschöpft waren. Neuerdings hat sich die Londoner Firma Pauling & Co. um die Fortführung der Benguellabahn beworben und scheint den Bau nachdrücklich zu betreiben. Bis die Bahn indes den Katangabezirk erreicht, dürfte noch geraume Zeit vergehen. Dagegen haben die Bahnen in Portugiesisch-Ostafrika, die Beira- und die Delagoabahn durch ihren Anschluß an das südafrikanische Eisenbahnnetz der britischen Kolonien erheblich an Bedeutung gewonnen; sie stellen die natürliche, kürzeste Verbindung dar, erstere von Rhodesia, letztere von Transvaal mit der Küste des Indischen Ozeans. Durch das neue Transvaal-Mozambique-Abkommen sind die lange Zeit schwebenden Tarifstreitigkeiten zwischen Portugal und Transvaal endgültig beigelegt, wobei es der Delagoabahn gelang, sich einen Anteil an dem gesamten Transvaal-Ein- und Ausfuhrverkehr von mindestens 50 bis zu höchstens 55% zu sichern. Die Gesamtlänge der portugiesischen Bahnen in Afrika belief sich im Jahre 1908 auf 1386 km. Von Italiens Eisenbahnfortschritten in Afrika ist zu melden, daß die 115 km lange Militärbahn Massaua-Asmara an der Somaliküste mit Ende des Jahres 1906 vollendet und in Betrieb genommen ist. Über die geplante Fortführung dieser Bahn ins Innere in westlicher Richtung ist Genaueres noch nicht bekannt geworden. Spaniens koloniale Bestrebungen in Marokko und die jüngsten kriegerischen Ereignisse haben dazu geführt, daß bei Melilla der Anfang mit einem Bahnbau in Richtung auf Fez gemacht worden ist; seine Fortschritte dürften durch die noch fortdauernden kriegerischen Verwicklungen wesentlich gehemmt, wenn nicht ganz vereitelt werden. Die Entwicklung und der gegenwärtige Stand des Eisenbahnwesens in den einzelnen Ländern und Kolonien Afrikas wird unter den Stichworten der einzelnen Landgebiete ausführlicher behandelt. (Vgl. die Artikel: Ägypten, Algier, Belgisch-Kongo, Britisch-Ostafrika, Britisch-Südafrika, Britisch-Westafrika, Britisch-Zentralafrika, Deutsch-Ostafrika, Deutsche Schutzgebiete, Deutsch-Südwestafrika, Erithrea, Französisch-Kongo, Französisch-Somali, Französisch-Westafrika, Kamerun, Kap-Kairo-Bahn, Katangabezirk, Liberia, Madagaskar, Marokko, Mauritius, Portugiesisch-Ostafrika, Portugiesisch-Westafrika, Reunion, Saharaquerbahn, Sao-Thomé, Togo, Tripolis, Tunis.) Nachstehend lassen wir eine Zusammenstellung der im Betrieb befindlichen Eisenbahnen nach den einzelnen Ländern und Schutzgebieten Afrikas folgen, die sich zum Teil auf die Veröffentlichung im Archiv für Eisenbahnwesen: Die Eisenbahnen der Erde, 1911, S. 614, stützt. Da die Betriebslängen infolge der fortschreitenden Bautätigkeit bei vielen Bahnen ständig zunehmen, so können die angegebenen Zahlen auf unbedingte Genauigkeit keinen Anspruch machen.

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, Wien, 1912, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen01_1912/117>, abgerufen am 23.11.2024.