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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, Wien, 1912.

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Betschuanaland sind höchst beachtenswert. Die Gründung der südafrikanischen Union wird die einheitliche Weiterentwicklung des Eisenbahnwesens und einen engeren Zusammenschluß der Eisenbahnen in den südafrikanischen Kolonien zweifellos fördern und den bisherigen Tarifstreitigkeiten und unersprießlichen Wettbewerbsbestrebungen unter den einzelnen Interessengebieten voraussichtlich ein Ziel setzen.

Die Tätigkeit der Englischen Verwaltung in Ägypten und im Sudan hat an der Ostküste von Afrika den Grund gelegt zu einem einschließlich der Privatbahnen mehr als 5500 km betragenden Eisenbahnnetz, das dem englischen Mutterlande die Herrschaft über diesen vor noch nicht langer Zeit der englischen Krone hinzugefügten Landbesitz für immer sichern dürfte. Der kühne Plan der Kap-Kairo-Bahn wurde von dem weiland ungekrönten Könige von Südafrika, Cecil Rhodes, gefaßt und von ihm noch in seinen Anfangsstrecken ins Leben gerufen, anfangs vielfach verlacht und von ernsthaften Männern für eine Unmöglichkeit bezeichnet; er reift seiner Vollendung entgegen, denn nur noch etwa 3500 km bilden heute die Lücke zwischen den von Nord und Süd vordringenden, ihrer Vereinigung zustrebenden Schienensträngen der großen Oberlandverbindung, die unter Benutzung einiger Nilstrecken den ganzen schwarzen Erdteil von Nord nach Süd durchqueren soll. Auch diese Verkehrslinie dürfte zweifellos das politische Übergewicht von Großbritannien und die Vormacht seines Handels hier noch weiter befestigen. Besonders ihr jetziges beschleunigtes Vordringen von Süden her, in Rhodesien über Brockenhill, in den belgischen Katangabezirk hinein, wo das Verbindungsglied zwischen der britischen und der kongolesischen Baustrecke der Kap-Kairo-Bahn am 12. Dezember 1909 in Gegenwart von Vertretern Englands und Belgiens feierlich eröffnet worden ist, soll und wird voraussichtlich dem britischen Reich einen wichtigen Anteil an der wirtschaftlichen Ausbeutung dieses reichen Erzbezirks im belgischen Kongogebiet sichern.

Auch in den britischen Kolonien von Westafrika, in Sierra Leone, an der Goldküste, in Lagos-Nigerien, sowie in Britisch-Ostafrika geht England tatkräftig mit dem Bahnbau vor und in kurzer Zeit wird nicht nur der Niger, sondern auch der wichtige Handelsplatz Kano mit der Küste durch eine Bahn verbunden sein. Die 940 km lange Ugandabahn in Britisch-Ostafrika, die das ganze Hinterland des großen Viktoriasees binnen kürzester Zeit erschlossen hat, darf als eine geradezu vorbildliche koloniale Tat des britischen Reiches bezeichnet werden.

An zweiter Stelle ist Frankreich zu nennen, das im Nordwesten von Afrika in Algier und Tunis, ein systematisch angelegtes Eisenbahnnetz, Ende 1908: 5388 km, geschaffen hat und in seinen westafrikanischen Kolonien, am Senegal und Niger, an der Elfenbeinküste, in Guinea und Dahome überall seine Bahnbauten mit Nachdruck vorwärts treibt, um das Land zu erschließen und den Handel seiner Schutzgebiete zu entwickeln. Auch an der Somaliküste sowie auf den Inseln Madagaskar und Reunion hat Frankreich wertvolle Bahnen geschaffen. Ihre Gesamtlänge im Jahre 1908 übersteigt 2200 km. Im französischen Kongogebiet ist es zurzeit erst bei allgemeinen Plänen und Erkundungen geblieben.

Belgien, als Besitzer des ehemaligen Kongostaates, der heutigen Kongokolonie, hat sich um die Erschließung dieses großen, zum Teil an Naturschätzen, namentlich auch Edelmetallen besonders reichen Gebietes, wesentliche Verdienste erworben. Es ist ihm gelungen, ein Verkehrsnetz zu schaffen, das sich aus lang ausgedehnten, meist natürlichen Wasserstraßen und Eisenbahnen zusammensetzt, die die Schifffahrtshindernisse der Stromschnellen überwinden sollen. An dem Ausbau dieses Verkehrsnetzes wird eifrig und erfolgreich gearbeitet. In letzter Zeit scheint der Bau einer Eisenbahn von Kongolo in östlicher Richtung nach Albertville, nördlich des Lukugaflusses, im ganzen 280 km lang, zur Verbindung des Lualaba (Kongo) mit dem Westufer des Tanganjika-Sees besonders gefördert zu werden. Diese Eisenbahn ist von Bedeutung für das an den See östlich angrenzende Deutsch-Ostafrika. Einzelne Strecken des geplanten Bahnnetzes sind bereits im Betriebe Ende 1910: 881 km - und gewähren schon jetzt eine reiche Rente auf die angelegten Baukapitalien.

Deutschland, das zuletzt in die Reihe der europäischen Kolonialmächte eingetreten ist, war infolge der von Anfang an lange Jahre hindurch gezeigten Unentschlossenheit der Regierung, infolge des Mangels an Interesse und Verständnis für die kolonialen Aufgaben in den weitesten Kreisen des Volkes, am meisten zurückgeblieben in der Erfassung und Erfüllung der Aufgaben auf dem Gebiete des Eisenbahnbaus zur Erschließung seines kolonialen Besitzes.

Sieht man die Übernahme der Lüderitzschen Erwerbungen durch das Deutsche Reich im Jahre 1884 als den Beginn der kolonialen Betätigung an, so ergibt sich, daß in den ersten 20 Jahren, bis zu Ende des Jahres 1904, in allen deutschen Schutzgebieten zusammen

Betschuanaland sind höchst beachtenswert. Die Gründung der südafrikanischen Union wird die einheitliche Weiterentwicklung des Eisenbahnwesens und einen engeren Zusammenschluß der Eisenbahnen in den südafrikanischen Kolonien zweifellos fördern und den bisherigen Tarifstreitigkeiten und unersprießlichen Wettbewerbsbestrebungen unter den einzelnen Interessengebieten voraussichtlich ein Ziel setzen.

Die Tätigkeit der Englischen Verwaltung in Ägypten und im Sudan hat an der Ostküste von Afrika den Grund gelegt zu einem einschließlich der Privatbahnen mehr als 5500 km betragenden Eisenbahnnetz, das dem englischen Mutterlande die Herrschaft über diesen vor noch nicht langer Zeit der englischen Krone hinzugefügten Landbesitz für immer sichern dürfte. Der kühne Plan der Kap-Kairo-Bahn wurde von dem weiland ungekrönten Könige von Südafrika, Cecil Rhodes, gefaßt und von ihm noch in seinen Anfangsstrecken ins Leben gerufen, anfangs vielfach verlacht und von ernsthaften Männern für eine Unmöglichkeit bezeichnet; er reift seiner Vollendung entgegen, denn nur noch etwa 3500 km bilden heute die Lücke zwischen den von Nord und Süd vordringenden, ihrer Vereinigung zustrebenden Schienensträngen der großen Oberlandverbindung, die unter Benutzung einiger Nilstrecken den ganzen schwarzen Erdteil von Nord nach Süd durchqueren soll. Auch diese Verkehrslinie dürfte zweifellos das politische Übergewicht von Großbritannien und die Vormacht seines Handels hier noch weiter befestigen. Besonders ihr jetziges beschleunigtes Vordringen von Süden her, in Rhodesien über Brockenhill, in den belgischen Katangabezirk hinein, wo das Verbindungsglied zwischen der britischen und der kongolesischen Baustrecke der Kap-Kairo-Bahn am 12. Dezember 1909 in Gegenwart von Vertretern Englands und Belgiens feierlich eröffnet worden ist, soll und wird voraussichtlich dem britischen Reich einen wichtigen Anteil an der wirtschaftlichen Ausbeutung dieses reichen Erzbezirks im belgischen Kongogebiet sichern.

Auch in den britischen Kolonien von Westafrika, in Sierra Leone, an der Goldküste, in Lagos-Nigerien, sowie in Britisch-Ostafrika geht England tatkräftig mit dem Bahnbau vor und in kurzer Zeit wird nicht nur der Niger, sondern auch der wichtige Handelsplatz Kano mit der Küste durch eine Bahn verbunden sein. Die 940 km lange Ugandabahn in Britisch-Ostafrika, die das ganze Hinterland des großen Viktoriasees binnen kürzester Zeit erschlossen hat, darf als eine geradezu vorbildliche koloniale Tat des britischen Reiches bezeichnet werden.

An zweiter Stelle ist Frankreich zu nennen, das im Nordwesten von Afrika in Algier und Tunis, ein systematisch angelegtes Eisenbahnnetz, Ende 1908: 5388 km, geschaffen hat und in seinen westafrikanischen Kolonien, am Senegal und Niger, an der Elfenbeinküste, in Guinea und Dahomé überall seine Bahnbauten mit Nachdruck vorwärts treibt, um das Land zu erschließen und den Handel seiner Schutzgebiete zu entwickeln. Auch an der Somaliküste sowie auf den Inseln Madagaskar und Reunion hat Frankreich wertvolle Bahnen geschaffen. Ihre Gesamtlänge im Jahre 1908 übersteigt 2200 km. Im französischen Kongogebiet ist es zurzeit erst bei allgemeinen Plänen und Erkundungen geblieben.

Belgien, als Besitzer des ehemaligen Kongostaates, der heutigen Kongokolonie, hat sich um die Erschließung dieses großen, zum Teil an Naturschätzen, namentlich auch Edelmetallen besonders reichen Gebietes, wesentliche Verdienste erworben. Es ist ihm gelungen, ein Verkehrsnetz zu schaffen, das sich aus lang ausgedehnten, meist natürlichen Wasserstraßen und Eisenbahnen zusammensetzt, die die Schifffahrtshindernisse der Stromschnellen überwinden sollen. An dem Ausbau dieses Verkehrsnetzes wird eifrig und erfolgreich gearbeitet. In letzter Zeit scheint der Bau einer Eisenbahn von Kongolo in östlicher Richtung nach Albertville, nördlich des Lukugaflusses, im ganzen 280 km lang, zur Verbindung des Lualaba (Kongo) mit dem Westufer des Tanganjika-Sees besonders gefördert zu werden. Diese Eisenbahn ist von Bedeutung für das an den See östlich angrenzende Deutsch-Ostafrika. Einzelne Strecken des geplanten Bahnnetzes sind bereits im Betriebe Ende 1910: 881 km – und gewähren schon jetzt eine reiche Rente auf die angelegten Baukapitalien.

Deutschland, das zuletzt in die Reihe der europäischen Kolonialmächte eingetreten ist, war infolge der von Anfang an lange Jahre hindurch gezeigten Unentschlossenheit der Regierung, infolge des Mangels an Interesse und Verständnis für die kolonialen Aufgaben in den weitesten Kreisen des Volkes, am meisten zurückgeblieben in der Erfassung und Erfüllung der Aufgaben auf dem Gebiete des Eisenbahnbaus zur Erschließung seines kolonialen Besitzes.

Sieht man die Übernahme der Lüderitzschen Erwerbungen durch das Deutsche Reich im Jahre 1884 als den Beginn der kolonialen Betätigung an, so ergibt sich, daß in den ersten 20 Jahren, bis zu Ende des Jahres 1904, in allen deutschen Schutzgebieten zusammen

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Betschuanaland sind höchst beachtenswert. Die Gründung der südafrikanischen Union wird die einheitliche Weiterentwicklung des Eisenbahnwesens und einen engeren Zusammenschluß der Eisenbahnen in den südafrikanischen Kolonien zweifellos fördern und den bisherigen Tarifstreitigkeiten und unersprießlichen Wettbewerbsbestrebungen unter den einzelnen Interessengebieten voraussichtlich ein Ziel setzen.</p><lb/>
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[108/0116] Betschuanaland sind höchst beachtenswert. Die Gründung der südafrikanischen Union wird die einheitliche Weiterentwicklung des Eisenbahnwesens und einen engeren Zusammenschluß der Eisenbahnen in den südafrikanischen Kolonien zweifellos fördern und den bisherigen Tarifstreitigkeiten und unersprießlichen Wettbewerbsbestrebungen unter den einzelnen Interessengebieten voraussichtlich ein Ziel setzen. Die Tätigkeit der Englischen Verwaltung in Ägypten und im Sudan hat an der Ostküste von Afrika den Grund gelegt zu einem einschließlich der Privatbahnen mehr als 5500 km betragenden Eisenbahnnetz, das dem englischen Mutterlande die Herrschaft über diesen vor noch nicht langer Zeit der englischen Krone hinzugefügten Landbesitz für immer sichern dürfte. Der kühne Plan der Kap-Kairo-Bahn wurde von dem weiland ungekrönten Könige von Südafrika, Cecil Rhodes, gefaßt und von ihm noch in seinen Anfangsstrecken ins Leben gerufen, anfangs vielfach verlacht und von ernsthaften Männern für eine Unmöglichkeit bezeichnet; er reift seiner Vollendung entgegen, denn nur noch etwa 3500 km bilden heute die Lücke zwischen den von Nord und Süd vordringenden, ihrer Vereinigung zustrebenden Schienensträngen der großen Oberlandverbindung, die unter Benutzung einiger Nilstrecken den ganzen schwarzen Erdteil von Nord nach Süd durchqueren soll. Auch diese Verkehrslinie dürfte zweifellos das politische Übergewicht von Großbritannien und die Vormacht seines Handels hier noch weiter befestigen. Besonders ihr jetziges beschleunigtes Vordringen von Süden her, in Rhodesien über Brockenhill, in den belgischen Katangabezirk hinein, wo das Verbindungsglied zwischen der britischen und der kongolesischen Baustrecke der Kap-Kairo-Bahn am 12. Dezember 1909 in Gegenwart von Vertretern Englands und Belgiens feierlich eröffnet worden ist, soll und wird voraussichtlich dem britischen Reich einen wichtigen Anteil an der wirtschaftlichen Ausbeutung dieses reichen Erzbezirks im belgischen Kongogebiet sichern. Auch in den britischen Kolonien von Westafrika, in Sierra Leone, an der Goldküste, in Lagos-Nigerien, sowie in Britisch-Ostafrika geht England tatkräftig mit dem Bahnbau vor und in kurzer Zeit wird nicht nur der Niger, sondern auch der wichtige Handelsplatz Kano mit der Küste durch eine Bahn verbunden sein. Die 940 km lange Ugandabahn in Britisch-Ostafrika, die das ganze Hinterland des großen Viktoriasees binnen kürzester Zeit erschlossen hat, darf als eine geradezu vorbildliche koloniale Tat des britischen Reiches bezeichnet werden. An zweiter Stelle ist Frankreich zu nennen, das im Nordwesten von Afrika in Algier und Tunis, ein systematisch angelegtes Eisenbahnnetz, Ende 1908: 5388 km, geschaffen hat und in seinen westafrikanischen Kolonien, am Senegal und Niger, an der Elfenbeinküste, in Guinea und Dahomé überall seine Bahnbauten mit Nachdruck vorwärts treibt, um das Land zu erschließen und den Handel seiner Schutzgebiete zu entwickeln. Auch an der Somaliküste sowie auf den Inseln Madagaskar und Reunion hat Frankreich wertvolle Bahnen geschaffen. Ihre Gesamtlänge im Jahre 1908 übersteigt 2200 km. Im französischen Kongogebiet ist es zurzeit erst bei allgemeinen Plänen und Erkundungen geblieben. Belgien, als Besitzer des ehemaligen Kongostaates, der heutigen Kongokolonie, hat sich um die Erschließung dieses großen, zum Teil an Naturschätzen, namentlich auch Edelmetallen besonders reichen Gebietes, wesentliche Verdienste erworben. Es ist ihm gelungen, ein Verkehrsnetz zu schaffen, das sich aus lang ausgedehnten, meist natürlichen Wasserstraßen und Eisenbahnen zusammensetzt, die die Schifffahrtshindernisse der Stromschnellen überwinden sollen. An dem Ausbau dieses Verkehrsnetzes wird eifrig und erfolgreich gearbeitet. In letzter Zeit scheint der Bau einer Eisenbahn von Kongolo in östlicher Richtung nach Albertville, nördlich des Lukugaflusses, im ganzen 280 km lang, zur Verbindung des Lualaba (Kongo) mit dem Westufer des Tanganjika-Sees besonders gefördert zu werden. Diese Eisenbahn ist von Bedeutung für das an den See östlich angrenzende Deutsch-Ostafrika. Einzelne Strecken des geplanten Bahnnetzes sind bereits im Betriebe Ende 1910: 881 km – und gewähren schon jetzt eine reiche Rente auf die angelegten Baukapitalien. Deutschland, das zuletzt in die Reihe der europäischen Kolonialmächte eingetreten ist, war infolge der von Anfang an lange Jahre hindurch gezeigten Unentschlossenheit der Regierung, infolge des Mangels an Interesse und Verständnis für die kolonialen Aufgaben in den weitesten Kreisen des Volkes, am meisten zurückgeblieben in der Erfassung und Erfüllung der Aufgaben auf dem Gebiete des Eisenbahnbaus zur Erschließung seines kolonialen Besitzes. Sieht man die Übernahme der Lüderitzschen Erwerbungen durch das Deutsche Reich im Jahre 1884 als den Beginn der kolonialen Betätigung an, so ergibt sich, daß in den ersten 20 Jahren, bis zu Ende des Jahres 1904, in allen deutschen Schutzgebieten zusammen

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, Wien, 1912, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen01_1912/116>, abgerufen am 16.07.2024.